Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- EU-Spitzen in der Türkei: Besuch im Tumult
> Von der Leyen spricht mit Erdoğan über das EU-Türkei-Verhältnis – obwohl
> der Präsident im eigenen Land gerade mit neuen Repressionen aufwartet.
Bild: Charmeoffensive: Von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel beim tü…
Istanbul taz | Mitten in einem seit Tagen andauernden innenpolitischen
Tumult in der Türkei ist am Dienstag die Spitze der EU in Ankara zu einem
[1][beim EU-Gipfel im März] verabredeten Besuch gekommen. Ursula von der
Leyen und Ratspräsident Charles Michel trafen sich mit Staatspräsident
Recep Tayyip Erdoğan, um [2][über den weiteren Ausbau der Beziehungen
zwischen der Türkei und der EU] zu sprechen.
Dabei geht es der EU vor allem darum, die Streitigkeiten zwischen der
Türkei und Griechenland um die Gasförderung im östlichen Mittelmeer in
ruhigere Bahnen zu lenken – und damit den Konflikt mit Zypern. Seitdem der
Streit über die Ausbeutung potenzieller Gas- und Ölfelder im letzten Jahr
fast zu einer bewaffneten Auseinandersetzung geführt hatte, wird jetzt,
nicht zuletzt auf Druck der EU, zumindest wieder verhandelt.
Quasi als Belohnung für den Rückzug der türkischen Explorationsschiffe aus
den umstrittenen Seegebieten, will die EU jetzt die 2018 auf Eis gelegten
Gespräche über eine Ausweitung der Zollunion und eine Visaliberalisierung
für türkische Staatsbürger wieder aufnehmen, wenn sich das „positive
Verhalten“ der Türkei bis zum kommenden EU-Gipfel verstetigt. Außerdem soll
über die Verlängerung des EU-Türkei-Flüchtlingspakts gesprochen werden.
Kritiker dieser Charmeoffensive bemängeln vor allem, dass die EU die
dramatische Verschlechterung der Demokratie- und Menschenrechtslage in der
Türkei offenbar gar nicht mehr interessiere. Der [3][kürzliche Ausstieg aus
der Istanbul-Konvention, einer völkerrechtlich verbindlichen
Frauenrechtscharta], und der Antrag auf das Verbot der kurdisch-linken
Oppositionspartei HDP scheinen für die EU-Spitze keine Rolle mehr zu
spielen. Da trifft es sich, dass just in diesen Tagen eine erneute
Repressionskampagne begonnen hat, die letztlich auf die größte
Oppositionspartei, die sozialdemokratisch-kemalistische CHP, abzielt.
## Ziel der Attacken ist die CHP
Es begann am Wochenende: 104 pensionierte Admiräle erklärten sich in einer
Stellungnahme gegen den von Erdoğan mit Vehemenz betriebenen Bau einer
neuen Wasserstraße vom Schwarzen Meer zum Marmarameer. Das Vorhaben sei
eine ökologische Katastrophe, technisch schwer umsetzbar und diene
letztlich dazu, das internationale Montreux-Abkommen über die Schifffahrt
durch die Dardanellen und den Bosporus zu unterlaufen. Nach der Kündigung
der Istanbul-Konvention war in der Türkei eine Diskussion über einen
möglichen Ausstieg aus dem Montreux-Abkommen aufgekommen.
Diese Meinungsäußerung der Ex-Admiräle blasen Regierung und die ihr
nahestehenden Medien seit Tagen zu einer angeblichen Vorbereitung für einen
Putschversuch auf. Erdoğan sprach am Montag nach einer Krisensitzung seiner
Partei von einem Putschversuch der Kemalisten in der Armee, der nicht
hingenommen werden könne. Ebenfalls am Montag waren die angeblichen zehn
Anführer des Putschversuchs festgenommen worden und sollen nun am
Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt werden.
Das Ziel hinter diesen Attacken ist die CHP. Die Partei ist seit Langem
gegen den neuen Kanal, der Istanbuler CHP-Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu
ist einer der Wortführer der Kanalgegner. Regierungsnahe Medien
veröffentlichten deshalb zuletzt Namen und Anschriften nicht nur der
Admiräle, sondern auch von Angehörigen und Freunden von ihnen, die
Mitglieder der CHP seien. So soll die Stellungnahme der pensionierten
Militärs als Ausgangspunkt für einen angeblich von der CHP vorbereiteten
Putsch dargestellt werden.
6 Apr 2021
## LINKS
[1] /Vor-dem-EU-Gipfel/!5761293
[2] /Verhaeltnis-der-EU-zur-Tuerkei/!5761551
[3] /Nach-Austritt-aus-Istanbul-Konvention/!5761685
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Türkei
EU-Türkei-Deal
Recep Tayyip Erdoğan
CHP
Gaskonflikt
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Türkei
Mario Draghi
Schwerpunkt Türkei
Türkei
Schwerpunkt Femizide
Türkei
EU-Sanktionen
## ARTIKEL ZUM THEMA
UN-Sicherheitsrat zum türkisch-griechischen Konflikt: Zypern-Politik Erdoğans…
Der Türkei liegt nichts mehr an einer Wiedervereinigung. Der Sicherheitsrat
kritisiert nun die geplante Öffnung der Geisterstadt Varosha.
Kobane-Prozess in der Türkei: Tumulte zum Auftakt
In Ankara hat ein Mammutverfahren zu tödlichen Protesten gegen den
IS-Angriff auf Kobane 2014 begonnen. Die HDP spricht von einem
„Racheprozess“.
Gasstreit Griechenlands und der Türkei: Entspannung am Mittelmeer
Der griechische Außenminister trifft die türkische Führung. Auch sonst
sucht Ankara nach der jüngsten Eskalation einen Neuanfang.
Mario Draghi nennt Erdoğan Diktator: Plötzlich Klartext
Er war lange ein Mann des Geschwurbels. Jetzt nennt Mario Draghi plötzlich
Dinge beim Namen – während Europa nicht mal um einen Stuhl bitten kann.
Streit ums „Sofagate“: Draghi nennt Erdoğan „Diktator“
Der Streit um den fehlenden Stuhl für Ursula von der Leyen beim
Türkeibesuch eskaliert. Die türkische Regierung bestellt Italiens
Botschafter ein.
Von der Leyen in der Türkei: Die EU kapituliert vor Erdoğan
Die EU-Kommissionspräsidentin hat mit ihrem Besuch in der Türkei ein Signal
gesetzt: Die EU interessiert sich für Macht, nicht für Menschenrechte.
Nach Austritt aus Istanbul-Konvention: „Es geht um unser Leben“
Vor einer Woche beschloss der türkische Präsident den Austritt aus der
Istanbul-Konvention. Nun gingen in der Türkei wieder Tausende auf die
Straße.
Verhältnis der EU zur Türkei: Ewiges Dilemma
Die EU agiert im Umgang mit der Türkei zögerlich. Dabei ist gegenüber
Erdoğan klare Kante nötig. Durch positive Anreize – oder massive
Sanktionen.
Vor dem EU-Gipfel: Auf Schmusekurs mit der Türkei
Beim EU-Treffen am Donnerstag und Freitag setzt Brüssel auf eine
Wiederannäherung an die Erdoğan-Regierung. Sanktionen sind vom Tisch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.