# taz.de -- EU-Sanktionen gegen China: Eine halbgare Drohung | |
> Sanktionen helfen nicht. Die Europäische Union sollte einen eigenen Weg | |
> gehen: auf Verhandlungen und öffentlichen Druck setzen. | |
Bild: Protest gegen die Unterdrückung der Uiguren vor der chinesischen Botscha… | |
Wer mit chinesischen Regierungsvertretern über den Genozidvorwurf in | |
Xinjiang debattiert, bekommt dieser Tage eine deutliche Retourkutsche: Was | |
ein Völkermord sei, heißt es dann, würde man im Land des Holocausts ja aus | |
der eigenen Geschichte kennen. Mit dem, was in der westchinesischen Provinz | |
passiere, habe dies aber überhaupt nichts zu tun. | |
Und dennoch hat [1][erstmals seit über drei Jahrzehnten die europäische | |
Union Sanktionen gegen Peking] verhängt. Wie so vieles, was die 27 | |
Mitgliedsstaaten beschließen, ist auch jene historische Maßnahme vor allem | |
eine Kompromisslösung. Als wolle man sagen: Zwar können wir Chinas | |
Menschenrechtsverbrechen gegen die Uiguren nicht einfach hinnehmen, doch so | |
richtig provozieren wollen wir die Volksrepublik nun auch wieder nicht. | |
Für Pekingkritiker werden die Sanktionen nicht weit genug gehen. | |
Tatsächlich sind sie bei näherer Betrachtung ziemlich zahnlos: Die | |
Vermögenswerte einiger Parteivertreter, die maßgeblich für das Lagersystem | |
in Xinjiang verantwortlich sind, werden eingefroren, zudem dürfen sie | |
künftig nicht mehr nach Europa einreisen. Doch gleichzeitig werden die | |
EU-Repressionen keineswegs ihr Ziel erreichen – nämlich die Situation in | |
Xinjiang zu verbessern. Im Gegenteil: Pekings Staatsführung muss auch | |
weiterhin eingebunden werden – politisch wie auch wirtschaftlich. Dies wird | |
umso wichtiger, als eine militärische Auseinandersetzung zwischen den USA | |
und China als Damoklesschwert über der Weltbevölkerung kreist. | |
Ohnehin erinnern die Tendenzen [2][in den USA, wo mittlerweile jeder in | |
China geborene Doktorand unter Spionageverdacht steht], an die historische | |
Kommunistenjagd unter McCarthy.Die europäische Union sollte einen eigenen | |
Weg gehen – und auf Verhandlungen und öffentlichem Druck setzen. Denn allzu | |
oft, so hat die Geschichte bewiesen, hat die Volksrepublik genau dann ihre | |
Repressionen im Inland angezogen, je mehr sie sich von außen bedroht sieht. | |
Sanktionen sind ein dementsprechend fragwürdiger Weg, weil sie nicht selten | |
gegenteilige Effekte erzielen. Wie zum Beweis hat Pekings Staatsführung nur | |
wenige Stunden nach den EU-Maßnahmen ihrerseits reagiert – und Sanktionen | |
gegen 10 europäische Politiker und Akademiker sowie 4 Institutionen | |
verhängt. Zweifelsohne ist Chinas Reaktion unverhältnismäßig und | |
unangemessen. Dennoch wäre es umso verheerender, wenn sich Europa auf diese | |
gefährliche Eskalationsspirale einlässt. An dessen Ende kann es nur | |
Verlierer geben, keine Gewinner. | |
23 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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