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# taz.de -- Strategien gegen das Baumsterben: Neue Wälder braucht das Land
> Der Klimawandel macht den Wäldern zu schaffen. Doch die sterbenden
> Fichten einfach durch amerikanische Douglasien zu ersetzen, ist keine
> Lösung.
Bild: Hoffnungsträgerin: Die Douglasie kann dem Klimawandel trotzen
Neumünster taz | Kahle Fichten, getötet von Trockenstress und Borkenkäfern
– das [1][Baumsterben im Harz] zeigt, wie der Klimawandel dem Wald zu
schaffen macht. Bundesweit müssen rund 180.000 Hektar Wald neu aufgebaut
werden. Doch wie?
Die traditionelle Forstwirtschaft setzt auf „Hire and fire“: Wo die
deutsche Stieleiche vertrocknet, wird die amerikanische Roteiche gepflanzt,
Fichten werden durch ihre amerikanischen Verwandten, die Douglasien,
ersetzt. Der Naturschutz und alternative Forstwirt*innen sehen diesen
Austausch von Arten kritisch. Um das Ökosystem Wald zu retten, bräuchte es
ihrer Meinung nach neue Formen der Bewirtschaftung statt angeblicher
„Wunderbäume“.
Auch die Fichte galt lange als eine Art Wunderbaum: Sie wächst schnell und
gerade, ihr Holz ist leicht und vielseitig verwendbar. Rund Dreiviertel des
Waldes bestehen aus Fichten, obwohl der Baum natürlich viel seltener und
auf vielen Flächen gar nicht vorkäme, wäre er nicht von Menschen gepflanzt
worden. Deshalb sei es weder ein Problem noch ein Wunder, dass die
Nadelhölzer massenhaft stürben, meint der Direktor der Lübecker
Stadtforsten, Lutz Fähser: Monokulturen, in denen Bäume in weiten Abständen
stehen, nennt er „magersüchtig“.
Fähser hat ein eigenes Modell für naturgemäßen Waldbau entwickelt, heute
ist er beim BUND Schleswig-Holstein engagiert und Mitherausgeber des Buches
„Der Holzweg“. Er und seine Mitstreiter*innen fordern einen neuen Blick
auf das [2][Ökosystem Wald], von den Pilzen im Boden über das Leben im
Unterholz bis zu den Blattspitzen. Fähser glaubt, dass heimische Hölzer am
besten für den Wald der Zukunft geeignet seien.
## Fichte raus, Douglasie rein
Die Bundesregierung verfolgt den entgegengesetzten Kurs: „Wir wollen
Wälder, die leistungsfähig sind“, hieß es in einem Eckpunktepapier des
Bundeslandwirtschaftsministeriums zum Waldgipfel 2019. Zwar solle es mehr
Mischwälder geben, in denen aber sollten „nicht-heimische Baumarten
berücksichtigt werden“ – Fichte raus, Douglasie rein. Nur ein kleiner Teil
der Wälder solle einer natürlichen Entwicklung überlassen bleiben.
Rund 800 Millionen Euro stehen dafür bereit, überwiegend vom Bund gestellt
und kofinanziert durch die Länder, die mit ihren Forstgesetzen und
Landesforsten wichtige Player in der Zukunft des Waldes sind.
Schleswig-Holstein ist mit rund zehn Prozent Waldfläche das waldärmste
Bundesland, dennoch setzen die Landesforsten auch dort stark auf
Holzgewinnung – in Einklang mit dem grün geführten Umwelt- und
Landwirtschaftsministerium: Die Forsten würden nach „wirtschaftlichen
Gesichtspunkten geführt“, teilt das Haus mit.
## Landesforstdirektor will nicht auf heimische Hölzer setzen
Auf heimische Hölzer zu setzen, kommt für den schleswig-holsteinischen
Landesforstdirektor Tim Scherer nicht infrage: „Es interessiert mich
relativ wenig, nur darauf zu schauen, wie die Vegetation früher war, weil
ich weiß, dass sie künftig anders aussehen wird“, sagte er der
Nachrichtenagentur dpa.
Auch er will künftig mehr Mischwald, aber diesem sollen nicht heimische
Gewächse wie Douglasie, Küstentanne, Roteiche und Japanlärche „beigemischt…
werden. Die Forderungen, dem natürlichen Bewuchs den Vorrang zu lassen,
hält er angesichts des Klimawandels für „rückwärtsgewandt“.
„Herr Scherer hat wohl eine Kristallkugel, dass er genau weiß, was kommt“,
spottet Lutz Fähser aus Lübeck. Schließlich bringe der Klimawandel nicht
nur Hitze, sondern auch Frostperioden und Stürme. Auf diesen raschen Wandel
könne der Mensch nie so schnell reagieren wie ein – gesunder – Wald das
schaffe. „Wir pflanzen einen Baum. Ein Ahorn oder eine Eiche verteilen
Tausende Samen.“
Die Wahrscheinlichkeit, dass Klima-angepasste Gewächse dabei seien, sei
unendlich viel größer, wenn der Wald das selbst erledige, meint Fähser –
Forschungen zeigten, dass sich ältere Bäume auf neue Anforderungen wie
Trockenheit einstellen und diese Information an den Samen weitergeben
könnten. „Es lässt sich feststellen, dass Pflanzen und Tiere sich rascher
an klimatische Veränderungen anpassen, als es nach der klassischen
Vererbungslehre zu erwarten wäre“, sagt Fähser. Er schlägt daher vor,
größere Flächen sich selbst zu überlassen, um die ideale Mischung zu
finden.
Dafür könnte die Politik mit anderer Gesetzgebung helfen. Bereits jetzt
setzen einige Waldbesitzer*innen auf das naturgemäßere
Dauerwald-Konzept, bei dem die Bäume länger stehen bleiben.
## Niedersachsen hat ein Entwicklungsprogramm für den Wald
Niedersachsen hat vor dreißig Jahren, als die Grünen unter dem damaligen
Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) mit an der Regierung waren, mit
der [3][„Langfristigen Ökologischen Waldentwicklung“ („Löwe“)] begonn…
einem Programm, das bis heute fortgesetzt wird. „Wo vorher Fichten standen,
sorgen wir für Vielfalt und mischen zahlreiche Baumarten miteinander“,
sagte Klaus Merker, Präsident der Niedersächsischen Landesforsten, bei
einer Waldbesichtigung im vergangenen Herbst.
Auch die Douglasie gehört zum Konzept – irgendwoher muss das Holz
schließlich kommen. Sie speichere viel CO2 und leiste damit auch einen
Beitrag zum Klimaschutz, so Merker. Wichtig sei die Mischung: „Nur auf
wenige Baumarten zu setzen und andere zu verteufeln, ist angesichts des
Klimawandels falsch.“
Mehr über die Suche nach Strategien gegen das Waldsterben lesen Sie in der
gedruckten taz am wochenende oder im [4][e-kiosk].
9 Apr 2021
## LINKS
[1] /Waldschaeden-im-Harz/!5702305
[2] /Waldlobbyisten-fordern-mehr-Geld/!5759279
[3] https://www.landesforsten.de/wir/loewe/
[4] /!114771/
## AUTOREN
Esther Geißlinger
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