# taz.de -- MeToo an der Berliner Volksbühne: Das Schweigen ist vorbei | |
> Die Enthüllungen über den Machtmissbrauch Dörrs sind auch infolge von | |
> MeToo möglich geworden. Gemeinsam zu handeln macht die Betroffenen stark. | |
Bild: Volksbühne Berlin: Konsequenzen nach Machtmissbrauch und sexualisierten … | |
Auf einmal ging es ganz schnell. Drei Tage, nachdem die [1][taz eine | |
Recherche zu Machtmissbrauch und sexualisierten Grenzüberschreitungen durch | |
Klaus Dörr] veröffentlichte, trat er nun als Intendant der Berliner | |
Volksbühne zurück. Am vergangenen Freitag noch bezeichnete er die in der | |
Recherche dargelegten Anschuldigungen von zehn Frauen als „halt- und | |
substanzlos“. Am Montag dann hat er sich mit Berlins Kultursenator Klaus | |
Lederer „geeinigt“, die Intendanz zu beenden. | |
Vor drei Jahren richtet Kulturstaatsministerin Monika Grütters die | |
unabhängige und branchenübergreifende Vertrauensstelle Themis ein. Hierhin | |
können sich Betroffene von sexueller Belästigung oder Gewalt in Film, | |
Fernsehen und Theater wenden. Themis ist eine Reaktion auf #MeToo. Anfang | |
2018 wird durch eine Recherche der Zeit [2][der Fall Dieter Wedel] bekannt, | |
der erste größere [3][#MeToo-Fall] in der Kulturszene Deutschlands. Im | |
selben Jahr beginnt Klaus Dörr seine Intendanz an der Berliner Volksbühne. | |
Zwei Jahre später, im November 2020, reichen zehn Frauen bei Themis eine | |
Beschwerde ein. Es geht unter anderem um enge, intime, körperliche Nähe und | |
Berührungen, sexistische Sprüche, Starren auf Brust und Beine, drohende | |
Gebärden, ein vergiftetes Betriebsklima. Mitte Januar landet die Beschwerde | |
bei der Berliner Senatsverwaltung für Kultur. | |
Die taz konnte mit den Betroffenen sprechen, Chat-Verläufe und E-Mails | |
sehen, mit aktuellen und ehemaligen Kolleg*innen sprechen. Was die | |
Frauen beschreiben, ist eine Kultur der Abhängigkeit und Angst. Es ist eine | |
Kultur, in der ein Mann seine Macht gegenüber Frauen ausnutzt. Es ist aber | |
auch eine Kultur des Wegschauens. „Wir wussten alle, dass verschiedene | |
Leute davon betroffen sind,“ sagt eine ehemalige Kollegin von Dörr. Alle | |
wussten was, keine*r sagte was. | |
## Was wusste Berlins Kultursenator Klaus Lederer? | |
Ein bekanntes Muster im Umgang mit sexueller Belästigung. Im Ausschuss für | |
Kulturelle Angelegenheiten im Berliner Abgeordnetenhaus gab Klaus Lederer | |
(Linke) am Montag den Rücktritt von Dörr bekannt. Zuvor stand die Frage im | |
Raum, warum der Kultursenator nicht schon früher handelte. Andrea | |
Koschwitz, ehemalige Chefdramaturgin des Maxim-Gorki-Theaters, berichtete | |
der taz, sie habe sich 2018 warnend an Lederer gewandt. Er habe nur | |
Gerüchte gehört, nichts Konkretes, sagte Lederer nun. | |
Klaus Lederer hat Recht, wenn er sagt, aufgrund von Gerüchten keine | |
Entscheidungen treffen zu können. Dennoch: 2018 war die #MeToo-Debatte in | |
vollem Gange – Gerüchten über den eigens installierten Intendanten kann man | |
nachgehen, die Kultur des Wegschauens durchbrechen. | |
Erst nach Veröffentlichung der taz-Recherche und einer darauffolgenden | |
Petition zur Absetzung von Klaus Dörr kommt der [4][Kultursenator zu dem | |
Schluss, dass Dörr sein Amt niederlegen müsse]. Dabei liegt die Beschwerde | |
der Frauen seit zwei Monaten in der Senatsverwaltung für Kultur. Zwei | |
Monate, in denen die Frauen weiterhin in einem beruflichen | |
Abhängigkeitsverhältnis zu Dörr standen und sich fragen mussten, welche | |
Konsequenzen ihre Beschwerde wohl haben würde. Eine schreckliche Zeit des | |
Wartens. | |
Time's up. Die Zeiten, in denen sexuelle Belästigung und Gewalt in einer | |
Kultur des Schweigens und Wegschauens verschwinden, sind vorbei. Doch der | |
Fall Klaus Dörr ist vier Jahre nach #MeToo auch ein Zeichen, dass | |
sexistische Strukturen weiter existieren, wenn sie nicht angefochten werden | |
über interne und mediale Aufmerksamkeit. | |
Der Kern aller Veränderung sind die Betroffenen selbst. Zehn Frauen haben | |
sich getraut, sexistisches Verhalten nicht mehr hinzunehmen, ihre Stimme zu | |
erheben. #MeToo zeigt: Wo eine Betroffene ist, sind meist auch andere. Im | |
gemeinsamen Brechen des Schweigens, im Sprechen über das Geschehene und im | |
Zusammenschluss liegt die Stärke der Bewegung. | |
16 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Vorwuerfe-gegen-Berliner-Intendanten/!5757744 | |
[2] /Vorwurf-der-Vergewaltigung/!5756134 | |
[3] /Ein-Jahr-MeToo/!5540427 | |
[4] /Sexistische-Uebergriffe-an-der-Volksbuehne/!5757843 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gottschalk | |
## TAGS | |
Schwerpunkt #metoo | |
Berliner Volksbühne | |
Theater | |
Intendant | |
Sexualisierte Gewalt | |
sexuelle Belästigung | |
Theater | |
Schwerpunkt #metoo | |
René Pollesch | |
Schwerpunkt #metoo | |
Schwerpunkt #metoo | |
Schwerpunkt #metoo | |
Schwerpunkt #metoo | |
Schwerpunkt #metoo | |
Schwerpunkt #metoo | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sexuelle Belästigung beim Tanz: Tatort Tanzfläche | |
Zahlreiche Frauen berichten von sexuellen Übergriffen in der Tanzszene. | |
Dahinter steckt ein System aus Täterschutz und Schuldzuweisungen an die | |
Opfer. | |
Sexualisierte Gewalt in Kulturbranche: Aktionsplan steht | |
Theater und Film gelten als besonders anfällig für Machtmissbrauch – auch | |
wegen befristeter Arbeitsverträge. Das soll sich ändern. | |
#MeToo und Dieter Wedel: Zurück zu den Ursprüngen | |
Regisseur Dieter Wedel ist tot. Zu einem Prozess wegen Vergewaltigung gegen | |
ihn kam es nicht mehr. Nun fragen sich viele: Was heißt das für #MeToo? | |
#MeToo an der Berliner Volksbühne: Drei Männer, eine Debatte | |
Intendant Dörr zog schnell die Konsequenz aus den Vorwürfen. Aber auch sein | |
Nachfolger und der Kultursenator profitieren von einer leisen Aufklärung. | |
Nach dem #MeToo-Fall an der Volksbühne: Dämmerung der Patriarchen | |
Wird jetzt über neue Leitungsstrukturen an den Theatern nachgedacht? Auf | |
jeden Fall hat das bisherige Modell des allmächtigen Intendanten | |
ausgedient. | |
Metoo an der Berliner Volksbühne: Nachdem der Vorhang fiel | |
Unsere Autorin hat zwei Jahre an der Volksbühne gearbeitet. Sie ist über | |
die Metoo-Vorwürfe gegenüber Ex-Intendant Klaus Dörr kaum überrascht. | |
Kollateralschaden in der Kunst: Auf und hinter der Bühne | |
Klaus Dörr ist als Intendant der Volksbühne Berlin zurückgetreten. Die | |
Kunst kann ein Haus nicht vor dem Fehlverhalten im Betrieb schützen. | |
MeToo an der Berliner Volksbühne: Intendant Klaus Dörr tritt zurück | |
Der Intendant der Berliner Volksbühne, Klaus Dörr, ist zurückgetreten. | |
Zuvor hatte die taz über MeToo-Vorwürfe berichtet. Was wusste Berlins | |
linker Kultursenator? | |
Me-too-Vorwürfe an der Volksbühne: Es bleiben noch Fragen | |
Nach den Sexismusvorwürfen gegen den Intendanten der Berliner Volksbühne | |
hat die Koalition im Kulturausschuss Fragen an Senator Klaus Lederer | |
(Linke). | |
Vorwürfe gegen Berliner Intendanten: Metoo an der Volksbühne | |
Mehrere Mitarbeiterinnen der Berliner Volksbühne machen Intendant Klaus | |
Dörr schwere Vorwürfe. Es geht um Machtmissbrauch und übergriffiges | |
Verhalten. |