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# taz.de -- Umweltfolgen der Elbvertiefung: Hafenschlick sucht neues Zuhause
> Auch nach der Elbvertiefung muss die Fahrrinne ausgebaggert werden. Doch
> wohin mit dem Schlick? Naturschützer kritisieren Pläne des Hamburger
> Senats.
Bild: Je größer die Schiffe, desto tiefer muss die Elbe: Schlick-Bagger im Ha…
Osnabrück taz | Wer auf der Website der Hamburger Hafen und Logistik
Aktiengesellschaft (HHLA) „Elbvertiefung“ in die Suchmaske tippt, liest:
„Oops, an error occurred!“
Error. Gutes Stichwort. Denn die aktuelle Elbvertiefung bereitet dem Senat
Probleme. Weil sich im Hamburger Hafen so viel Schlick angesammelt habe,
sei es schon jetzt schwierig, die Wassertiefen zu halten, berichtet der NDR
mit Verweis auf ein Papier des Projektleiters der Vertiefung. Bevor die
Fahrrinne weiter vertieft werden könne, müsse der Schlick erst einmal weg
sein. Doch wohin dieser verklappt werden kann, ist die große Frage. Hamburg
prüft derzeit, ob er künftig nahe Scharhörn, einer kleinen Insel hinter
Neuwerk, deponiert werden kann.
Es geht um gewaltige Mengen – und damit verbundene ökologische Probleme:
[1][Die Vertiefung allein] bringt 44 Millionen Kubikmeter Baggergut hervor.
Einziger Nutzen: Mega-Carrier, also gigantische Containerschiffe, können
Hamburg erreichen. Kritiker der Vertiefung meinen, dass dieser Nutzen die
ökologischen Kosten nicht aufwiege.
Zusätzlich fallen pro Jahr 15 Millionen Kubikmeter Unterhaltungs-Baggergut
an. Schlick, der mit der Flut wieder in die Elbe gespült wird. Das ist ein
permanenter Kreislauf – und das Baggergut ist zum Teil durch die
Landwirtschaft, den Hafen und die Schifffahrt schadstoffbelastet, vom
Insektizid DDT bis hin zu Quecksilber.
## Die Eier des Stint ersticken
Einer, der täglich sieht, was das anrichtet, ist Lothar Buckow, einer der
drei hauptberuflichen Elbfischer, die es noch gibt. Er fischt zwischen
Glückstadt und Hamburg auf Stint und Aal. Was er dort draußen sieht,
deprimiert ihn. „Fisch ist da kaum noch“, sagt er. Früher hat Buckow jedes
Jahr 50 Tonnen Stint gefangen, heute nur noch zwei oder drei. „Die Bestände
brechen dramatisch ein durch die Baggerei, durch den Schlick. Die Eier des
Stint ersticken drin.“ Der Stint ist eine Schlüsselart im Ökosystem der
Tideelbe.
Buckow ist keiner, der dazu schweigt. Er kontaktiert Politiker und
Bundesbehörden, vernetzt sich mit Umweltverbänden. „Wir müssen unseren
Kindern doch eine anständige Umwelt hinterlassen“, sagt er. Und dann
erzählt er von 150.000-Tonnen-Frachtern, deren Sog so stark ist, dass es
ihm die Reusen zerreißt.
Auch Tanja Schlampp, Gründerin der Initiative „Wattenmeer-Schutz Cuxhaven“,
kämpft gegen die Schlick-Deponierung. Wer sie von dem erzählen hört,
[2][was bei Tonne E3 vor Helgoland] und in der Medemrinne vor Cuxhaven
geschieht – den Bereichen, in denen derzeit das Baggergut verklappt wird –,
hört ihren Zorn. Von geköpften Robben erzählt sie, von Aalen mit verdrehtem
Rückgrat, Opfern der gewaltigen Saugrüssel der Baggerschiffe.
Von Prielen erzählt sie, die durch die Verklappung verlandet seien – und
mit ihnen der Lebensraum vieler Fische. Vom artenreichen Leben im
Wattboden, das unter dem Baggergut ersticke. „Da ist jetzt eine
Sonderdeponie“, sagt sie.
Schlampp startete deshalb Petitionen. Eine davon steht derzeit zur
Entscheidung an, beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Knapp
14.000 Unterschriften kamen zusammen. Schlampp fordert in ihr den Stopp der
2019 begonnenen Elbvertiefung und das Ende der Schlickverklappungen vor
Cuxhaven.
## Nachbarländer müssen helfen
„Die Schlickmengen nehmen maximal zu“, bestätigt Malte Siegert,
Vorsitzender des Nabu Hamburg, der sich mit den Umweltschutzorganisationen
BUND und WWF im Aktionsbündnis Lebendige Tideelbe gegen die Elbvertiefung
einsetzt. „Hamburg hat versäumt, sich um Lösungen zu kümmern, und hofft
jetzt, dass die Nachbarbundesländer schon irgendwie bei der Deponierung
mitmachen.“ Schleswig-Holstein zum Beispiel, durch eine Mengenausweitung
bei Tonne E3.
Aber das ist heikel. Also propagiert Hamburgs Wirtschaftssenator Michael
Westhagemann (parteilos) einen Ausweg auf Hamburger Gebiet: Verklappung vor
der Vogelschutzinsel Scharhörn, an der Grenze zum Nationalpark Wattenmeer.
Die Entsorgung bei Scharhörn sei „theoretisch denkbar“, sagt Jan Dube,
Sprecher der Hamburger Umweltbehörde. Es gebe jedoch „noch sehr viele
offene Fragen“.
Jüngst hat sich Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) mit
Daniel Günther (CDU), dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein
getroffen, in Sachen E3 und Scharhörn. Senatssprecher Marcel Schweitzer
sagte dazu: „Herr Günther hat die Bereitschaft von Schleswig-Holstein
bekräftigt, Hamburg weiterhin dabei zu unterstützen, ausreichende
Möglichkeiten zur Sedimentverbringung zu schaffen.“ Details könne er
allerdings „keine anbieten“, die Fachbehörden berieten noch.
In Elbmündung und Nordsee reiht sich Verklappungsstelle an
Verklappungsstelle. Vom Bund, von Landesseite. Und eine Gesamtstrategie ist
nicht in Sicht. „Sofort stoppen, diesen Mist mit der Baggerei“, sagt
Siegert vom Nabu. „Der Preis ist viel zu hoch, ökologisch wie ökonomisch.
Noch dazu ist das Ganze völlig überflüssig.“ Der China-Handel verlagere
sich gerade in die Häfen des Mittelmeers. „Hamburg wird seine Stellung als
Welthafen sowieso verlieren. Welcher Mega-Carrier kommt denn noch hierher,
wenn er den Großteil der Ladung schon anderswo gelöscht hat?“
## Zusammenarbeit der norddeutschen Häfen
„Die erneute Elbvertiefung ist nicht sinnvoll und muss sofort gestoppt
werden“, sagt auch Eva Viehoff, Landtagsabgeordnete der Grünen in
Niedersachsen. Das vermehrte Schlickaufkommen zeige: „Der Fluss wehrt
sich.“ Die Planung, vor Scharhörn zu verklappen, sei „ökologischer
Wahnsinn“. Es müsse eine „vernünftige Hafenkooperation“ her. Kein
Einzelkampf Hamburgs also, sondern ein Einbeziehen anderer norddeutscher
Häfen. Hamburg hält davon als Profiteur des Containerverkehrs bisher wenig.
Christian Füldner, Sprecher der Hamburger Wirtschaftsbehörde, versucht den
Kritikern die Bedenken zur „Fahrrinnenanpassung“ zu nehmen, die „in den
kommenden Wochen weitgehend fertiggestellt“ sei: „Gravierende
Beeinträchtigungen von Natur und Umwelt“ würden „vermieden“. Angesichts…
Größenentwicklung weltweit verkehrender Großcontainerschiffe sei die
Anpassung „unerlässlich für die wirtschaftliche Zukunftssicherung des
Hamburger Hafens“.
Im Übrigen sei das Baggergut aus dem Hafen kein „hochgiftiger Schlick“. Das
frische Elbmaterial sei „oftmals so sauber, dass es den gesetzlichen
Anforderungen für Spielplätze genügen würde“. Höher mit Schadstoffen
belastete Elbsedimente entsorge die Hamburg Port Authority (HPA) an Land,
auf eigenen Deponien.
Und, wie viel Schlick wird künftig wohin verklappt? Das lasse sich, so
Füldner, „erst nach Abschluss aller Prüfungen sagen“. Claudia Flecken von
der Waterside Public Infrastructure der HPA, von der taz um Kommentierung
gebeten, schweigt gleich ganz.
Derweil macht Elbfischer Buckow weiter schlechte Fänge. „Es gibt politisch
zu wenig Entschlusskraft“, sagt er. „Dafür viel Wirtschaftslobbyismus.“
5 Mar 2021
## LINKS
[1] /Hafenwirtschaft-schlaegt-Umwelt/!5686600
[2] /Belasteter-Schlick-fuer-Elbe-und-Meer/!5295274
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
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