| # taz.de -- Wie umgehen mit der Elbvertiefung: Mehr Platz ist weniger Flut | |
| > Die Öffnung der Alten Süderelbe würde die Tide dämpfen und seltenen | |
| > Lebensraum schaffen. Anwohner fürchten, der Hochwasserschutz werde | |
| > untergraben. | |
| Bild: Heute schon eine Idylle: Alte Süderelbe | |
| Hamburg taz | Während die Elbe ausgebaggert wird, konkretisieren sich die | |
| Projekte, mit denen die Folgen dieser [1][neunten Fahrrinnenanpassung] | |
| kompensiert werden sollen. Wie das [2][Forum Tideelbe] jetzt mitgeteilt | |
| hat, sollen zwei Vorhaben weiter geprüft werden: die Öffnung der Alten | |
| Süderelbe in Finkenwerder und die Öffnung des Hauptdeichs vor der | |
| Haseldorfer Marsch. Die Öffnung der Alten Süderelbe hätte den größeren | |
| Effekt, trifft aber auch auf kräftigen Widerstand. | |
| „Wir fordern vom Senat, dass die Pläne gestoppt werden“, sagt Holger | |
| Maciolek von der Interessengemeinschaft Alte Süderelbe (IAS). Mit dem | |
| Projekt würde das heutige Ökosystem verschwinden, das sich in den | |
| vergangenen 60 Jahren entwickelt habe. Finkenwerder drohe die Überflutung. | |
| Ein Wasserwirtschaftsregime, das über 30 Jahre entwickelt worden sei, würde | |
| in die Tonne getreten. Im Übrigen seien die betroffenen | |
| Grundstückseigentümer nicht bereit, zu verkaufen. | |
| Im Zuge der wiederholten [3][Elbvertiefungen] hat sich der Tidenbub um | |
| anderthalb Meter vergrößert, mit der Folge, dass mehr Sediment in die Elbe | |
| eingetragen als herausgeschwemmt wird. Nach der jüngsten Elbvertiefung vor | |
| 20 Jahren sah sich die Hafenverwaltung HPA deshalb plötzlich mit exorbitant | |
| steigenden Baggergutmengen konfrontiert. | |
| Die HPA und die Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes (WSD) | |
| entwickelten daraufhin ein Tideelbekonzept, die Idee, mit groß angelegten | |
| Stromumbauten die Tide zu dämpfen. Dazu gehört auch, der abgeriegelten und | |
| eingedeichten Elbe wieder mehr Raum zu verschaffen, etwa durch den | |
| Wiederanschluss der Alten Süderelbe. Hier ergab sich die seltene | |
| Gelegenheit für die Hafenwirtschaft und die Umweltverbände, an einem Strang | |
| zu ziehen. | |
| ## Ein ganz besonderer Lebensraum | |
| Denn die Öffnung der Alten Süderelbe ist eine alte Forderung der | |
| Umweltverbände. Durch das Ein- und Ausschwingen der Tide entstünde hier | |
| wieder ein ästuartypischer Lebensraum: Flachwasser- und ab und zu | |
| trockenfallende Areale im Süßwasser – ein weltweit selten anzutreffender | |
| Lebensraum, der einzigartige Lebewesen wie den Schierlingswasserfenchel | |
| gedeihen lässt. | |
| Das von der HPA einberufene Tideelbeforum mit 40 Interessenvertretern ist | |
| zu dem vorläufigen Schluss gekommen, dass eine einseitige Öffnung der Alten | |
| Süderelbe am Köhlfleet am besten wäre. Dort müsste ein 65 Meter breites | |
| Sperrwerk gebaut werden, um das Hochwasser auf 2,10 Meter zu begrenzen. | |
| Dann würden die Obstgärten zu beiden Seiten des Flussarms zweimal täglich | |
| überflutet. | |
| Holger Maciolek wird bei dem Gedanken mulmig. Das würde bedeuten, dass das | |
| Binnenland Finkenwerders zweimal täglich tiefer als der Wasserspiegel | |
| liegen würde. Dafür seien die heutigen Deiche nicht ausgelegt. Das ganze | |
| Land zwischen Harburg und Neu Wulmstorf wird durch die Alte Süderelbe | |
| entwässert. Es sei unklar, wie das in Zukunft sichergestellt werden solle. | |
| „Man würde die Zeit wasserwirtschaftlich um 30 Jahre zurückdrehen“, sagt | |
| Maciolek. Gutachter kommen zu dem Schluss, dass zumindest der | |
| Grundwasserspiegel in Finkenwerder nur um 30 Zentimeter steigen würde. | |
| Auch das Argument, hier werde die Natur aufgewertet, will Maciolek nicht | |
| einleuchten. „Warum muss ein wertvolles Gebiet getötet werden, um ein | |
| wertvolleres entstehen zu lassen?“, fragt er. Das Gebiet werde für zehn | |
| Jahre zur Großbaustelle. „Es gibt keinen bewohnten Raum in Hamburg, der in | |
| den vergangenen Jahren so zerschnitten und verbaut worden ist wie das | |
| Gebiet um die Alte Süderelbe“, sagt er. | |
| Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des Umweltverbandes BUND, pocht | |
| darauf, dass auch bei einer ökologischen Aufwertung der Verlust an dem, was | |
| die Alte Süderelbe heute ausmacht, ausgeglichen werden müsste. Mit dem | |
| jetzt vorgelegten Papier gebe es zwar einen höheren Wissensstand; welche | |
| Maßnahme für die Elbe am besten wäre, lasse sich aber noch nicht | |
| beantworten. „Es gäbe eine sehr schnelle, sehr kostengünstige Maßnahme“, | |
| sagt der BUND-Chef. „Das wäre die Einstellung der Elbvertiefung.“ | |
| 9 Oct 2020 | |
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| [2] https://www.forum-tideelbe.de/ | |
| [3] /Ausbaggern-der-Elbe/!5481445 | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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