| # taz.de -- Straftaten auf Coronaprotesten: Schluss mit friedlich | |
| > Der Coronaprotest wird gewalttätiger. Die Länder zählen zahlreiche | |
| > Straftaten. Der bayrische Verfassungsschutz nimmt die Bewegung ins | |
| > Visier. | |
| Bild: Beim jüngsten Corona-Aufmarsch in Dresden geriet der Protest außer Kont… | |
| Berlin taz | Am Samstag rufen die Fundamentalgegner der staatlichen | |
| Coronamaßnahmen wieder zum Protest, diesmal nach Kassel. Und erneut könnte | |
| es turbulent werden. Denn die Stadt hat den Protest aus | |
| Infektionsschutzgründen untersagt – die Szene aber mobilisiert weiter. Die | |
| Polizei sei vorbereitet, erklärt ein Stadtsprecher. | |
| Erst am Wochenende aber war es in Dresden zu [1][wüsten Szenen] gekommen. | |
| Auch dort setzten sich Coronaprotestierer über ein Demoverbot hinweg, | |
| durchbrachen Polizeisperren, rangen Beamte zu Boden. 915 Platzverweise | |
| verhängte die Polizei am Ende, zählte 47 Straftaten und 12 verletzte | |
| PolizistInnen. Am gleichen Tag wurde auch in Stuttgart bei Coronaprotesten | |
| ein Fernsehteam und Polizist:innen bedrängt. | |
| Nach einer Winterpause ist die „Querdenken“-Bewegung – ein Jahr nach Begi… | |
| der Proteste – damit wieder auf der Straße. Mit der anfangs postulierten | |
| Friedfertigkeit ist aber [2][nicht mehr soweit her]. Denn eine taz-Umfrage | |
| in den Bundesländern zeigt: Die jetzigen Übergriffe sind keine Einzelfälle | |
| mehr. | |
| ## Allein in Berlin 1.233 Delikte | |
| Allein in Berlin zählt die Polizei seit März 2020 insgesamt 1.233 Delikte | |
| im Zusammenhang mit den Coronaprotesten. Darunter fallen 160 tätliche | |
| Angriffe auf Polizeibeamte, 265 Widerstandshandlungen, 17 gefährliche | |
| Körperverletzungen, 115 Beleidigungen oder auch 24 Gefangenenbefreiungen. | |
| In 194 Fällen erfolgten Landfriedensbrüche, dazu kamen 119 Verstöße gegen | |
| das Versammlungsgesetz. | |
| Wie die Straftaten erfasst und den Protesten zugerechnet werden, differiert | |
| stark von Land zu Land. Einige Bundesländer haben dazu gar keine Zahlen, | |
| andere tragen sie momentan noch zusammen. Auch in Hessen zählt das | |
| Innenministerium aber bislang 98 Straftaten mit Coronabezug. In | |
| Mecklenburg-Vorpommern sind es 84, in Thüringen 76, in Rheinland-Pfalz 42, | |
| in Hamburg 30. | |
| Baden-Württemberg kommt auf 98 Straftaten, darunter 16 Gewaltdelikte. Dort | |
| allerdings betont das Innenministerium, dass 53 der Fälle linken | |
| Straftätern zugerechnet werden, nur 6 rechten, 39 seien nicht zuzuordnen. | |
| So wurden etwa im Mai 2020 drei Coronademonstrierende, die zuvor auch in | |
| rechtsextremen Kontexten auftauchten, von mutmaßlich Linken angegriffen und | |
| schwer verletzt. | |
| Andernorts werden die Zahlen nicht weiter aufgeschlüsselt – oder liegen | |
| genau andersrum. In Hessen etwa wird hinter den 98 festgestellten | |
| Straftaten in 25 Fällen ein rechtes Motiv gesehen, bei 11 ein linkes und | |
| bei einem eine „ausländische Ideologie“. Der große Rest bleibt | |
| uneingeordnet – auch weil sich die Behörden bis heute schwertun, den | |
| Coronaprotest politisch einzusortieren. | |
| Die Behörden beunruhigen aber auch schwere Straftaten. So durchsuchte die | |
| Polizei im Februar einen 36-Jährigen in Bad Kissingen (Bayern), der | |
| verdächtigt wird, aus Coronaprotest einen ICE mit einer Plane zu einer | |
| Schnellbremsung genötigt zu haben. Auch wird weiter zu einem | |
| [3][Brandanschlag auf das Robert-Koch-Institut] in Berlin und einem | |
| gezündeten Sprengsatz nahe der Leibniz-Gemeinschaft ermittelt. Aufgefundene | |
| Schreiben forderten ein Ende der Coronamaßnahmen. Zudem kommt es immer | |
| wieder zu massiven Bedrohungen von Politikern wie Karl Lauterbach wegen | |
| ihrer Positionen zur Coronapolitik. | |
| ## Bayerns Verfassungsschutz stuft Protest ein | |
| Inzwischen reagieren die Behörden. Am Mittwoch verkündete Bayerns | |
| Innenminister Joachim Herrmann (CSU), dass der dortige Verfassungsschutz | |
| den Coronaprotest unter Beobachtung nimmt – mit einem | |
| Sammelbeobachtungsobjekt namens „sicherheitsgefährdende | |
| demokratiefeindliche Bestrebungen“. Das erfasse Einzelpersonen und | |
| Gruppen, die zu gewaltsamen Aktionen aufriefen oder sich daran beteiligten. | |
| Es gehe um Personen, die den Staat und seine Repräsentanten als Teil eines | |
| Unrechtsregimes und einer weltweiten Verschwörung sehen und den Einsatz von | |
| Gewalt daher als als gerechtfertigt, heißt es aus dem bayrischen | |
| Verfassungsschutz. Dies könne Qanon-Anhänger:innen, Autobahnblockierer oder | |
| Menschen betreffen, die zum Mord an Politiker:innen aufriefen. Nicht | |
| jeder Kritiker werde beobachtet, betonte Herrmann. Aber „einige wenige | |
| Personen, die zu gewalttätigem Widerstand aufrufen“. | |
| Bereits seit Dezember wird die [4][Stuttgarter „Querdenken“-Gruppe] samt | |
| Ablegern vom Verfassungsschutz beobachtet. Bundesinnenminister Horst | |
| Seehofer (CSU) und die Unions-Innenminister der Länder bekräftigen Ende | |
| Februar in einer Erklärung: Der Coronaprotest habe ‚Reichsbürger-typische | |
| Narrative‘ entwickelt, ihn prägten inzwischen „ein hohes Maß an Demokrati… | |
| und Staatsfeindlichkeit“, die Verschwörungsmythen „vergiften das | |
| Zusammenleben“. All dies sie „hoch gefährlich“ und benötige „repressi… | |
| Signale der wehrhaften Demokratie“. | |
| Seehofer und die Minister beklagten zudem schon da die zunehmende Gewalt | |
| gegen Polizeibeamte – und forderten eine satte Straferhöhung. Statt einer | |
| Höchstfreiheitsstrafe von 5 Jahren für besonders schwere Angriffe auf | |
| Einsatzkräfte solle es künftig bis zu 10 Jahren Haft geben. Hier brauche es | |
| „null Toleranz“. | |
| 17 Mar 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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