Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Soziologin über Antifeminismus: „Antimodernes Denken“
> Coronaskeptiker*innen mobilisieren mit antifeministischer
> Rhetorik. Das Weltbild ist breitgesellschaftlich anschlussfähig, sagt
> Rebekka Blum.
Bild: Proteste gegen die Coronamaßnahmen im November 2020 in Berlin
taz: Frau Blum, der Verein Deutsche Sprache schreibt in den sozialen
Medien, die [1][Coronakrise] mache deutlich, dass Naturwissenschaften
wichtiger seien als Genderstudies. Von der Werteunion und AfD kommen
ähnliche Aussagen. Warum bringen die Akteur*innen diese Themen in
Zusammenhang?
Rebekka Blum: Zum einen sind das Akteur*innen, die ohnehin immer wieder
antifeministische Themen bespielen. Der Verein Deutsche Sprache ist ein
großer Akteur bei der Mobilisierung gegen geschlechtergerechte Sprache –
und die Krise hat nun angeboten, das neu anzubringen.
Zum anderen bekommen Naturwissenschaften gerade zu Recht einen besonders
hohen Stellenwert. Es ist ein rhetorischer Trick von
Antifeminist*innen und Rechten, Themen, die nicht miteinander
zusammenhängen, rhetorisch zu verknüpfen.
Diese Strategie wenden auch Verschwörungstheoretiker*innen an. In
Ihrer Studie haben Sie Antifeminismus und Coronaverschwörungen untersucht.
Wie hängt beides zusammen?
Antifeminismus hat sich schon immer auch in Verschwörungserzählungen
geäußert. Ich sehe da strukturelle Ähnlichkeiten, weil beide Bereiche eine
Komplexitätsreduktion und einfache Feindbilder bieten. In der
Coronapandemie taucht häufig eine Lebensschutzrhetorik auf. Etwa wenn der
Gründer der Marke Rapunzel auf seiner Website fragt, ob wir alte und kranke
Menschen schützen sollten, und das den Abtreibungen gegenübergestellt.
Hinzu kommt die Leugnung: Pandemieleugner*innen negieren, dass
das Virus existiert. Antifeminist*innen leugnen, dass es eine
Ungleichheit zwischen den Geschlechtern gibt. Dabei wird eine Machtelite
als Feindbild imaginiert. Bei der Coronapandemie ist es jemand wie Bill
Gates. Beim Antifeminismus werden feministische Akteur*innen als
mächtig dargestellt und es wird von einer Staatsdoktrin fantasiert.
Wenn von Machtelite gesprochen wird, [2][steckt dahinter eigentlich immer
Antisemitismus]. Wie hängt Antifeminismus mit Antisemitismus und Rassismus
zusammen?
Das tritt häufig in einer Verschränkung miteinander auf. Etwa bei der
Verschwörungserzählung vom „großen Austausch“, bei dem es heißt, dass e…
Bevölkerungsaustausch durch Einwanderung geplant sei.
Zudem wird behauptet, dass der Feminismus dazu führe, dass Frauen weniger
Kinder kriegen, und dahinter wird dann ein großer Plan vermutet. Beim
Terroranschlag in Halle hat der Attentäter dieses Narrativ aufgegriffen und
am Ende gesagt, schuld daran seien die Juden.
Wie zeigt sich die antifeministische Mobilisierung bei den Protesten gegen
die Coronamaßnahmen?
Das zeigt sich in der Fokussierung auf das Kindeswohl. Etwa wenn
„Querdenker“ Bodo Schiffmann Erzählungen verbreitet, dass Kinder durch das
Maskentragen gefährdet werden oder sterben könnten.
Was ist an der Fokussierung auf das Kindeswohl antifeministisch?
Ich würde bei Antifeminismus von einem erweiterten Begriff ausgehen, der
auch LGBTQIA*-Feindlichkeit mit umfasst. Antifeminismus richtet sich gegen
emanzipatorische Geschlechterverhältnisse und Erweiterungen von
Heterosexualität.
Bei den „Demos für alle“ wird gegen eine angebliche Frühsexualisierung und
gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mobilisiert.
Indem man das Kind ins Zentrum stellt, findet eine moralische Aufwertung
der eigenen Position statt, obwohl das eigentlich eine homofeindliche
Position ist.
Gegen die Coronamaßnahmen demonstrieren Impfgegner*innen neben
Rechtsextremen. Welche Rolle spielt Antifeminismus für das gemeinsame
Auftreten?
Antifeminismus ist eine Türöffnerideologie. Sowohl
Antifeminist*innen als auch Pandemieleugner*innen inszenieren
sich als freundlich mit Herzluftballons und Kinderchören. Zudem haben
extreme Rechte, Esoteriker*innen und christliche Rechte auf den
Querdenken-Demos ein geteiltes Feindbild: die Coronamaßnahmen.
Antifeminismus ist bei vielen im Weltbild enthalten. Auch
Esoteriker*innen haben häufig ein binäres Geschlechterbild und eine
Fruchtbarkeitsidealisierung von Frauen. Diese Festschreibung auf
Mutterschaft ist eine Gemeinsamkeit mit der extremen Rechten. Das ist jetzt
natürlich zugespitzt, aber trotzdem sehe ich da Überschneidungen.
Was meinen Sie mit Türöffnerideologie?
Zentral ist für mich beim Antifeminismus ein binäres, antimodernes Denken
sowie eine Komplexitätsreduktion. Wenn man sich auf diese Art des Denkens
einlässt, dockt da ganz viel an. Der Antifeminismus kann daher ein
Türöffner für ein ganzes Weltbild sein, wo rassistisches und
antisemitisches Denken sowie Verschwörungsdenken mit einhergehen.
Inwieweit begünstigen Krisen den Antifeminismus?
In Krisen wächst der Wunsch nach einfachen Erklärungen und Sicherheit. Die
Coronakrise ist eine komplexe Situation, in der Verschwörungstheorien
Entlastung bieten können. Wir sind zudem weniger offen für die
Infragestellung von bestehenden Denkweisen. Wie der, dass unsere
Gesellschaft auf einer zweigeschlechtlichen Denkweise aufbaut.
Die Rechtsextremismus-Expertin Judith Rahner sagte in einem Interview, dass
Antifeminismen in der Mitte der Gesellschaft auf fruchtbaren Boden fallen.
Woran lässt sich das festmachen?
Antifeminismus ist kein rein rechtes Phänomen, sondern
breitgesellschaftlich anschlussfähig – weil ein sexistisches und
heteronormatives Weltbild noch immer weit verbreitet ist. Etwa die
Vorstellung, dass ein Kind beide biologischen Eltern braucht. Oder dass es
nur Männer und Frauen gibt.
Auch Frauen können Antifeministinnen sein und machen bei den
Coronaprotesten mit. Wie lässt sich das erklären?
Teilweise dadurch, dass die Situation sehr belastend für sie ist. Da ist
eine Betreuungs- und Sorgelücke entstanden durch Kita- und
Schulschließungen. Der Umgang damit wurde in der Krise individualisiert und
privatisiert.
Sollte Antifeminismus bei der Prävention gegen rechts mehr beachtet werden?
Ja, denn wenn man sich extrem rechte Akteur*innen anguckt, gehen bei
diesen Antifeminismus und enge Geschlechterbilder – Männlichkeitsbilder –
immer miteinander einher.
2 Feb 2021
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[2] /Antisemitismus-unter-Coronaleugnern/!5734818
## AUTOREN
Alessandra Röder
## TAGS
Antifeminismus
Verschwörungsmythen und Corona
Rechtsextremismus
Fundamentalismus
IG
"Querdenken"-Bewegung
Verschwörungsmythen und Corona
Antifeminismus
Schwerpunkt Coronavirus
Antifeminismus
Interview
Schwerpunkt Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Querdenken“-Demo in Kassel: Polizeieinsatz in Kassel gewaltvoll
Rund 20.000 Menschen protestierten gegen Corona-Maßnahmen. Videos zeigen,
wie Polizei auch gegen Gegendemonstranten vorging.
Straftaten auf Coronaprotesten: Schluss mit friedlich
Der Coronaprotest wird gewalttätiger. Die Länder zählen zahlreiche
Straftaten. Der bayrische Verfassungsschutz nimmt die Bewegung ins Visier.
Männerrechtler und Bundesmittel: Doch kein Geld für Antifeministen
Ein Männerrechtsverein sollte ursprünglich 400.000 Euro aus dem
Bundeshaushalt bekommen. Nun stellt sich das Frauenministerium quer.
Corona-Ausbruch in Augsburger Heim: Optimale Bedingungen für das Virus
In einem Augsburger Pflegeheim haben sich schlagartig mindestens 85
Menschen mit Corona infiziert. Hat der Betreiber die Vorschriften verletzt?
Experte über Männerrechtler: „Zum Teil weit ins rechte Spektrum“
Einer Gruppe Männerrechtler wurden im Bundeshaushalt 400.000 Euro
bewilligt. Was sind das für Leute? Antifeminismusexperte Andreas Kemper im
Interview.
Autorin über Mobilmachung im Patriarchat: „So wird Männlichkeit politisch“
Incels, Rechte, Islamisten: Susanne Kaiser über den Männlichkeitsdiskurs,
sein Erstarken und seine Schnittstellen zur islamistischen Ideologie.
Studie zu rechten Einstellungen: Erschreckend autoritär
Rechte Einstellungen sind in Deutschland weit verbreitet, zeigt eine Studie
der Uni Leipzig. Sie enthält zum ersten Mal auch Zahlen zu Antifeminismus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.