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# taz.de -- Brandanschlag auf Rathaus Delmenhorst: Corona-Protest mit Brandsatz
> In Delmenhorst wirft ein Gegner der Corona-Maßnahmen Molotowcocktails ins
> Rathaus. Der Bürgermeister ist fassungslos.
Bild: Gewalttätiger Protest: Am Rathaus Delmenhorst entstand beträchtlicher B…
Delmenhorst taz | Am Mittwochnachmittag ist Axel Jahnz immer noch
erschüttert. „Ich bin fassungslos“, teilt Delmenhorsts
SPD-Oberbürgermeister mit. Der Täter habe nicht nur das Rathaus beschädigt,
sondern auch Menschen in Gefahr gebracht. „Im selben Flügel des Rathauses
wohnt der Hausmeister mit seiner Familie. Nicht auszudenken, was passiert
wäre, wenn die Einsatzkräfte das Feuer nicht so schnell hätten löschen
können.“
In der Nacht zuvor hatte ein 30-Jähriger auf das Rathaus Delmenhorst
(Niedersachsen) einen Brandanschlag verübt. Sein Motiv: Kritik an den
Corona-Maßnahmen. Damit schreitet die Radikalisierung in Teilen des
Protests weiter voran.
Laut Polizei hatte der Delmenhorster gegen 22.30 Uhr ein Fenster im
Erdgeschoss des Rathauses zerstört und mehrere Molotowcocktails hinein
geworfen. Das Zimmer dahinter, das die Touristeninformation beherbergt,
geriet in Brand. Es sei ein Sachschaden von 50.000 Euro entstanden.
Drei Zeugen bemerkten den Täter noch vor Ort und konnten ihn festhalten, er
soll keinen Widerstand geleistet haben. Nach seiner Festnahme gab er laut
Polizei als Motiv seine Unzufriedenheit über die Corona-Regelungen an.
Vorbestraft sei er bisher nicht – aber wiederholt wegen Verstößen gegen die
Coronaverordnung aufgefallen. Daher liefen gegen ihn „diverse“
Ordnungswidrigkeitenverfahren. Auch dem Verfassungsschutz war der
30-Jährige nicht bekannt. Das Amtsgericht Delmenhorst verhängte auf Antrag
der Staatsanwaltschaft Oldenburg gegen ihn am Mittwoch Untersuchungshaft,
wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz bestätigte.
## Bürgermeister ist „fassungslos“
Oberbürgermeister Jahnz (SPD) bedankte sich bei den Einsatzkräften und den
eingeschrittenen Zeugen. „Das ist echte Zivilcourage.“ Auch Delmenhorsts
Corona-Krisenstabsleiter Rudolf Mattern zeigte sich entsetzt. „Niemand von
uns ist glücklich über die Pandemie.“ Und jeder könne die
Infektionsschutzmaßnahmen kritisieren. Aber, so Mattern: „Gewalt geht gar
nicht.“ Der Anschlag ziele nicht nur auf ein Gebäude, sondern „auf die
demokratische Gesellschaft und damit auf uns alle“.
Sieben Beschäftigte der Wirtschaftsförderungsgesellschaft und des
Kulturbüros müssten nun anderweitig unterkommen. Auch seien durch den Brand
denkmalgeschützte historische Holzwände zerstört worden. Wann die
beschädigten Räume wieder genutzt werden könnten, sei unklar. Der
Rathausbetrieb, der wegen der Coronapandemie ohnehin eingeschränkt ist,
laufe aber weiter. Nun aber, so Mattern, arbeiteten die Beschäftigten dort
mit einem „mulmigen Gefühl“ weiter.
## „Rasche Radikalisierung der Coronaleugner-Szene“
Für die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Niedersachsen belegt der
Vorfall „die rasche Radikalisierung der in großen Teilen extrem rechten
Coronaleugner-Szene“. Tatsächlich war die Bewegung zuletzt schon mit
[1][schweren Straftaten] aufgefallen. In Berlin gab es bereits im Oktober
einen Brandanschlag auf das Robert-Koch-Institut, vor der
Leibniz-Gesellschaft explodierte ein Sprengsatz. Aufgefundene Schreiben
forderten ein Ende der Coronamaßnahmen. In Bayern wird gegen
Corona-Verharmloser ermittelt, die wohl aus Protest einen ICE gestoppt
hatten. Zudem fällt die Szene immer wieder mit Drohungen gegen
Politiker:innen auf, setzte sich zuletzt über
[2][Demonstrationsverbote] hinweg.
Aktuell kursiert in Chatgruppen der Szene auch ein Aufruf, zu Ostern
unangemeldet vor Rathäusern, Polizeistationen und Privatwohnungen von
Politikern zu protestieren. Es brauche einen „Volksaufstand“, heißt es
dort. Die großen „Querdenken“-Gruppen teilten den Aufruf bislang allerdings
nicht.
Inzwischen hat auch der Verfassungsschutz die Szene im Blick. In
Baden-Württemberg und Bayern sind Teile der Bewegung bereits als
[3][Beobachtungsobjekt] eingestuft, weitere Landesämter und das Bundesamt
für Verfassungsschutz prüfen, ob sie nachziehen. Auch ein Sprecher des
niedersächsischen Landesamtes sagte am Mittwoch der taz: „Der
Verfassungsschutz beobachtet die zunehmende Radikalisierung der Bewegung
und prüft weitere Maßnahmen gegen die darin enthaltenen
demokratiefeindlichen Elemente.“
Horst Seehofer (CSU), der sich lange mit einer Bewertung des
Corona-Protests zurückhielt, und die CDU-Innenminister der Länder wurden
zuletzt in einer Erklärung deutlich: Zum Corona-Protest gehöre inzwischen
eine „unheilvolle Allianz aus Reichsbürgern, Selbstverwaltern,
Verschwörungsideologen und Rechtsextremisten“ und ein „hohes Maß an
Demokratie- und Staatsfeindlichkeit“. Die Verschwörungsmythen seien „hoch
gefährlich“ und „vergiften das Zusammenleben in unserem Gemeinwesen“. Die
Antwort müssten „repressive Signale der wehrhaften Demokratie“ sein.
Aktualisiert am 18.05.2021 um 17:20 Uhr. In einer früheren Version hieß es,
die Staatsanwaltschaft Oldenburg habe einen Haftbefehl gegen den
Tatverdächtigen verhängt. Das wurde korrigiert. Tatsächlich verhängte das
Amtsgericht Delmenhorst auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Haftbefehl.
Die Redaktion
24 Mar 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Konrad Litschko
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Verschwörungsmythen und Corona
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