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# taz.de -- Verfassungsschutz berichtet in Hamburg: Querdenken im Visier des VS
> Der Inlandsgeheimdienst stellt seinen Bericht vor und beobachtet
> Neuzugänge. Im Fokus stehen Coronaleugner*innen, aber auch linke
> Jugendgruppen.
Bild: Stolze Präsentation: Verfassungsschutz-Chef Voß (l.) und Innensenator G…
Hamburg taz | Wie gut der Verfassungsschutz wirklich als Frühwarnsystem
gegen staats- und demokratiegefährdende Tendenzen funktioniert, darüber
lässt sich streiten. Der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) betont und
lobt am Dienstag mehrfach diese zentrale Aufgabe des Inlandsgeheimdienstes,
als er den Bericht des Hamburger Landesamtes für das Jahr 2020 vorstellt.
Die News: [1][Als zweites Bundesamt nach Baden-Württemberg] stuft der
Hamburger Verfassungsschutz (VS) jetzt den lokalen Ableger der
coronaskeptischen „Querdenken“-Bewegung als rechtsextremen Verdachtsfall
ein. Allerdings fast ein Jahr nach deren Aufkommen und sechs Monat,e
nachdem mehrere Landesämter unter Federführung des Bundesamts ein
Sonderlagebild erstellt hatten, in dem sie vor einer neuen Form des
Extremismus warnten. Auch der bayerische Verfassungsschutz beobachtet Teile
der Querdenken-Szene.
„Die Zunahme an Radikalität und Militanz vor allem im engeren
Organisationskreis bereitet uns Sorge“, sagt Grote bei der Vorstellung im
Rathaus. Dabei gehe es dem Landesamt explizit um die Führungspersonen der
beiden Gruppen „Querdenken 40“ und „Hamburg steht auf“ und nicht darum,
legitime Kritik an den Coronamaßnahmen zu problematisieren.
„Man kann den ganzen Tag leugnen, dass es Corona gibt“, erklärt der
Senator, „das ist von der Meinungsfreiheit gedeckt.“ Bei „Querdenken 40“
und „Hamburg steht auf“ beobachte man hingegen eine „aggressive
verschwörungsideologische Delegitimierung des Systems, der Demokratie und
ihrer Repräsentanten“ sowie die Bereitschaft zum Widerstand und zur Gewalt.
## Viel mehr Rechtsextreme
Seit zwei Jahren erkennt [2][auch der Hamburger Verfassungsschutz
Rechtsextremismus als zentrale Bedrohung der demokratischen Gesellschaft]
an. Die Innenbehörde, der das Landesamt für Verfassungsschutz angegliedert
ist, hatte deshalb 2018 eine Sonderermittlungsgruppe gegen
Rechtsextremismus im Internet eingerichtet. Vor dem Hintergrund der
rechtsterroristischen Attentate in Hanau, Halle und Kassel musste selbst
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Februar 2020 zugeben, dass
Rechte aktuell die größte Sicherheitsbedrohung in Deutschland darstellen.
In Hamburg hat sich das Personenpotenzial an Rechtsextremen nach
Einschätzung des Landesamts im vergangenen Jahr um 50 Personen auf 380
vergrößert. Den Anstieg erklärt der Leiter des Landesamts, Torsten Voß, mit
der Einstufung der AfD-Parteiströmung „Der Flügel“ im Mai als rechtsextre…
40 Personen seien dadurch erfasst worden. 120 der als rechtsextrem
geführten Personen gelten als gewaltorientiert. Als weitere, wenig
überraschende Erkenntnis gibt Voß zu Protokoll, dass sich die rechte Szene
von traditionellen Organisierungsformen wie Kameradschaften entfernt und
ins Internet verlagert habe.
Aber der Verfassungsschutz wäre nicht der Verfassungsschutz, wenn er nicht
auch die Gefahr betonen würde, die von links drohe. 74 Prozent der als
linksextrem geführten Personen in Hamburg seien gewaltbereit, konstatiert
Voß. Hamburgweit zählt das Landesamt in diesem Jahr 1.270 Linksextreme, das
sind 20 weniger als im vergangenen Jahr. Die relevanten Strömungen seien
Autonome, Anarchist*innen und Antiimperialist*innen. Von 229 links
motivierten Straftaten seien zahlreiche in Solidarität mit dem Anarchotrio
„[3][Die Drei von der Parkbank“] erfolgt.
„Hamburg stellt weiterhin ein Zentrum linksextremistischer Militanz in
Deutschland dar“, sagt Grote. Bundesweit stelle sich die Frage, ob sich
linksextreme Aktivitäten der Schwelle zum Linksterrorismus annäherten. Als
Indikator dafür machen die Sicherheitsbehörden bei Linken eine gesunkene
Hemmschwelle hinsichtlich der Gefährdung von Menschen aus.
Eine Erzählung, die der Verfassungsschutz immer wieder bemüht, ist die
Entgrenzung, die linke aber auch islamistische Gruppierungen als gezielte
Strategie einsetzten, um für breite Gesellschaftsschichten anschlussfähig
zu sein. Dabei instrumentalisierten etwa Gruppen wie die
Interventionistische Linke (IL) harmlose Themen wie Umweltschutz, Mieten
oder Geschlechtergerechtigkeit. So meinte der VS bereits im vorvergangenen
Jahr beobachtet zu haben, wie die Interventionistische Linke vergeblich
versucht habe, Fridays for Future anzugraben.
Das vergangene Jahr ist für die IL offenbar besser gelaufen – im Sommer
beobachtete der VS die Gründung der IL-Jugend, die sich aus den „[4][Anti
Kohle Kidz]“ speise, einem jungen Ableger des Bündnisses Ende Gelände, das
seinerseits wiederum extremistisch von der IL beeinflusst sei.
30 Mar 2021
## LINKS
[1] /Straftaten-auf-Coronaprotesten/!5754881
[2] /Hamburger-Verfassungsschutzbericht-2018/!5605906
[3] /Prozess-gegen-Anarchistinnen-in-Hamburg/!5726481
[4] /Ende-Gelaende-in-der-Lausitz/!5645678
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Verfassungsschutz
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