Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kritik an Bremens Umgang mit Demos: „Schlichtweg verfassungswidri…
> Wer in Bremen eine Demo anmeldet, wird dem Verfassungsschutz gemeldet.
> Staatsrechtler Clemens Arzt und Datenschützerin Imke Sommer lehnen das
> ab.
Bild: Klimademo im September 2020 in Bremen: Die Anmelder*innen sind dem Verfas…
Bremen taz | Wer in Bremen eine Demo anmeldet, muss damit rechnen, dass die
eigene Telefonnummer beim Verfassungsschutz landet ([1][taz berichtete]).
Der Staatsrechtler Clemens Arzt hält diese Praxis für verfassungswidrig.
Die Lösung könnte in einem bremischen Versammlungsgesetz liegen.
Vor zehn Tagen war durch eine Antwort des Bremer Senats auf eine Kleine
Anfrage der Linken bekannt geworden, dass das Bremer Ordnungsamt regelmäßig
personenbezogene Daten von Menschen, die Versammlungen anmelden, an den
Verfassungsschutz weitergibt. Die Linksfraktion in der Bürgerschaft hatte
daran bereits in der vergangenen Woche Kritik geübt. Der Senat solle die
Praxis „überprüfen und beenden“, fordert sie.
Clemens Arzt, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Berliner
Hochschule für Wirtschaft und Recht, geht einen Schritt weiter. Er hält die
Bremer Praxis „in vielerlei Hinsicht für rechtswidrig“. Vor allem verstoße
sie gegen Artikel 8 des Grundgesetzes: das Recht auf Versammlungsfreiheit.
„Wenn mein Engagement für die Versammlungsfreiheit über mehrere Jahre
hinaus gespeichert wird, hat das eine abschreckende Wirkung“, so Arzt.
Dieser sogenannte „Chilling Effect“, ein einschüchternder Effekt also, sei
in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herausgearbeitet – und
auf die Bremer Praxis übertragbar.
Insofern hält Arzt das Vorgehen des Ordnungsamtes, vor allem aber der
Polizei und des Verfassungsschutzes, für „schlichtweg verfassungswidrig“.
Wer Daten verarbeiten wolle, müsse dies im Gesetz klar regeln. Zwar nennt
die Antwort des Senats auf die Anfrage der Linken einige Rechtsgrundlagen,
diese sind laut Clemens Arzt aber nicht ausreichend, teilweise sogar durch
die Verwaltung schlicht falsch interpretiert.
Die Probleme liegen dabei auch in juristischen Details: Die Verarbeitung
personenbezogener Daten ist verfassungsrechtlich und nach dem Gesetz in
viele Schritte eingeteilt. Darunter fallen die Erhebung, die Nutzung, die
Speicherung und die Weitergabe der Daten. „Und für jeden Schritt brauche
ich eine eigenständige Rechtsgrundlage“, so Arzt.
Die Nutzung der Daten könne man aus Paragraf 14 des Versammlungsgesetzes
noch ableiten. Von einer Speicherung oder Weitergabe der Daten stünde in
der Norm aber nichts, so der Verwaltungsrechtler. Noch problematischer als
die dauerhafte Registrierung sei daher die Übermittlung der Daten an die
Polizei und insbesondere den Verfassungsschutz. Denn für Polizei und
Verfassungsschutz gilt das „Prinzip der informationellen Trennung“. Das
besagt, dass diese nicht beliebig Daten untereinander weitergeben dürfen.
Laut Senat werden die Daten von Demo-Anmelder*innen im Moment nach
spätestens fünf Jahren gelöscht. Ausgelöst durch die Anfrage der Linken
soll das nun auf ein Jahr herabgesetzt werden. Doch auch diesen Zeitraum
hält Clemens Arzt für „absurd“.
Nach der Demo gebe es keinen Grund dafür, die Daten weiter zu speichern.
„Ob ein rechtliches Problem aufgetreten ist, sehe ich nach kurzer Zeit“,
sagt Arzt. Deshalb sei es „ausreichend und verhältnismäßig“, die Daten f…
maximal einen Monat zu speichern.
Auch die Landesdatenschutzbeauftragte sieht die Probleme. „Es zeigt sich,
dass es Regelungsbedarf gibt“, so Imke Sommer. Eine Lösung hätte sie: „Die
Antwort des Senats schreit nach einem bremischen Versammlungsgesetz.“ Seit
der Föderalismusreform 2006 hat jedes Bundesland die Möglichkeit, ein
eigenes Versammlungsgesetz zu erlassen. „Bremen gehört zu den Ländern, die
sich zurücklehnen und das seit 15 Jahren nicht angehen“, sagt Clemens Arzt.
In einem bremischen Versammlungsgesetz könnte man die neuste Rechtsprechung
der Verwaltungsgerichte einbinden, denn das Bundesgesetz ist „wirklich
alt“, sagt die oberste bremische Datenschützerin Sommer. Andernfalls würden
Behörden wie das Ordnungsamt einfach zu viele Daten sammeln, auch aus
Angst, etwas falsch zu machen.
## SPD findet das Problem nicht so wichtig
Ein solches Gesetz ist im Koalitionsvertrag auch geplant. Die Innenbehörde
sieht trotzdem erst einmal keinen Handlungsbedarf. Für den Innensenator
Ulrich Mäurer (SPD) habe „das Gesetzgebungsvorhaben derzeit keine
Priorität, auch weil die Versammlungsfreiheit durch das existierende
Bundesgesetz umfassend gewährleistet ist“, sagt eine Sprecherin. Die
jüngeren Gesetzgebungsverfahren in anderen Bundesländern verfolge das
Ressort aber mit Interesse. Berlin etwa hat seit Februar ein eigenes
Versammlungsfreiheitsgesetz. Sich daran zu orientieren, befürwortet auch
Mustafa Öztürk, der innenpolitische Sprecher der Grünen.
Für den innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Kevin Lenkeit, hat die
Novelle keine Priorität: „Für die SPD ist es erst mal wichtig, einen
vernünftigen Haushalt aufzustellen, der Polizei, Feuerwehr und
Ordnungsdienst finanziell besser ausstattet.“ Das Anmelder*innen-Daten
regelmäßig an das Landesamt für Verfassungsschutz weitergegeben werden
findet er „relativ unproblematisch“. Das diene zur Gefährdungsbewertung,
denn der Verfassungsschutz habe ja „auch einen anderen Blick“ auf mögliche
Gefahren.
Clemens Arzt widerspricht. Auch bei der Gefährdungsbewertung gelten für die
Weitergabe an den Verfassungsschutz sehr hohe Hürden, sagt er. Dafür müsse
der Bestand der Republik oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung
gefährdet sein. „Das ist sie selbst bei einer depperten Querdenker-Demo
nicht.“ Der Geheimdienst habe in diesem Segment „herzlich wenig zu suchen�…
22 Mar 2021
## LINKS
[1] /Demo-Anmeldung-landet-beim-Geheimdienst/!5752666
## AUTOREN
Franziska Betz
## TAGS
Bremen
Verfassung
Versammlungsfreiheit
Demokratie
Verfassungsschutz
Nordrhein-Westfalen
V-Leute
Verfassungsschutz
Bremen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neues Versammlungsgesetz in NRW: Schärfer als in Bayern
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen plant Restriktionen beim
Versammlungsrecht. Für Samstag ruft ein breites Bündnis zum Protest auf.
Beobachtung durch den Verfassungsschutz: Geheimdienst späht Linke aus
Der Verfassungsschutz in Niedersachsen setzt V-Person auf Mitglieder der
Linkspartei an. Die Linke fordert seine Abschaffung.
Verfassungsschutz berichtet in Hamburg: Querdenken im Visier des VS
Der Inlandsgeheimdienst stellt seinen Bericht vor und beobachtet
Neuzugänge. Im Fokus stehen Coronaleugner*innen, aber auch linke
Jugendgruppen.
Demo-Anmeldung landet beim Geheimdienst: Der direkte Draht
Wer in Bremen eine Demo anmeldet, wird vom Ordnungsamt dem
Verfassungsschutz gemeldet. Die Betroffenen werden darüber bislang nicht
informiert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.