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# taz.de -- Demo-Anmeldung landet beim Geheimdienst: Der direkte Draht
> Wer in Bremen eine Demo anmeldet, wird vom Ordnungsamt dem
> Verfassungsschutz gemeldet. Die Betroffenen werden darüber bislang nicht
> informiert.
Bild: Vom Verfassungsschutz erfasst: Demonstration auf dem Bremer Marktplatz im…
Bremen taz | Das Bremer Ordnungsamt gibt Daten von Demoanmelder*innen
„regelmäßig“ an den Verfassungsschutz weiter. Das geht aus der Antwort des
Bremer Senats auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor, die am
Mittwoch veröffentlicht wurde.
Das sei eine „unverhältnismäßige Einschränkung des Grundrechts auf
Versammlungsfreiheit“, sagt Nelson Janßen, der Vorsitzende und
innenpolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion der Linken. Wenn
regelmäßig Daten von Demoanmelder*innen an den Verfassungsschutz
weitergeleitet werden, dann führe das zu einer Veränderung des Verhaltens,
selbst wenn der Verfassungsschutz die Daten gar nicht nutzen würde. „Es
gibt Urteile, dass selbst das Aufhängen einer Kameraattrappe ein Eingriff
in Grundrechte ist, weil es das Verhalten ändert“, so Janßen weiter.
Der Hintergrund: Die Fraktion der Linken hatte im Dezember vergangenen
Jahres eine kleine Anfrage an den Senat gestellt. Thema war die „Erhebung
und Verarbeitung personenbezogener Daten bei Anmeldungen von
Versammlungen“. Eine Frage lautete: „In welchen Fällen gibt das Ordnungsamt
personenbezogene Daten der Anmelder*innen an die Polizei und/oder an
andere Behörden weiter?“
Der Senat antwortete, dass das Ordnungsamt Daten von Personen, die
Demonstrationen oder andere Versammlungen unter freiem Himmel anmelden, „in
jedem Fall an den Polizeivollzugsdienst“ weitergibt. Erst mal ist das
verständlich, denn die Polizei muss, wenn sie bei einer Versammlung
anwesend ist, ja die Möglichkeit haben, mit der Versammlungsleiter*in
und der Anmelder*in Kontakt aufzunehmen. In der Senatsantwort heißt es
jedoch weiter: „Zum Zweck der Gefährdungsbewertung werden die Daten im
Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen regelmäßig ebenfalls an das Landesamt
für Verfassungsschutz übermittelt.“
Doch was bedeutet „regelmäßig“? Das findet auch Nelson Janßen unklar und
meint, dass die Daten wohl „nicht immer, aber wahrscheinlich bei allem, was
politisch angehaucht ist“, weitergegeben werden. Das könne zum Beispiel bei
einer Kundgebung zum Terroranschlag in Hanau der Fall sein, oder einer Demo
von „Fridays for Future“. „Ich weiß nicht, ob es da eine Grenze gibt und
auf welcher Grundlage das weitergegeben wird“, so Janßen weiter.
Aus Sicht des Senats ist die Datenweitergabe jedenfalls nötig, da nur der
Verfassungsschutz mögliche Gefahren, die von der angemeldeten Demonstration
oder möglichen Gegendemonstrationen ausgehen könnten, einschätzen könne.
Denn „die Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen bestehen nur
dort“. Allerdings ist die Gefahrenabwehr laut Gesetz eine rein polizeiliche
Aufgabe. Das ergibt sich aus dem sogenannten Trennungsgebot – einem
Rechtsgrundsatz, der besagt, dass die Polizei und die Nachrichtendienste
unter anderem in Bezug auf ihre Aufgaben und die Datenverarbeitung getrennt
sein sollen. Deshalb sei die Idee, dass man zur Einschätzung der
Gefahrenlage Daten an den Inlandsgeheimdienst weitergibt, zumindest
anzuzweifeln, so Nelson Janßen.
Die Linke kritisiert darüber hinaus, dass die Demoanmelder*innen
bisher nicht über die Datenweitergabe informiert wurden. Laut Senat soll
auf dem Anmeldeformular „in Kürze“ ein entsprechender Hinweis hinzugefügt
werden.
Ein weiteres Thema ist die Dauer, für die diese Daten gespeichert werden.
Bislang waren das bis zu fünf Jahre. Der Senat „plant“ laut eigenen
Angaben, die Löschungsfrist auf „etwa ein Jahr herabzusetzen“.
Der Senat teilt auch mit, dass die Polizei in Einzelfällen auch „besondere
Kategorien personenbezogener Daten“ speichert. Darunter fallen insbesondere
auch „ethnische Herkunft, politische Haltungen, religiöse oder
weltanschauliche Überzeugungen“. Dass es in Einzelfällen wichtig sein mag,
welche politische Haltung oder religiöse Überzeugung eine Person hat, die
eine Demo anmeldet, leuchtet ein. Anders ist das bei der diffusen Kategorie
„ethnische Herkunft“. Die Formulierung stammt aus der
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die zwischen „normalen Daten“ – wie
Name, Anschrift und Geburtsdatum – und „besonderen Daten“ unterscheidet.
Unter letztere fällt eben auch die „ethnische Herkunft“.
## Die Linke fordert ein Ende der Datensammlung
Die DSGVO listet diese zusammen mit anderen Daten auf, die sie im Gegensatz
zu etwa Namen und Geburtsdaten noch mal besonders schützt. Nelson Janßen
hält die Frage nach der „ethnischen Herkunft“ trotzdem für „ungeeignet,…
eine Gefährdungsbewertung für Versammlungen vorzunehmen“.
Die Linke hält die „massenhafte Weitergabe persönlicher Daten an den
Geheimdienst“ für „eine Einschüchterung von Bürger:innen und somit eine
unverhältnismäßige Einschränkung der Versammlungsfreiheit“. Die Fraktion
fordert deshalb, dass die Praxis „schnellstmöglich überprüft und beendet“
wird.
Denn, so Miriam Strunge, datenschutzpolitische Sprecherin der Fraktion:
„Wir müssen Menschen, die ihre demokratischen Grundrechte wahrnehmen und
damit unsere Demokratie mit Leben füllen, unbedingt stärker vor
unverhältnismäßiger Datensammelei schützen.“
11 Mar 2021
## AUTOREN
Franziska Betz
## TAGS
Bremen
Verfassungsschutz
Versammlungsfreiheit
Grundrechte
Datenschutz
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Verfassungsschutz
Bundesverfassungsgericht
Verfassungsschutz
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