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# taz.de -- Geschäfte machen mit der Pandemie: Die Verschwörungsindustrie
> Für manche ist Corona ein Geschäft: Crash-Propheten bieten Münzen an,
> Anwälte locken mit Klagen gegen Virologen. Reise zu den Heilsbringern der
> Krise.
Bild: Das Logo auf dem T-shirt steht für „Zeichen der Wahrheit“ aus dem We…
Die Augen des Anlageberaters leuchten, als käme jetzt das, worauf er schon
die ganze Zeit gewartet habe. Er hebt sich aus dem tiefen Lederbürostuhl,
seine Hand verlässt den Bildausschnitt der Zoom-Konferenz und taucht mit
einem funkelnden Objekt zwischen Daumen und Zeigefinger wieder auf:
„Canadian Maple Leaf“, sagt er. Eine „Feingoldmünze“, etwa 1.700 Euro …
Auch Sammlerstücke und eine „Schatzkiste“ für die kleinen Münzen
präsentiert der Mann jenen, die sich von ihm in Sachen Geldanlage beraten
lassen.
Der Berater ist Edelmetallverkäufer im baden-württembergischen
Villingen-Schwenningen. In seinem blau-weiß gestreiften Hemd wirkt er
harmlos wie ein Versicherungsvertreter. Jemand, der etwas anbietet, das man
annehmen oder auch ablehnen kann. Doch was er mit ruhiger Stimme referiert,
ist nicht ganz so harmlos. Er spricht von „manipulierten Goldkursen“, von
einer „in absehbarer Zeit platzenden Blase“ und einem Börsenkurs, der sich
dann wieder am Goldwert orientieren werde. Schließlich könnten „die“ ja
„nicht unendlich viel Geld drucken“, der Tag X richte sich auch danach, wie
lange „das mit dem Coronagemache noch weitergeht“.
## Geschäfte mit der Angst
All das macht dem potenziellen Kunden vor allem eines: Angst. Es ist
dieselbe Sorte Angst, wie sie die Anhänger:innen der
Coronaprotestbewegung spüren: vor der großen Katastrophe, dem Crash, der
über sie gebracht wird. Und weil sich mit dieser Angst gut Geschäfte machen
lässt, haben Unternehmer:innen aller Couleur die Bewegung als
Geschäftsfeld entdeckt: Sie sammeln Spenden für dubiose Sammelklagen oder
auch den eigenen Lebensunterhalt, verkaufen Kaffeetassen „für Freidenker“
und Jacken „für Frieden“, Seminartickets, Bücher oder eben Goldmünzen.
Auf die Frage, was der Edelmetallberater mit „Coronagemache“ meint, schiebt
er schnell nach, er sei kein Coronaleugner, das Virus existiere ja, „aber
es sei klar erkennbar“, dass „gewisse Ziele, die gesetzt wurden“, durch d…
Folgen der Pandemie besser umgesetzt werden könnten. Wie zum Beispiel die
„Abschaffung des Bargeldes“. Er entkräftet: Er wisse, dass das ein wenig
nach Verschwörungstheorie klinge. Aber er sehe in den Theorien um
angebliche Seilschaften von Bill Gates und „den Rothschilds“ ein „Fünkch…
Wahrheit“.
Der Berater ist die zurückhaltende Version seines Chefs Dominik Kettner.
Der ist einer jener Crash-Propheten, deren Geschäftsmodell auf der
geschürten Angst vor der „völligen Enteignung“ oder dem „Endspiel der
Währungssysteme“ fußen. „Das Schiff sinkt“ und „Keiner bleibt verscho…
prophezeien Kettner und seine Interviewpartner auf dem Youtube-Kanal von
„Kettner-Edelmetalle“, dem über 85.000 Menschen folgen, in poppigen
„Aufklärungsvideos“.
„Die typische Argumentationskette ist: Weil das System insgesamt faul ist,
muss es zu einem Zusammenbruch kommen und der wird auf dem Rücken des
kleinen Mannes ausgetragen“, heißt es dagegen beim seriösen Finanztip zu
den „Crash-Propheten“. Die gezogenen Schlussfolgerungen seien „meistens
nicht haltbar“. Gleichwohl ist es eine Strategie, die viele
Kleinanleger:innen dazu bringt, ihre Ersparnisse in Edelmetallen
anzulegen – ein Geschäft, das in der Coronakrise boomt.
Im März 2020 habe das Unternehmen Kettner vier Stellen im Kundensupport neu
besetzt, sagt der Berater. Ohne sie wäre das Team aus etwa zehn
Mitarbeiter:innen in der Flut von Bestellungen und Beratungsanfragen
„völlig untergegangen“.
Sympathien für die Coronaproteste werden von Kettner und seinen
Youtube-Gästen offen bekundet – etwa im Video „Wacht auf und habt keine
Angst mehr!“, in dem Kettner den Biologen Sucharit Bhakdi interviewt. Der
ist eine Art Kronzeuge der Querdenker:innen. Im Gespräch mit Kettner
fordert er unter anderem, alle Ärzte zu „bestrafen“, die PCR-Tests zur
Covid-19-Diagnose verwenden. Das ging selbst Youtube zu weit – der Dienst
löschte das Video. Für Kettner ein neuer Schlag der „Zensurkrake“.
Auch der Kochbuchautor Attila Hildmann, der wegen Volksverhetzung per
Haftbefehl gesucht wird, ist auf den Goldzug aufgestiegen. Im Netz wirbt
Hildmann für sogenannte Siegfried-Taler: eine Medaille, die als angebliche
Geldmünze ein Vielfaches ihres Materialwertes kostet und für
Käufer:innen ein garantiertes Verlustgeschäft ist.
Baden-Württembergs [1][Antisemitismus-Beauftragter Michael Blume] sagt, die
Botschaft dieser Coronageschäftemacher sei immer dieselbe: „Misstraut den
anderen, der Elite, dem System. Vertraut stattdessen mir, und gebt mir euer
Geld.“
Problematisch seien neben der möglichen Verluste vor allem der tendenziell
antisemitische Kern vieler Verschwörungsmythen, etwa um die
„Bargeldabschaffung“, die von einer jüdischen Elite wie „den Rothschilds…
vorangetrieben werde, um Kontrolle über die Finanzmärkte zu erlangen. Die
Crash-Geschäftsmasche und die Verschwörungserzählungen funktionieren nach
demselben Prinzip: „Einfache Erklärungen für komplexe Zusammenhänge“, sa…
Blume.
Ein Teil der Crash-Propheten wie Kettner steht dem extrem rechten Lager
nahe: In Kettners Youtube-Show kommen Gäste wie Max Otte zu Wort. Otte
leitete bis Januar 2021 das Kuratorium der AfD-nahen
[2][Desiderius-Erasmus-Stiftung]. Er hat enge Verbindungen zu den
Goldverkäufern der „Degussa Sonne/Mond Goldhandel GmbH“ des Investors
August von Finck, wie Otte selbst in einer „Querdenken“-Rede durchscheinen
ließ. Von Finck unterstützte nach Recherchen des Spiegels und der Schweizer
WOZ seinerseits die AfD bereits in ihrer Gründungsphase mit Gewinnen aus
dem Goldgeschäft.
## Der Kämpfer gegen die „Mainstrem-Medien“
Auch die Produzenten von Verschwörungserzählungen profitieren in Krisen.
Einer von ihnen ist Heiko Schrang. Über seinen Telegram-Kanal füttert der
Autor über 85.000 Menschen täglich mit Meldungen sogenannter
Mainstream-Medien, deren Inhalte zu Falschinformationen verdreht werden –
oder mit Artikeln „alternativer“ Medien, die meist auf Falschinformationen
beruhen. Darunter mischt Schrang Posts, die entweder eigene
Verschwörungserzählungen propagieren – oder Werbung für seine Bücher
machen.
Schrang betreibt einen Verlag, eine App und einen Webshop. Dessen Logo ist
ein Kreis mit einem Punkt in der Mitte. „Zeichen der Wahrheit“ nennt er das
Symbol, passend zum Verlags-Slogan „erkennen-erwachen-verändern“. Logo und
Schriftzug waren im Sommer 2020 massenhaft auf T-Shirts, Mützen und Pullis
auf Coronademos zu sehen. Schrangs Botschaften gibt es, außer in den
gängigen virtuellen Kanälen, auch im Buchformat für 24,90 Euro. Beworben
wird das Buch damit, dass es „zum ersten Mal geheimes Wissen“ beleuchte,
„das jahrhundertelang unter Verschluss gehalten wurde“ und „geheime
Aktivitäten der Mächtigen“ aufdecke.
Über sein „Geheimwissen“ will Schrang allerdings nicht sprechen.
Interviewanfragen bleiben unbeantwortet. Die Adresse im Impressum seiner
Seite führt zu einem Mietshaus in Brandenburg, wo eine Nachbarin auf einen
Briefkasten zeigt und sagt: „Wohnen tut der aber nicht hier.“ Eine andere
Adresse in einem älteren Impressum führt ein paar Dörfer weiter zu einer
Siedlung stattlicher Einfamilienhäuser. An der Klingel ist kein Name, dafür
eine Kamera. Dahinter prangt ein Backsteinhaus. Der Zaun geht in eine Hecke
über, im Garten steht eine große Buddha-Figur, die auch den Hintergrund
vieler seiner Videos schmückt.
Von dem Wunsch, mehr über die „wahren Hintergründe“ der Pandemie zu
erfahren, leben auch Anbieter von „Online-Kongressen“: virtuelle
Veranstaltungen zur Wissensvermittlung, die es im Esoterik-Sektor schon
länger gibt. Das Geschäftsmodell ist simpel: Die Veranstalter führen
Video-Interviews mit einer Reihe von Redner:innen. Wer unbegrenzten Zugang
bekommen will, zahlt.
## Ein „Lebenspaket“ für 449 Euro
Besonders aktiv sind dabei sympathisch lächelnde Männer wie Andres
Schiffmacher. 2020 veranstaltete der den „Impformationskongress“ und den
„Kinder-und-Corona-Kongress“, der Ende Februar in die zweite Runde ging.
Hat man sich angemeldet, füllt sich das E-Mail-Postfach schnell mit Mails,
in denen Schiffmacher das wohlige Gefühl vermittelt, einer besonderen
Gemeinschaft anzugehören: „Ihr dürft Euch auf mindestens 18 neue Interviews
freuen, die wir gerade dabei sind, aufzunehmen“, heißt es da unter dem
Kongressmotto „Informiert, gestärkt & mutig für Gesundheit, Menschlichkeit
& Freiheit!“.
Wer unbeschränkten Zugriff auf die Videos haben oder „Bonusmaterial“ sehen
möchte, kann dazu „Kongresspakete“ kaufen – bis hinauf zum „Lebenspake…
für nur 449 Euro ist für jeden Geldbeutel etwas dabei.
Im Dezember lockte Schiffmachers „Premium-Paket“ mit einem Bonus-Interview
mit Wolfgang Scheel zum Thema „Stressbewältigung und Umgang mit Behörden
und Staatsgewalt“. Der Kinderarzt kennt sich da aus: Bereits zweimal sollte
ihm 2020 die Kassenzulassung entzogen werden, unter anderem weil er einem
Jungen eine Impfunfähigkeitsbescheinigung ausstellte, ohne ihm persönlich
begegnet zu sein. Scheel und Schiffmacher sind erklärte Impfgegner, die in
Videos auch vor Corona-Impfungen warnen. Ihre Onlineinterviews leben vor
allem davon, dass sich die Sprecher:innen gegenseitig in ihrem Weltbild
bestätigen.
Und so kommt es, dass in der Szene viel füreinander geworben wird. Auf dem
„Wahrheitskongress“ im November 2020 traf sich das Who-is-who der
deutschsprachigen Verschwörungsszene. Das Motto: „Das Ende der großen
Täuschung“, mit der Garantie auf „Wahrheiten über die Corona ‚Pandemie�…
„den ‚Deep State‘“, und wieder: „Das Geldsystem“.
## Seltsame Anwälte, ungewöhnliche Mediziner
Auch Anwält:innen aus dem „Querdenken“-Umfeld fahren mit der
Coronastimmungsmache gut. Eine Gruppe von Jurist*innen um den Göttinger
Reiner Füllmich etwa sammelt seit Monaten bei deutschen
Unternehmer*innen eine Pauschale von 800 Euro plus Steuer für eine in
den USA einzureichende „Corona-Schadensersatzklage“ gegen den Virologen
Christian Drosten und die WHO ein. Parallel bieten unter dem Label „Mask
Force“ firmierende Anwält*innen aus der Gruppe ihre Dienste Eltern an,
die verhindern wollen, dass ihre Kinder in der Schule eine Maske tragen
müssen.
In den USA einen deutschen Virologen für den deutschen Lockdown
regresspflichtig machen – und dafür verzweifelte Ladenbesitzer abschöpfen?
Fragen lassen will Füllmich sich dazu nur zu seinen Bedingungen – er stehe
„ausschließlich für Wortlaut-Interviews zur Verfügung“, lässt seine Kan…
wissen.
Der Würzburger Jurist Chan-jo Jun beobachtet das Geschäftsgebaren der
Querdenker. Er schätzt, dass für die „Corona-Schadenersatzklage“ schon
vorab über 1,3 Millionen Euro Gebühren in Rechnung gestellte Gebühren
zusammengekommen sind – und hat die Gruppe um Füllmich wegen Formfehlern
der Anwaltskammer gemeldet.
Das medizinische Pendant zu den „Anwälten für Aufklärung“ sind die
„[3][Ärzte für Aufklärung]“ – ein Zusammenschluss von Mediziner:innen,…
nicht an die Pandemie glauben. [4][Walter Weber, Gründer der Initiative],
glaubt dafür an die Kraft des Immunsystems als „innere Maske“, weswegen die
Coronamaßnahmen nur aus niederen Beweggründen beschlossen worden sein
könnten. Weil er im Verdacht steht, „unrichtige Zeugnisse über den
Gesundheitszustand eines Menschen“ – kurz: Maskenatteste, in der Bewegung
auch bekannt als „Maulkorbatteste“ – ausgestellt zu haben, bekam er am 16.
Februar Besuch von Polizei und Staatsanwaltschaft.
Der Hamburger ist nicht der Einzige, der dabei ist, seine eigene
Existenzgrundlage zu zerstören. Seit Ende 2020 wurden mehrfach Privaträume
und Praxen von Ärzt:innen durchsucht, deren Atteste massenweise auf
Coronademos vorgezeigt worden waren. Die Ärztekammern beobachten die
Kolleg:innen; bestätigt sich der Verdacht, drohen ihnen Geldstrafen bis zu
50.000 Euro und Berufsgerichtsverfahren.
Doch auch dafür sind Anhänger:innen der Protestbewegung bereit zu
spenden, und das nicht zu knapp. Eine Partnerorganisation von den „Ärzten
für Aufklärung“ ist das „Ärztehilfswerk Weißer Kranich“. Ein Hilfswer…
Ärzt:innen, die glauben im Widerstand gegen das System kämpfen zu müssen.
Ein Gründungsmitglied des „Kranichs“ willigt in ein Interview ein, möchte
danach aber doch nicht mehr in der Zeitung stehen – aus Angst vor
staatlicher Repression. Sie sagt, sie habe auf der ersten Demo ihres Lebens
– der Querdenker-Demo am 29. August 2020 in Berlin – den „Glauben an den
Rechtsstaat verloren“. Ärzt:innen seien dort schon früh von der Polizei
eingekesselt worden. Der Staat mache eine „Hetzjagd“ auf „ganzheitliche
Ärzte“, die Durchsuchungen der Praxisräume belegten dies.
Deshalb eröffneten die Mediziner:innen ein Spendenkonto – für
Prozesskosten, Bußgelder, finanzielle Ausfälle „verfolgter Ärzte“. Per
Telegram riefen sie zu Spenden für Ärzt:innen auf, deren Praxen wegen des
Verdachts von Gefälligkeitsattesten durchsucht wurden.
Auch die Homöopathie-Szenegrößen Carola Javid-Kistel und Rolf Kron sind
unter ihnen. Mitte Januar werden die Telegram-Kanäle der Bewegung mit einer
aufgeschreckten Sprachnachricht von Javid-Kistel geflutet. Unter Tränen
sagt sie: „Jetzt ist es bei mir auch so weit. Die Kripo steht vor der Tür.
Die wollen jetzt hier alles durchkramen und durchsuchen. Die versuchen alle
homöopathischen Ärzte, alle Leute, die sich einsetzen, abzusäbeln, mundtot
zu machen.“ Auch da ruft der „Weiße Kranich“ zu Spenden auf. In wenigen
Wochen sammeln sich Zehntausende Euro auf dem privaten Konto eines
„Ärztehilfswerks“, dessen Rechtsform nicht transparent ist.
## Rechtstipps vom Juristen
Ein Verbündeter des „Weißen Kranichs“ ist der Jurist Markus Haintz, dem a…
Telegram 120.000 Menschen folgen. Wird eine Praxis durchsucht, postet der
„Bürgerrechtler“ Tipps, wie man sich gegenüber der Staatsgewalt am besten
verhält. „Man muss heutzutage leider als kritischer Rechtsanwalt und Arzt
damit rechnen, durchsucht zu werden, wer sich mental darauf vorbereitet,
wird nicht auf dem falschen Fuß erwischt“, schreibt er, und: „Wir stehen
hinter euch“, drei rote Ausrufezeichen.
Auch Haintz hat sein altes Leben als Rechtsanwalt gegen das als
Corona-Aktivist eingetauscht. Die Hochschule Biberach hat ihm als Dozenten
für Baurecht gekündigt, nachdem er „als politische Person in der Zeitung
gestanden habe“, wie Haintz der taz sagt. Die Hochschule indes nennt
„ideologische Verblendung“ als Grund.
Seit April 2020 ist Haintz gegen die Coronamaßnahmen der Regierungen auf
der Straße, organisiert Demos, führt Gerichtsprozesse, berät und
unterstützt vor allem Versammlungsleiter und andere Demo-Organisatoren
juristisch, „doppelt Vollzeit, bis zu 110 Stunden die Woche“, nach eigenen
Angaben oft kostenlos. Über seinen Telegram-Kanal ruft er dazu auf, seine
„Arbeit als Bürgerrechtler“ finanziell mit Zuwendungen oder Schenkungen zu
unterstützen.
Reihenweise kündigten Banken ihm daraufhin das Konto. „Sie müssen da nicht
begründen“, sagt Hainz. Als Argument werde „oft Geldwäsche vorgebracht –
lächerlich“, sagt er. Er sieht die Kontokündigungen als „Angriff auf
Meinungsfreiheit.“ Man „versucht, mich mundtot zu machen“, sagt er der
taz.“
## „Friedensaktivistin“ Rosen
Kürzlich trat Haintz in die Partei „Die Basis“ ein. Dort aktiv ist auch die
„Friedensaktivistin“ Eva Rosen. Auch sie hat die Pandemie den Job gekostet
– und ihr einen neuen beschert.
Vor Corona war sie festangestellte Designerin bei einer Werbeagentur in
Frankfurt. Heute ist sie hauptberufliche „Friedensaktivistin und
Politikerin“ gegen die Coronamaßnahmen und lebt wie Haintz von Spenden.
Rosen, 35 Jahre alt, lange blonde Haare, melierte Strähnen und viele
Tattoos, sitzt an einem Donnerstag im Februar in Leggings vor einem
winzigen Laptop in ihrer Zweizimmerwohnung in einem Frankfurter Vorort. In
der Luft steht der Rauch von Pachuli-Räucherstäbchen, ein Traumfänger
baumelt vom Türrahmen, auf dem schwarzen Ledersofa liegt eine Ausgabe des
rechten Magazins Compact. Neben ihrem Laptop liegt ein Anstecker mit der
Aufschrift „Umarmbar“, der gern auf Coronademos getragen wird.
Rosen ist eine Art Influencerin der Coronabewegung, auf deren Telegram,
Youtube und den Demobühnen ist sie omnipräsent.Mit einem Reisebus
durchquerte sie Ende 2020 das Land, über 60 Orte habe sie mit der
„Frauenbustour“ besucht. Allein für den Bus musste sie rund 40.000 Euro
Miete zahlen. Hinzu kamen 3.000 Euro für Security und etwa ebenso viel für
Bußgelder wegen Verstößen gegen die Versammlungsauflagen. Am Ende blieb sie
auf den Kosten sitzen und zahlte den Rest von ihren Ersparnissen. Rosen
sagt mit einem Lachen: „Ich bin zwar pleite, aber Schulden hab ich dafür
keine.“
Rosen bastelt heute an einem neuen Flyer – für die Unterstützung durch ihre
Fans in der Protestbewegung. Das Arbeitsamt hat Rosens Bezüge für drei
Monate gesperrt, trotzdem komme sie gut über die Runden. 2.400 Euro
monatlich brauche sie zum Leben, 30 Prozent kämen von ihrer Familie, 70
Prozent beziehe sie aus den Schenkungen, die auf ihrem Paypal- und ihrem
Bankkonto eingehen. In ihrem Telegram-Profil schreibt sie: „Ich werde mich
nicht beirren lassen“. „Unaufhörlich“ werde sie weiterkämpfen, „Seite…
Seite mit EUCH GEMEINSAM.“ Zwei Absätze darunter: „(WICHTIG)
Verwendungszweck: Schenkung für deinen Friedensaktivismus“.
Dass Rosen, Haintz und viele andere Corona-Aktivist:innen meist ohne
Vereine agieren und „Schenkungen“ einsammeln, hat für den Würzburger
Rechtsanwalt Chan-jo Jun handfeste Gründe: „Vereine sind
rechenschaftspflichtig. Überschüsse kann ich nicht behalten.“ Und: „Spend…
sind steuerrechtlich beschränkt auf gemeinnützige Zwecke. Die Schenkung ist
nicht so stark zweckgebunden.“
Dass es den so fleißig Geld sammelnden Corona-Aktivist:innen vor allem ums
Finanzielle geht, glaubt Jun gleichwohl nicht. Manche der
Querdenker:innen hätten „durchaus mit ideellen Motiven angefangen und
eine nichtmaterielle Agenda“, sagt er. „Aber es schafft kein Mensch, sich
auf die Dauer unabhängig zu machen, wenn die Unterstützung sich auf dem
Bankkonto bemerkbar macht.“
Die Recherche entstand im [5][Rechercheverbund Europe’s Far Right] und
wurde mit Mitteln des „Investigative Journalism for Europe“-Programms
gefördert.
Anm. d. Red.: Wir haben an dieser Stelle berichtet, dass sich die alte
Kanzlei (webis legal) von Markus Haintz getrennt habe. Markus Haintz lässt
uns wissen, dass dieser aus Rücksichtnahme auf seine alte Kanzlei eine
eigene gegründet habe, damit webis legal keine Nachteile durch sein
politisches Engagement erleide.
18 Mar 2021
## LINKS
[1] https://stm.baden-wuerttemberg.de/de/themen/beauftragter-gegen-antisemitism…
[2] /Die-AfD-und-die-Erasmus-Stiftung/!5744940
[3] /Hamburger-Aerzte-fuer-Aufklaerung/!5702830
[4] /Impfgegner-und-die-Coronapandemie/!5735702
[5] /Schwerpunkt-Europes-Far-Right/!t5544159
## AUTOREN
Nora Belghaus
Christian Jakob
## TAGS
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Schwerpunkt Coronavirus
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Verschwörungsmythen und Corona
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