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# taz.de -- Die Basis-Kandidat Sucharit Bhakdi: Impfskepsis und Antisemitismus
> Sucharit Bhakdi ist Bundestagskandidat der „Basis“. Nach antisemitischen
> Aussagen beenden sein Verlag und ein TV-Sender die Zusammenarbeit mit
> ihm.
Bild: Bhakdi-Bekenntnis-Tüte im August 2020 bei einer Demo in Flensburg
Hamburg taz | Sucharit Bhakdi wirkt müde. Im Schneidersitz führt der
Bundestagskandidat der im Umfeld der Proteste gegen die Coronamaßnahmen
entstandenen [1][Basisdemokratischen Partei Deutschland (Die Basis)] vom
seinem Ecksofa aus ein Interview. Mit ruhiger Stimme trägt er dem
Interviewer, dem selbst in der Coronaleugnungs-Bewegung engagierten
Fotografen Kai Stuht, seine Bedenken gegen die staatlichen
Pandemiemaßnahmen und laufende Impfplanungen in Deutschland vor.
Tief betroffen und besorgt gibt sich der Facharzt für Mikrobiologie und
Infektionsepidemiologie, der zuletzt von 2016 bis 2020 Gastwissenschaftler
an der Medizinischen Fakultät der Kieler Universität war, aber auch über
die Impfungen in einem anderen Land: Israel. Der jüdische Staat sei durch
seine Impfpolitik schlimmer als das nationalsozialistische Deutschland,
sagt Bhakdi. „Deshalb ist Israel jetzt living hell – die lebende Hölle“.
Das Interview fand bereits im April dieses Jahres statt und ist in voller
Länge auf der Internetseite Stuhts zu sehen. Vor gut einer Woche war dann
ein Trailer zum Interview bei Youtube aufgefallen. Mit seiner Darstellung
betreibe Bhakdi eine Relativierung des Nationalsozialismus und eine
Täter-Opfer-Umkehr, kritisierte das Jüdische Forum für Demokratie und gegen
Antisemitismus (JfDA) daraufhin auf Twitter. Es sei „empörend, aber kaum
überraschend, dass Bhakdi, eine zentrale Figur des
corona-verschwörungsideologischen Spektrums, derartige Aussagen tätigt“.
Der moderne Antisemitismus müsse als eine Art prototypische
Verschwörungsideologie betrachtet werden, twitterte das JfDA am Mittwoch.
Ab der 25. Minute führt Bhakdi im Interview ausführlich aus, dass man aus
Israel nicht mehr flüchten könne. Das „Volk“ habe er bewundert, er sei ein
„Judenbewunderer“, der sehr für „jüdische Musiker“ schwärme, sagt er
weiter. Dann allerdings betont er: „Das Volk, das geflüchtet ist aus diesem
Land, aus diesem Land, wo das Erzböse war, (…), und haben ihr Land
gefunden, haben ihr eigenes Land in etwas verwandelt, was noch schlimmer
ist, als Deutschland war. So unfassbar. (…) Das ist das Schlimme an den
Juden: Sie lernen gut. Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber
sie haben das Böse jetzt gelernt – und umgesetzt“.
## Goldegg Verlag beendet Zusammenarbeit
Vor diesen Sätzen warnt Bhakdi, der dabei eindringlich in die Kamera
blickt, dass es „um euch geschehen“ sein werde, wenn „wir“ in Deutschla…
jetzt „nicht aufstehen“ gegen die Impfung, die zu Zwang werde. Impfen sei
„blödsinnig“, „wahnsinnig“ und „zu gefährlich“. Längst denke er,…
bekennende Buddhist, dass die Kanzlerin und das Kanzleramt die Bevölkerung
absichtlich gefährden wollen. Die Ärzteschaft hätten sie gespalten. Auf der
einen Seite gebe es jene, die überzeugt seien, angemessen gegen die
Pandemie zu handeln. Auf der anderen Seite stünden jene, die zwar nicht an
die Maßnahmen glaubten, sie aber aus Existenzängsten mittrügen.
In Österreich haben Bhakdis Aussagen bereits erste Konsequenzen. Der
Goldegg Verlag, bei dem die von Sucharit Bhakdi gemeinsam mit Karina Reiß
verfassten Bücher „Corona Fehlalarm?“, „Corona unmasked“ und
„Schreckgespenst Infektionen“ erschienen sind, beendet die Zusammenarbeit.
Der Verlag bilde zwar „ein breites Meinungsspektrum“ ab und trage „bewusst
zum gesellschaftlichen Diskurs bei“, schrieb er in einem Tweet, aber
„antisemitische oder rechtsextreme Ansichten tolerieren wir nicht“.
Die aktuellen Aussagen des Autors könne man „nicht nachvollziehen, sie
stehen außerhalb unseres Verständnisses“. Fortan seien keine neuen Bücher
mehr geplant und auch die älteren Titel würden nicht mehr nachgedruckt.
Die Titel sind Bestseller über die Querdenken- und Coronaleugnungs-Bewegung
hinaus. Mit „Corona Fehlalarm?“ wurden Bhakdi und Reiß zu Stars der
vermeintlichen Freiheitsrechteschützer:innen und
Grundgesetzbewahrer:innen – das Fragezeichen im Titel ist bloß
rhetorisch und nicht als offene Frage gemeint.
Das Ehepaar hat auch schon früher gemeinsam kritisch zum Thema Impfungen
publiziert. An der Universität Kiel leitet die Biochemikerin Reiß an der
Haut-Klinik eine Arbeitsgruppe mit ihrem Namen.
Das Ansehen des deutschen Infektionsepidemiologen stieg auch durch
Fernsehauftritte bei dem österreichischen Sender Servus TV, wo Bhakdi oft
Talk-Gast war. In einer Servus-TV-Reportage vom Februar führte er aus: „Es
gibt keine Epidemie oder Pandemie mehr. Das ist die einfache Tatsache. Und
deswegen muss alles jetzt aufhören.“ Auch der Sender aus Salzburg erklärte
nun die Zusammenarbeit mit Bhakdi für beendet.
## Anzeige wegen Hetzens
Und auch rechtliche Konsequenzen könnten in Deutschland folgen: Der
Antisemitismus-Beauftragte der jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount
Königsberg, hat Strafanzeige gegen Bhakdi wegen Volksverhetzung gestellt.
Die Partei „Die Basis“ steht weiterhin zu ihrem Kandidaten, hält den
Vorwurf des Antisemitismus für eine „absurde Unterstellung“ und „billiges
Framing“, schrieb sie auf Twitter.
Sowohl die Publikation „Corona Fehlalarm?“ als auch ein Interview Bhakdis
lösten bereits im vergangenen Jahr an der Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel mehrere Stellungnahmen aus, unter anderem seitens der Medizinischen
Fakultät, des Senats und der Fachschaft Biochemie. Alle Stellungnahmen
kritisieren, dass die Behauptungen Bhakdis und Reiß’ im Gegensatz zu
seriösen internationalen wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen.
Man dürfe in der Wissenschaft offen Fragen stellen, aber „irreführende
Annahmen“ dürften daraus nicht abgeleitet werden, schrieb der Dekan der
Medizinischen Fakultät, Professor Joachim Thiery im August 2020. Ende des
Jahres wurde der Vertrag mit Sucharit Bhakdi beendet.
20 Jul 2021
## LINKS
[1] /Partei-von-Coronaskeptikerinnen/!5776736
## AUTOREN
Andreas Speit
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