# taz.de -- Munitionsaffäre im Bundestag: AKK unter Beschuss | |
> Erst verschwand beim Kommando Spezialkräfte Munition, dann tauchte viel | |
> mehr auf. Die Verteidigungsministerin will nichts gewusst haben. | |
Bild: KSK-Kämpfer im Einsatz | |
BERLIN taz | Ihr Auftritt vor dem Verteidigungsausschuss hat | |
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am Mittwoch keine | |
Entlastung im Munitionsskandal des Kommandos Spezialkräfte (KSK) gebracht. | |
Die Opposition zweifelt an den Angaben der Ministerin, erst im Februar | |
durch einen Bericht in der taz von der umstrittenen Munitionssammelaktion | |
des KSK-Kommandeurs erfahren zu haben. | |
[1][Die taz hatte berichtet], dass drei Monate, nachdem bei der | |
Jahresinventur Ende 2019 ein größerer Fehlbestand an Munition bemerkt | |
worden war, KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr einen Befehl gab, der nun | |
heftig in der Kritik steht: Die Soldat:innen sollten von Ende März bis | |
Ende Mai 2020 doch einfach die von ihnen gehortete Munition anonym | |
zurückgeben – ohne Sanktionen fürchten zu müssen. „Aktion Fundmunition“ | |
wurde diese informelle und mutmaßlich rechtswidrige | |
Wiederbeschaffungsmaßnahme intern genannt. | |
Dass Kramp-Karrenbauer erst aus der Zeitung davon erfahren habe, klinge | |
„nicht sehr glaubwürdig“, sagte Ausschussmitglied Tobias Pflüger von der | |
Linkspartei nach der Ausschusssitzung. Es gebe deutliche Hinweise, dass das | |
nicht den Tatsachen entspreche. | |
Man sei der Wahrheit über die fragwürdige Munitionsamnestie nur „in | |
homöopathischen Dosen“ nähergekommen, befand der Grüne Tobias Lindner. Und | |
die FDP-Wehrexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sekundierte, | |
offensichtlich habe die Spitze im Ministerium die „schlimmen Entwicklungen | |
beim KSK absichtlich übersehen“. Linkspartei, FDP und Grüne fordern nun | |
gemeinsam eine Sondersitzung des Ausschusses zur weiteren Aufklärung. | |
## Ausmaß des Munitionsskandals größer als bekannt | |
Der Verteidigungsausschuss hatte kurz vor seiner Sitzung den | |
Abschlussbericht der „Taskforce Munition“ des Heeres erhalten, in dem über | |
die Zustände im Kommando Spezialkräfte (KSK) ein verheerendes Urteil | |
gefällt wird. Die geltenden Vorschriften und Verfahren zur | |
Munitionsbewirtschaftung seien dort „grundsätzlich nicht eingehalten“ | |
worden, heißt es in dem vertraulichen Bericht, der der taz vorliegt. „Dies | |
führte im Nachweis der Munition zu teils erheblichen Bestandsdifferenzen | |
und Unregelmäßigkeiten, die nicht mehrvollumfänglich nachzuvollziehen und | |
aufklärbar sind.“ | |
Das Ausmaß des Munitionsskandals im skandalerschütterten KSK ist | |
offenkundig größer als bislang bekannt. So kommt der Bericht zu dem | |
Schluss, dass der Verbleib von rund 13.000 Schuss Munition und etwa 62 | |
Kilogramm Sprengstoff „nicht mehr aufzuklären“ sei. | |
Über Jahre wurde bei der in der Graf-Zeppelin-Kaserne im württembergischen | |
Calw stationierten Eliteeinheit den internen Untersuchungen zufolge ein | |
„Schwarzbestand“ geführt, der regelmäßig mit übrig gebliebener Munition | |
aufgefüllt wurde. Die offizielle Buchführung über die Munition war mehr als | |
mangelhaft. Vermeintliche Inventuren endeten immer wieder „ohne | |
Beanstandungen“, obwohl heute feststeht, dass viel zu beanstanden gewesen | |
wäre. | |
Als dann im Dezember 2019 endlich genauer hingeschaut wurde und sich auch | |
bei einer Nachzählung im Februar 2020 erhebliche Bestandsdifferenzen | |
bestätigten, unterblieb die zwingend vorgeschriebene Benachrichtigung nach | |
oben: „Die erforderliche Meldung eines herausragenden | |
Sicherheitsvorkommnisses an die zuständigen Stellen (u.a. BMVg) | |
unterblieb“, heißt es im Bericht. Die Hintergründe dafür seien Gegenstand | |
laufender Ermittlungen. | |
## Mehr Munition abgegeben, als vermisst wurde | |
Drei Monate nach der Jahresinventur gab KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr | |
einen fragwürdigen mündlichen Befehl: Er ordnete an, allen Angehörigen | |
seines Verbandes die Möglichkeit zu geben, „anonym Munition, Kampf-, | |
Sprengmittel und sonstige Munitionsteile anzugeben, die sich unberechtigt | |
in deren Besitz befanden“. | |
Es fand sich mehr zusammen, als überhaupt vermisst wurde. Insgesamt kommt | |
der Heeresbericht auf rund 46.400 Munitionsartikel: rund 90 Prozent | |
Manöver- und Übungsmunition, etwa zehn Prozent Gefechtsmunition. „Das | |
Ergebnis der ‚Aktion Fundmunition‘ belegt einen grob fahrlässigen Umgang | |
mit Munition auf allen Ebenen des KSK“, konstatiert der | |
Untersuchungsbericht. | |
Den Effekt der eigentümlichen Amnestieaktion kann die Bundeswehr nicht | |
abschließend beurteilen: „Es kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, | |
ob von Einzelnen einbehaltene Munition tatsächlich vollumfänglich | |
zurückgegeben wurde.“ Was nicht im Bericht steht: Die Möglichkeiten der | |
Überprüfung sind ohnehin begrenzt. Denn Patronen, die ordnungsgemäß | |
ausgegeben und dann von Soldat:innen eingesteckt werden, werden ja gar | |
nicht vermisst. | |
Der Umgang mit Munition und Sprengstoff in der Vergangenheit im KSK sei | |
„vollkommen inakzeptabel“ gewesen, sagte Kramp-Karrenbauer vor den | |
Abgeordneten am Mittwoch. Sie sprach den Angaben zufolge von einer Kultur | |
der Schlamperei, Disziplinlosigkeit sowie der systematischen Missachtung | |
von Regeln. Die Verantwortlichkeiten und die Verantwortlichen müssten | |
ermittelt und belangt werden. | |
## KSK-Kommandeur vor der Ablösung | |
Dass KSK-Kommandeur Kreitmayr auf seinem Posten bleiben wird, ist nur | |
schwer vorstellbar. „Die Einräumung der Möglichkeit, zuvor rechtswidrig | |
besessene Munition anonym zurückzugeben, läuft der Ermittlungspflicht des | |
Vorgesetzten zuwider“, wird ihm im Bericht der Task Force Munition | |
attestiert. Sein Handeln könne daher nicht nur ein Dienstvergehen | |
darstellen, sondern auch „den Verdacht einer Straftat begründen“. | |
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer lässt jetzt die Einleitung eines | |
gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen Kreitmayr prüfen. Es sei nun | |
Sache der Wehrdisziplinaranwaltschaft zu klären, ob der Brigadegeneral vor | |
ein Truppengericht gestellt werden müsse. Dabei betonte sie, dass auch in | |
seinem Fall die Unschuldsvermutung gelte und er einen Anspruch auf ein | |
„faires, sorgfältiges und transparentes Verfahren“ habe. | |
Der Bericht der Task Force Munition bezeichnet den Rückgabevorgang | |
Kreitmayrs als „beispiellos“. Gleichwohl behielt ihn die Bundeswehr lange | |
für sich. Bevor die taz die Amnestieaktion Mitte Februar öffentlich machte, | |
war sie in keiner der Informationen an den Bundestag ein Thema und blieb | |
auch gegenüber Journalist:innen unerwähnt. | |
Selbst die Verteidigungsministerin behauptet steif und fest, davon zuvor | |
nichts gewusst haben. Die Opposition hegt da ihre Zweifel. | |
Kramp-Karrenbauer bewege sich auf „sehr dünnem Eis“, kommentierte der | |
Linksparteiabgeordnete Pflüger ihre Aussagen im Ausschuss. | |
Das KSK war bereits zuvor durch [2][eine Reihe rechtsextremer Vorfälle] in | |
die Schlagzeilen geraten. Kramp-Karrenbauer hatte deshalb bereits im | |
vergangenen Jahr eine KSK-Division aufgelöst. Im Sommer will sie eine | |
Grundsatzentscheidung über die Zukunft der Elitetruppe treffen. „Wir sind | |
in der Mitte eines Prozesses“, sagte die Ministerin dazu am Mittwoch. | |
Dieser sei „weder im Positiven noch im Negativen vorentschieden“. | |
3 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Prozess-gegen-KSK-Soldat/!5746319 | |
[2] /Rechtsextreme-im-KSK/!5693516 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
Sebastian Erb | |
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