Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dämpft Corona den Zuzug in die Städte?: Berlin bleibt 'ne pralle …
> Berlins Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) ist überzeugt:
> Die Pandemie wird das Wachstum der Stadt nur kurz bremsen.
Bild: Voll, voller Berlin – erst recht, wenn mal alle Leute in der Stadt sind
Berlin taz | Was bleibt von Corona, wenn die Hochphase der Pandemie in
Europa vorbei ist? Werden die Menschen weiter in die Städte ziehen oder
steigt die Attraktivität von ländlichen Regionen, etwa weil Homeoffice nun
zur realen Option geworden ist?
Im Coronajahr 2020 ist die Berliner Bevölkerung erstmals seit mehr als zehn
Jahren nicht mehr gewachsen, die EinwohnerInnenzahl stagniert. Doch das sei
nichts weiter als eine „Delle“, glaubt [1][Stadtentwicklungssenator
Sebastian Scheel]. Der Linksparteipolitiker ist überzeugt: Die Stadt –
Deutschlands einzige Metropole, wie er am Montag vor Journalisten mehrfach
betont – wird weiter wachsen und der Bedarf an dringend benötigtem Wohnraum
und entsprechender Infrastruktur bleiben.
„Wir bereiten uns auf ein weiteres Wachstum vor“, sagt Scheel beim
Jahresausblick seiner Verwaltung. Diese Vorbereitung habe gefehlt, als in
Berlin nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation ab Ende der Nullerjahre
die aktuelle Entwicklung ihren Anfang nahm. Die Folge: Es fehlen Wohnungen,
gerade für ärmere Menschen, Schulen, Kitaplätze etc. sowie die entsprechen
Anbindung mit Straßen und ÖPNV.
„Wir haben die letzten Jahre genutzt, um vieles nachzuholen, was von der
Politik versäumt worden war“, zieht Scheel eine positive Bilanz der
rot-rot-grünen Koalition. Notwendige Planungsaufgaben seien erfolgt, gut
zwei Drittel der insgesamt von der Koalition angepeilten 30.000 neuen
Wohnungen sollen bis Ende des Jahres gebaut sein.
## Ambitionierte Ziele
„Es war klar, dass unser Ziel angesichts eines Starts von null auf hundert
ambitioniert war“, so Scheel. Vor diesem Hintergrund sprach er von einer
„sehr erfolgreichen Umsetzung des Wohnungsbauprogramms“. Selbst aus der
Koalition waren Scheel und seine Vorgängerin Katrin Lompscher immer wieder
kritisiert worden, dass der Neubau zu langsam gehe.
Laut der offiziellen Bevölkerungsprognose sollen in Berlin im Jahr 2030 gut
3,9 Millionen Menschen leben. 2018 waren es 3,75 Millionen, noch 2010 nur
knapp 3,4 Millionen. Scheel glaubt fest daran, dass diese Prognose
eintreffen wird. Ein Grund dafür: Deutschland werde dank massiver
staatlicher Unterstützung für Unternehmen besser aus der Coronakrise
herauskommen als viele andere europäische Länder und werde attraktiver für
Jobsuchende aus jenen Ländern. Damit werde die jüngste Entwicklung
fortgesetzt, denn das Bevölkerungswachstum Berlins in den vergangenen
Jahren ist maßgeblich auf Zuzug aus anderen EU-Staaten zurückzuführen.
Und trotz verbesserter Datenleitungen werde es „auf absehbare Zeit“ keinen
Boom ländlicher Räume geben, ist sich der Senator sicher. „Der direkte
Kontakt zwischen Mitarbeitern ist wichtig für Innovationsprozesse“, das
werde nicht digital eins zu eins zu ersetzen sein. Das Aufeinandertreffen
unterschiedlichster Menschen mache die Innovationsfähigkeit einer Metropole
aus und ermögliche so neue Entwicklungen. Diese Entwicklung einzuplanen und
vorzubereiten bleibe zentral.
Allerdings: „Durch das digitale Arbeiten wird sich etwas verändern“,
gesteht Scheel zu. Deswegen werde man sich den geplanten Bedarf an
Büroflächen noch einmal genau anschauen und auch über Umnutzung sprechen.
## Holz in der Hütte
Was den Neubau von Gebäuden und ganzen Quartieren angeht, will Scheel die
Auswirkungen auf die Klimakrise künftig deutlich stärker berücksichtigen.
Dazu gehört zum Beispiel der Einsatz von Holz als Baustoff: Berlin soll in
dieser Hinsicht gar „internationales Leuchtturmprojekt“ werden, etwa mit
dem geplanten Schumacher-Wohnquartier auf dem einstigen Flughafen Tegel.
„Wir wollen Holz aus der Region hier verarbeiten und verbauen und damit für
die europäische Baukultur Akzente setzen.“
Mit dem [2][vor einem Jahr in Kraft getretenen Mietendeckel] will die
Koalition wiederum die Verdrängung bereits hier lebender BerlinerInnen aus
der Stadt verhindern. Und der Deckel zeige Wirkung, so Scheel: In den
vergangenen zehn Jahren hatten sich die Angebotsmieten verdoppelt, nun
seien sie wieder gesunken, freut sich der Senator. „Das ist ein ziemliches
Alleinstellungsmerkmal in deutschen Großstädten.“
Es sei richtig gewesen, mit dem Gesetz politisches und juristisches Neuland
zu betreten, so Scheel. Er hoffe nun auf eine schnelle juristische Klärung
durch das Bundesverfassungsgericht, wo das Gesetz nach Klagen von mehreren
Bundestagsfraktionen nun liegt. Im zweiten Quartal, so das Gericht, will es
eine Entscheidung treffen. Scheel gibt sich optimistisch, dass das Gericht
dem Land hier die Gesetzgebungskompetenz zuspricht.
## „Erstaunliche Kreativität“
Eindringlich mahnt er die VermieterInnen, die Vorgaben des Mietendeckels
einzuhalten. Zwar sei dies bei den meisten der Fall, doch es gebe auch
„eine erstaunliche Kreativität, den Mietendeckel umgehen zu wollen“, etwa
durch Schattenmieten, Drohungen oder Zusatzvereinbarungen. „Die meisten
Umgehungen sind schlicht gesetzeswidrig. Wir gehen konsequent dagegen vor“,
so Scheel. Das mögliche Bußgeld von bis zu 500.000 Euro sei keine bloße
Drohung.
Sollte der Deckel juristisch Bestand haben, dürfte die Mietenpolitik auch
in Städten wie München noch einmal eine ganz andere Dynamik bekommen, so
Scheel. Er geht davon aus, dass der Mietendeckel in Berlin auf fünf Jahre
begrenzt bleibt, hofft aber auf bundesweite Regelungen: „Wir brauchen eine
Regulierung des Marktes, und das wird nicht immer einvernehmlich
funktionieren.“ Erst recht, wenn das Wachstum der Städte tatsächlich
weitergeht.
22 Feb 2021
## LINKS
[1] /Berlins-Bausenator-ueber-Mietendeckel/!5728068
[2] /Naechste-Stufe-des-Berliner-Mietendeckels/!5725820
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Metropolen
Sebastian Scheel
Wachstumsprognose
Berlin
Mietendeckel
Airbnb
Finanzsenator Matthias Kollatz
R2G Berlin
Immobilienspekulation
Sebastian Scheel
Mietendeckel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fakten über die Bevölkerung von Berlin: Lebendige Zahlen
Leben in Berlin noch Menschen Jahrgang 1907? Die Antwort und viele weitere
Erkenntnisse ergeben sich aus einer kleinen Anfrage.
Gewerkschaften blicken auf Wahl voraus: DGB lobt rot-rot-grünen Senat
Gewerkschaftsbund sieht seit Start der Koalition 2016 „wichtige
Fortschritte für die Stadt“. Beim Thema Enteignung positioniert sich der
DGB nicht.
Schärferes Zweckentfremdungsverbot: Wie knackt man Airbnb?
Ferienwohnungen lassen die Mietpreise in der Nachbarschaft steigen. Berlins
Bausenator will die Regulierung verschärfen – und stößt auf Kritik.
Klare Kante im Abgeordnetenhaus: Kritik an Härtig ist „schäbig“
Der SPD-Finanzsenator verurteilt Angriffe von Linkspartei und Grünen auf
die Ernennung des neuen Chefs der Wohnraumversorgung Berlin.
Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen: Koalition spricht über Enteignung
Ein Treffen der Fraktionsspitzen mit der Initiative verläuft überraschend
konstruktiv. Übernimmt R2G das Anliegen der Initiative noch vor einem
Volksentscheid?
Berliner wehren sich gegen Heimstaden: Heimstaden bekommt Grenzen gezeigt
Das Ringen um Abwendungsvereinbarungen für 2.200 Wohnungen mit dem
schwedischen Immobilien-Investor geht in die heiße Phase.
Berlins Bausenator über Mietendeckel: „Dieser Markt gehört reguliert“
Sebastian Scheel zieht eine positive Bilanz des Deckels: Die meisten
Vermieter halten sich dran, die Mieten sinken. Ein Problem sind
Schattenmieten.
Nächste Stufe des Berliner Mietendeckels: Schlechtes Image, große Wirkung
Eingefrorene Mieten, fallende Preise bei Wiedervermietung. Nun kommt ab 23.
November auch die Absenkung überhöhter Mieten in 340.000 Wohnungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.