# taz.de -- Einstufung durch den Verfassungsschutz: Drei Szenarien für die AfD | |
> Ob der Verfassungsschutz die AfD als „Verdachtsfall“ bezeichnen darf, | |
> klärt sich wohl erst in Monaten. Worauf es nun ankommt. | |
Bild: Extremismus getarnt hinter „Meinungsfreiheit“: Der Thüringer AfD-Che… | |
FREIBURG taz | Auf das Verwaltungsgericht Köln kommt es an. Dort ist das | |
Eilverfahren der AfD gegen die mutmaßliche Einstufung der Partei als | |
rechtsextremistischer „Verdachtsfall“ durch das Bundesamt für | |
Verfassungsschutz (BfV) anhängig. Das Gericht könnte kurz vor der | |
Bundestagswahl im September entscheiden, aber vielleicht auch erst danach. | |
Am vergangenen Mittwoch lehnte das Verwaltungsgericht Köln zwar eine | |
[1][Zwischenentscheidung zugunsten der AfD] ab – aber nur deshalb, weil der | |
Verfassungsschutz weitreichende Stillhaltezusagen gemacht hatte. Diese | |
Zusagen sind ein erster Erfolg des vorbeugenden AfD-Eilantrags. | |
Zunächst hatte der Verfassungsschutz am 22. Januar zugesagt, er werde eine | |
Einstufung der AfD als Verdachtsfall nicht öffentlich bekannt machen, | |
solange das Gericht über den Eilantrag der Partei berät. Das ist im | |
Beschluss des Verwaltungsgerichts nachzulesen, der der taz vorliegt. | |
Damit war die AfD aber offensichtlich noch nicht zufrieden. Denn der | |
Verfassungsschutz besserte [2][seine Stillhaltezusage] am 27. Januar nach. | |
Das Amt werde eine etwaige Einstufung auch nicht nutzen, um | |
AfD-MandatsträgerInnen und AfD-WahlbewerberInnen nachrichtendienstlich zu | |
überwachen. Das genügte nun dem Verwaltungsgericht Köln, um noch am selben | |
Tag den AfD-Antrag als nicht mehr notwendig abzulehnen. | |
## Abgeordnete werden nicht ausgespitzelt | |
Damit sind AfD-Landtags-, Bundestags- und Europa-Abgeordnete sowie | |
entsprechende KandidatInnen bis auf Weiteres vor Telefonüberwachung und | |
V-Leuten des Bundesamts geschützt. Für AfD-Vorstandsmitglieder ohne Mandat | |
und Kandidatur gilt die Stillhaltezusage des BfV aber nicht. Auch | |
FunktionärInnen der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ sowie des | |
angeblich aufgelösten Rechts-außen-„Flügels“, die schon länger überwac… | |
werden dürfen, sind hier nicht mitgemeint. | |
Die Stillhaltezusage des Bundesamts gilt bis zum Abschluss des | |
erstinstanzlichen Eilverfahrens. Wann dieser sein wird, kann das Kölner | |
Verwaltungsgericht noch nicht sagen. Doch so viel ist klar, es geht hier um | |
Monate, nicht um Wochen oder gar Tage. Immerhin müssen die RichterInnen zum | |
Beispiel das rund [3][1.000-seitige Gutachten] durcharbeiten, auf das das | |
Bundesamt laut Medienberichten die Einstufung der AfD als Verdachtsfall | |
stützen will. | |
Zwar muss das Bundesamt im Eilverfahren die Sach- und Rechtslage nur | |
„summarisch“, also überschlägig, prüfen. Bei einer komplexen Lage und | |
schwerwiegenden Eingriffen kann dies freilich geraume Zeit dauern. | |
Der zeitliche Aufschub nutzt zunächst der AfD. Selbst wenn der | |
Verfassungsschutz die Partei in der vorigen Woche, wie wohl geplant, als | |
bundesweiten Verdachtsfall eingestuft hat, darf das Amt nicht darüber | |
reden. Die ersten Landtagswahlkämpfe im März beginnen für die AfD also ohne | |
entsprechende Belastung. Für den weiteren Fortgang sind dann aber drei | |
Szenarien zu unterscheiden. | |
## Eigentor oder reine Weste? | |
Im ersten Szenario hätte die AfD mit ihrer vorbeugenden Klage ein Eigentor | |
geschossen. Wenn das Verwaltungsgericht Köln die Einstufung der AfD als | |
rechtsextremistischen Verdachtsfall erst kurz vor der Bundestagswahl | |
bestätigt, wäre dies ein Paukenschlag, der die Partei in diesem heiklen | |
Moment stark verunsichern würde. Auch das Werben um konservative | |
CDU/CSU-Anhänger wäre dann ausgerechnet in der entscheidenden Phase des | |
Bundestagswahlkampfs massiv erschwert. | |
Das haben die AnwältInnen der Partei vermutlich bedacht. Sie scheinen also | |
auf das zweite Szenario zu hoffen. Danach würde das Verwaltungsgericht Köln | |
kurz vor der Bundestagswahl feststellen, dass die Einstufung der AfD | |
rechtswidrig war. Die Partei wäre damit nicht nur entlastet, sondern könnte | |
sich zugleich auch in der heißen Phase des Wahlkampfs als unschuldiges | |
Opfer der Altparteien darstellen. | |
Denkbar ist allerdings auch, dass sich die VerwaltungsrichterInnen ganz aus | |
dem Bundestagswahlkampf heraushalten und die summarische Prüfung bis in den | |
Oktober oder das nächste Jahr hinein ziehen. Ungewöhnlich wäre eine | |
derartige Dauer nicht. 7,5 Prozent aller Eilverfahren an | |
Verwaltungsgerichten dauern in NRW länger als sechs Monate. Auch das würde | |
unter dem Strich aber der AfD im Wahlkampf nützen. | |
1 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Einstufung-durch-den-Verfassungsschutz/!5747906 | |
[2] /Einstufung-des-Verfassungsschutzes/!5743152 | |
[3] /Einstufung-durch-Verfassungsschutz/!5745509 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Verfassungsschutz | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Rechtsextremismus | |
Schwerpunkt AfD in Berlin | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Verfassungsschutz | |
Hans-Georg Maaßen | |
Schwerpunkt Landtagswahl in Sachsen-Anhalt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Berliner Verfassungsschutz: „Enormer Schaden“ | |
Innensenator Geisel kündigt eine gründliche Untersuchung des Berliner | |
Verfassungsschutzes an. Hintergrund: der Leak eines AfD-Berichts. | |
Der Verfassungsschutz und die AfD: Verdachtsfall AfD Sachsen | |
Der Verfassungsschutz stuft einen weiteren AfD-Verband als rechtsextremen | |
Verdachtsfall ein. Die Landespartei kann damit nachrichtendienstlich | |
überwacht werden. | |
Bertelsmann-Studie zur AfD: Wie rechts ist die AfD? | |
Eine neue Studie zeigt: Rassismus ist der Markenkern der AfD. Viele ihrer | |
WählerInnen bleiben ansprechbar für demokratische Parteien. | |
Einstufung durch den Verfassungsschutz: Gericht lehnt AfD-Antrag ab | |
Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die AfD zunächst als | |
rechtsextremen Verdachtsfall einstufen. Nur reden darf es darüber nicht. | |
Ehemaliger Chef des Verfassungsschutzes: Maaßen verlässt Kanzlei Höcker | |
Hans-Georg Maaßen gibt seinen Job bei der Anwaltskanzlei Höcker auf. Deren | |
Jurist:innen vertreten die AfD in einem Verfahren gegen den | |
Verfassungsschutz. | |
Verfassungschutz in Sachsen-Anhalt: AfD-Landesverband unter Beobachtung | |
Der Verfassungsschutz stuft die AfD Sachsen-Anhalt als rechtsextremen | |
Verdachtsfall ein. Die Einstufung der Bundespartei hängt in der Schwebe. |