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# taz.de -- Winterwetter in Deutschland: Im Schneesturm durch die Klimakrise
> Es ist in vielerorts gerade kalt – trotz Erderhitzung. Obwohl das
> intuitiv nicht zusammenpasst, gibt es dafür gute Erklärungen.
Bild: Rodeln geht manchmal trotz oder sogar wegen der Klimakrise
Berlin taz | Es schneit wie verrückt, die Temperaturen scheinen im freien
Fall: Vor allem der Norden Deutschlands erlebt aktuell ein Winterwetter wie
aus einem alten Bilderbuch. Auch andere Regionen von Mitteleuropa sind
betroffen.
Die Fridays-for-Future-Initiatorin Greta Thunberg [1][beklagte kürzlich auf
Twitter], dass jetzt wieder darüber debattiert werde, ob es den Klimawandel
überhaupt gibt. Kaltes Wetter und Erderhitzung, passt das zusammen?
Mehr Schneefall bei Winterstürmen sei eine erwartbare Folge des
Klimawandels, weil auf einem wärmeren Planeten mehr Wasser in die
Atmosphäre verdunste, zitiert Thunberg Klimaexpert:innen. „Das sollte
natürlich mittlerweile allgemeines Grundwissen sein, aber anscheinend ist
das nicht so“, beklagt die 18-Jährige.
Erst einmal ist Wetter nicht dasselbe wie das Klima. Wetter ist das, was
wir jeden Tag erleben: Mal scheint die Sonne, mal regnet es, mal ist es
warm – und mal bitterkalt, wie aktuell in Norddeutschland. Das Klima ist
das Wetter über einen langen Zeitraum gemittelt, üblicherweise setzt man 30
Jahre an. Ein einzelner Schneesturm ist deshalb von vornherein kein
Argument gegen den Klimawandel, denn der globale Temperaturtrend geht eben
nach oben.
## Die Erderhitzung kann auch Kälte verursachen
Manchmal ist kaltes Winterwetter aber gar kein Ausreißer aus dem
Gesamttrend, sondern gerade ein Indiz dafür. Nämlich wenn Luftströme in
Regionen wandern, in denen sie eigentlich nichts zu suchen haben. Das
aktuelle Winterwetter könnte so ein Fall sein.
„Wir stecken ja jetzt noch mittendrin“, sagt Karsten Friedrich vom
Deutschen Wetterdienst. „Noch können wir keine gesicherten Aussagen dazu
treffen, wie das aktuelle Wetter mit dem Klimawandel zusammenhängt.“
Der extreme Wintereinbruch in der Nordhälfte Deutschlands könnte aber eine
Folge einer Störung des Polarwirbels sein. Das ist ein Wirbel aus
Frostluft, der sich im Winter über dem kalten Nordpol in der Stratosphäre
ausbildet – in 10 bis 50 Kilometer Höhe. Er wird normalerweise von
kräftigen Winden umschlossen, die über 250 Stundenkilometer schnell sind.
Sie wirken wie eine Mauer und sorgen dafür, dass die eisige polare Luft
nicht entweichen kann.
Allerdings kann es geschehen, dass warme Luft in den Polarwirbel eindringt
und ihn dann sogar teilt – und das könnte vor einigen Wochen passiert sein.
Die Rede ist dann von einem „Polarwirbel-Split“. Dann kann sehr kalte Luft
in niedrigere Breitengrade strömen, wo es normalerweise wärmer wäre.
Es liegt nahe, dass dieser Vorgang mit dem Klimawandel häufiger auftritt,
empirische Daten gibt es laut dem Deutschen Wetterdienst aber bisher noch
weniger als etwa zu sommerlichen Hitzewellen.
Hinzu kommt der Effekt, den Greta Thunberg anspricht: Generell kann wärmere
Luft mehr Wasser in Form von Wasserdampf aufnehmen, pro Grad Erwärmung sind
es 7 Prozent. Bei entsprechender Wetterlage können deswegen Niederschläge
stärker ausfallen – je nach Temperatur entweder als Regen oder bei
niedrigen Temperaturen auch als Schnee.
Insgesamt ist auch die aktuelle Wintersaison in Deutschland bisher im
Übrigen nicht auffällig kalt – ganz im Gegenteil. [2][Der Dezember] war in
Deutschland zwar größtenteils trüb und ungemütlich, aber unterm Strich
deutlich zu warm. Durchschnittlich herrschten 3 Grad. Das liegt um 2,2 Grad
über dem Schnitt der Jahre 1961 bis 1990.
[3][Im Januar] war es mit durchschnittlich 0,6 Grad immer noch 1,1 Grad zu
warm. Auch in der Vergleichsperiode hatte die Erderhitzung ja längst
begonnen, sodass auch sie schon über dem Niveau vorindustrieller Zeiten
lag.
Wie der Winter alles in allem ausfallen wird, lässt sich noch nicht sagen.
Der Februar als dritter Monat fehlt schließlich größtenteils noch. Um die
zu warmen Monate Dezember und Januar auszugleichen, müsste er
logischerweise deutlich zu kalt sein. Generell hat sich das Klima in
Deutschland gegenüber vorindustrieller Zeit um rund 1,5 Grad erwärmt.
8 Feb 2021
## LINKS
[1] https://twitter.com/gretathunberg/status/1352314735585357829
[2] https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2020/20201230_deutschlan…
[3] https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2021/20210129__deutschla…
## AUTOREN
Susanne Schwarz
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