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# taz.de -- Mieten in Hamburg: Kleine Wohnung, teure Wohnung
> Die vom Jobcenter übernommenen Mieten sind in Hamburg in den vergangenen
> Jahren doppelt so stark gestiegen wie im Bundesdurchschnitt.
Bild: Können sich viele kaum leisten: Wohnen in Hamburg
Hamburg taz | Der [1][Wohnungsmarkt] für Geringverdiener scheint sich in
Hamburg in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert zu haben.
Darauf deutet eine Auswertung des Hannöverschen Pestel-Instituts hin, nach
der die vom Jobcenter übernommenen Mieten für Single-Haushalte innerhalb
von gut sechs Jahren (März 2014 bis August 2020) um fast 55 Prozent
gestiegen sind. Die Verbraucherpreise legten in diesem Zeitraum nur um 6,5
Prozent zu.
„Bei den Mieten wird oft rausgeholt, was rauszuholen ist“, sagt der Leiter
des [2][Pestel-Instituts], Matthias Günther. Dabei bauten Vermieter auf die
Jobcenter als „zuverlässige Zahlstelle“. Das Institut geht auf Eduard
Pestel, einen Mitbegründer des Club of Rome, zurück und befasst sich nach
eigenen Angaben mit Forschung und Beratung zu Nachhaltigkeitsthemen.
Dem Institut zufolge ist die Hamburger Entwicklung auch im Vergleich mit
anderen Städten besonders drastisch. Bremen verzeichnete nur einen Anstieg
von knapp 28 Prozent, Kiel 25 und die Region Hannover knapp 27 Prozent –
Bundesdurchschnitt. Den Spitzenwert in Niedersachsen erreicht Vechta mit 48
Prozent, was Günther überrascht.
Brisant findet er, dass der Mietenanstieg Wohnungen einfachen Standards
betreffe – nur für diese übernimmt das Jobcenter [3][bis zu gewissen
Grenzen] die Miete. „Auf genau diese Wohnungen sind aber nicht nur
Hartz-IV-Empfänger angewiesen, sondern eben auch die vielen anderen
Haushalte mit niedrigen Einkommen“, sagt Günther. Das Angebot an günstigen
Wohnungen sei rar. Gerade Neuvermietungen nutzten viele Vermieter, um
abzusahnen.
## „Überproportionaler Anstieg der niedrigen Mieten“
Die Analyse des Pestel-Instituts stütze das, was der [4][Mieterverein zu
Hamburg] seit Langem wiederhole, sagt dessen Vorsitzender Siegmund Chychla.
Jedes Frühjahr werteten Schüler des Gymasiums Ohmmor die Immobilienanzeigen
diverser Online-Portale sowie des Hamburger Abendblatts aus. „Insbesondere
in den vergangenen Jahren haben wir dabei einen überproportionalen Anstieg
der niedrigen Mieten festgestellt“, sagt Chychla. Die Mieten der
angebotenen Wohnungen lägen im Schnitt 50 Prozent über denen im offiziellen
[5][Mietenspiegel].
Dieser wird alle zwei Jahre erhoben. Im Vergleich der Jahre 2013 und 2019
ergibt sich darin ein durchschnittlicher Preisanstieg über alle Wohnungen
von 14 Prozent. Bezogen auf die kleinsten Wohnungen in einfacher Lage
beträgt der Anstieg 17 Prozent.
Dass der Anstieg hier nicht so krass ausfällt, ist aber nicht überraschend,
denn der Mietenspiegel erfasst den Preisanstieg der Bestandsmieten, dem ein
größeres Trägheitsmoment innewohnt als dem Markt für Neuvermietungen.
Geringverdiener und Transferleistungsempfänger zögen überdurchschnittlich
häufig um, sagt Chychla, was einen entsprechenden Anstieg der Kosten nach
sich ziehen könnte. Dazu komme die große Konkurrenz um die kleinen
Wohnungen. Mehr als die Hälfte der Hamburger lebt allein.
Pestel-Chef Günther befürchtet, dass der Staat unfreiwillig als
Preistreiber agieren könnte. „Weil der Staat erpressbar ist, muss er
mangels eigener Wohnungen alles an Mieten zahlen, was irgendwo aufgerufen
wird“, sagt er. Schließlich könne er ja nicht zulassen, dass die Menschen
auf der Straße landen.
Allerdings sind 40 Prozent der Mietwohnungen in Hamburg in der Hand der
städtischen Saga sowie der Wohnungsbaugenossenschaften, gemeinsam
organisiert im [6][Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)]. Sie
verweisen stets auf ihre günstigen Durchschnittsmieten und deren
preisdämpfende Wirkung. „VNW-Unternehmen nutzen bei der Neuvermietung einer
Wohnung keineswegs immer die zulässigen Erhöhungsspielräume aus, sondern
bleiben oft deutlich darunter“, sagt [7][VNW-Direktor Andreas Breitner].
## Das Jobcenter verweist auf die Coronakrise
Eine Erklärung für die vom Pestel-Institut ermittelte Entwicklung könnte
Breitner zufolge der Anstieg der Mietnebenkosten wie Aufwendungen für
Heizung, Warmwasser und Kabelanschluss sein, die der Senat zu den Kosten
der Unterkunft rechnete. „Gerade die Kosten der sogenannten zweite Miete
sind in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen“, sagt Breitner.
Das Jobcenter verweist als mögliche Erklärung auf die Coronakrise. Im März,
zur Zeit des Lockdowns, der das Einkommen vieler Menschen einbrechen ließ,
sei der Zugang zur Grundsicherung vereinfacht worden, sagt Luisa Deistung
vom Jobcenter. „Alle, die bei uns Leistungen beantragt haben, bekommen die
vollen Wohnkosten.“
30 Jan 2021
## LINKS
[1] /Mietenpolitik-in-Hamburg/!5734204
[2] https://www.pestel-institut.de/eduard-pestel-das-institut/
[3] /Mietobergrenzen-fuer-Sozialhilfeempfaenger/!5668732
[4] https://www.mieterverein-hamburg.de/de/
[5] /Wohnen-in-Hamburg/!5640584
[6] https://www.vnw.de/vnw/
[7] /Streitgespraech-ueber-Mieteninitiative/!5734222
## AUTOREN
Gernot Knödler
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Wohnen
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