Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Mietpreise in Niedersachsen: Minister will weniger bremsen
> In manchen Städten sei eine Mietpreisbremse nicht mehr nötig, findet
> Niedersachsens Bauminister Olaf Lies. Die betreffenden Kommunen sind
> verwundert.
Bild: Hier gilt die Mietpreisbremse weiterhin: Hannover
Hamburg taz | Niedersachsens Bauminister Olaf Lies (SPD) will am Dienstag
im rot-schwarzen Kabinett seine Reform der niedersächsischen
Mietpreisbremse einbringen. Die zentrale Neuerung ist dabei, dass die
Mietpreisbremse künftig in weniger Städten gelten soll als bislang. Ein
Indiz für eine Entspannung am Wohnungsmarkt? – Mitnichten, meint der
Mieterbund.
Bislang gilt die 2016 in Kraft getretene Mietpreisbremse in Braunschweig,
Göttingen, Hannover, Langenhagen, Lüneburg, Oldenburg und Osnabrück. Neu
hinzu kommen Gifhorn und Laatzen. Auf den sieben Nordseeinseln wird sie
weiterhin gelten. Künftig nicht mehr gelten soll sie allerdings in Vechta,
Leer, Buchholz, Buxtehude und Wolfsburg. Das macht unterm Strich einen
Rückgang um drei Städte.
Diesen Rückgang sieht das Bauministerium als Erfolg. „Aufgrund der
kommunalen Bautätigkeit hat sich in einigen Städten die
Mietpreisentwicklung entspannt“, sagt Ministeriumssprecher Gunars
Reichenbachs. Dabei folgt die Landesregierung einer einfachen Logik: In je
weniger Städten die Mietpreisbremse gilt, desto besser sieht die Lage am
Wohnungsmarkt aus. Schließlich würden die Kriterien zur Aufnahme in die
Liste gleich bleiben.
Genau das aber stellt der Mieterbund in Frage. Denn für den ist es
unerklärlich, wie auch Wolfsburg aus der Liste geworfen werden könne.
[1][In keiner anderen größeren niedersächsischen Stadt ist der Mietpreis im
vergangenen Jahrzehnt derart gestiegen.] Dort betrug die Preissteigerung
zwischen 2012 und 2018 sagenhafte 63 Prozent. „Es ist nicht das Signal, was
man angesichts der weiter steigenden Mietpreise erwartet hätte“, sagt
Reinold von Thadden vom niedersächsischen Mieterbund.
## Das Mietniveau steigt
Hinzu kommen mit Buchholz und Buxtehude zwei Städte, die im Hamburger
Speckgürtel liegen. Dort ist die Verwunderung über Lies’ Entscheidung groß.
„Da wir keinen Mietspiegel haben, können wir nicht einmal verlässlich
sagen, ob die Mietpreisbremse bislang gewirkt hat oder nicht“, sagt etwa
der Sprecher der Stadt Buchholz, Heinrich Helms. Ohnehin sei die Verwaltung
in Buchholz bereits bei der Einführung skeptisch gewesen, ob sie etwas
gegen die massive Steigerung der Mietpreise bringen werde.
Auch die Stadt Buxtehude wundert sich, nicht vom Ministerium informiert
worden zu sein. Gleichwohl habe die Mietpreisbremse keinerlei Wirkung
gezeigt: „Wir haben ein hohes Mietniveau und es ist in den vergangenen
Jahren weiter gestiegen“, sagt der Rathaussprecher Ralf Dessel.
Das Ministerium hingegen stützt sich auf Daten, die die landeseigene
Förderbank NBank erhoben hat. Und die sehe eine Entspannung in den
betreffenden Städten. „Deshalb haben wir die Auswahl an die neue Realität
angepasst“, sagt Behördensprecher Reichenbachs.
Abgesehen von der Städteauswahl hofft der Mieterbund vor allem darauf, dass
der restliche Inhalt der Reform die Unzulänglichkeiten der bestehenden
Verordnung korrigiert. Denn das bisherige Urteil über die Mietpreisbremse
in Niedersachsen ist, wie auch in anderen Bundesländern, vernichtend. „Die
bisherige Mietpreisbremse war wegen ihrer vielen Ausnahmen ein
Rohrkrepierer“, sagt von Thadden.
[2][Pikanterweise dürfte sie in ihrer gegenwärtigen Textform ohnehin
ungültig sein.] So zumindest sieht es das hannoversche Landgericht. In
einem anhängigen Verfahren äußerte das Gericht die Vermutung, dass es bei
der Einführung formelle Fehler gegeben habe. Die Landesregierung habe
vergessen, bei der Veröffentlichung der Verordnung eine Begründung
mitzuliefern. Endgültig befinden will das Gericht darüber in zwei Wochen.
Beim Bauministerium heißt es, dass die Entscheidung des hannoverschen
Gerichts keinen Einfluss auf die bestehende Verordnung haben werde, weil
das Gericht nur über einen Einzelfall entscheide. Und auch nicht darauf,
dass ausgerechnet jetzt die Reform in Gang gebracht werden soll. Dies sei
eigentlich schon etwas früher geplant gewesen, wegen der Coronapandemie
habe sich die Reform aber verzögert.
## Kein Mietendeckel in Sicht
Einen Mietendeckel, wie es ihn in Berlin gibt, hält das Bauministerium
weiter für wenig hilfreich. „Wir wollen über den sozialen Wohnungsbau
weiter vorankommen“, sagt Reichenbachs. Dabei schiebt auch das Ministerium
ein, dass die finanziellen Anreize des Landes zum Bau von sozialem Wohnraum
derzeit wenig genutzt werden.
Da die Zinsen derzeit niedrig sind, leihen sich private Bauherren eher das
nötige Geld, als auf staatliche Zuschüsse zu setzen, mit denen die
Verpflichtung einhergehen würde, sozialen Wohnraum zu schaffen.
Nach derzeitigem Stand scheint darüber hinaus auch die Coronapandemie
bundesweit [3][keinen Einfluss auf den stetig steigenden Mietpreis zu
haben]. Ökonom*innen hatten zu Beginn der Pandemie noch vermutet, dass die
Miet- und Immobilienpreise sinken könnten.
Doch eine Studie des Hamburger Gewos-Instituts für Stadt-, Regional- und
Wohnforschung und des Portals Immobilienscout24 zeigt das Gegenteil:
„Bisher lässt sich kein Corona-Einbruch am deutschen Immobilienmarkt
ablesen“, sagte Gewos-Geschäftsführerin Carolin Wandzik.
3 Aug 2020
## LINKS
[1] /Archiv-Suche/!5622895&s=miete+wolfsburg&SuchRahmen=Print/
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Mie…
[3] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/immobilien-wohnungsmieten-steigen-tr…
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Mietpreisbremse
Wohnungspolitik
Niedersachsen
Deutscher Mieterbund
Wohnen
Verdrängung
Notunterkunft
Niedersachsen
Mietenpolitik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Mieten in Hamburg: Kleine Wohnung, teure Wohnung
Die vom Jobcenter übernommenen Mieten sind in Hamburg in den vergangenen
Jahren doppelt so stark gestiegen wie im Bundesdurchschnitt.
Umwandlungen in Eigentumswohnungen: Kabinett beschließt Gesetzentwurf
Der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen soll erschwert werden. Die
Bundesregierung will damit den angespannten Wohnungsmarkt beruhigen.
Schadstoffe in Obdachlosenunterkunft: Gleichgültige Behörden
Schon vor der Eröffnung einer Notunterkunft in Hannover wusste die Stadt
von erhöhten Schadstoffwerten im Boden. Dort lebten vor allem Kinder.
Wohnraum in Niedersachsen: Die neue soziale Frage
Trotz Mietpreisbremse und Zweckentfremdungssatzung wird der Wohnungsmarkt
in Niedersachsen immer enger.
Wohnraum in Hamburg: Mutige Politik sieht anders aus
Der Hamburger Senat brüstet sich mit seiner Wohnungspolitik, dabei kommt
die vor allem Investor*innen zugute.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.