# taz.de -- Hamburger Synagogendebatte: Feigenblätter im Grindelviertel | |
> In der Diskussion um den Hamburger Synagogen-Wiederaufbau herrscht kein | |
> Mangel an Hintergedanken und Böswilligem. | |
Bild: Themen zusammengerührt? Initiator Daniel Scheffer und Katharina Fegebank… | |
Hamburg taz | Warum, könnte man fragen: Warum, eigentlich, ist es von | |
Bedeutung, was der Rechtsanwalt Gerhard Strate denkt zur kommende Woche | |
endenden [1][Kampagne für die Bornplatzsynagoge – und gegen Antisemitismus] | |
gleich mit? | |
Nun ist Strate nicht irgendwer. Der 70-Jährige „gehört zu Deutschlands | |
prominentesten Strafverteidigern“, schrieb [2][dieser Tage das Abendblatt], | |
und zwar anlässlich eines Gastbeitrags, überschrieben mit: „Neubau der | |
Bornplatzsynagoge: Ja, aber ohne Hintergedanken!“ Die Politik dürfe „den | |
Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge nicht als Feigenblatt missbrauchen“, so | |
die prominent gesetzte These, und man wäre geneigt, zuzustimmen. | |
Denn es ist ja, vorsichtig gesprochen, dubios, wie manche – nicht jüdische | |
– Unterstützer des Projekts da erkennbar hinaus wollen auf die | |
Wiederherstellung einer alten, nämlich nicht von den Nazi-Verbrechen | |
belasteten Größe. | |
Das finden Sie übertrieben? Mal ehrlich: Wer, wie [3][neulich ein | |
Abendblatt-Gastautor mit Bundestagsmandat], allen Ernstes im Grindelviertel | |
„so etwas wie eine moralische Elbphilharmonie des 2020er-Jahrzehnts für | |
Hamburg“ entstehen sieht: Will der wirklich etwas anderes als endlich diese | |
verdammte deutsche Schuld los sein dürfen? | |
## Ist, wer gegen den Wiederaufbau ist, automatisch Antisemit? | |
Muss sich aber, wer noch den vorsichtigsten Einwand äußert gegen solches | |
Wiederherstellenwollen; muss sich so jemand des Antisemitismus bezichtigen | |
lassen? Denn so lässt sich, ohne bösen Willen, die nun endende Kampagne ja | |
auch lesen: Wer nicht für uns ist, der ist vom Allerschlimmsten. „Danke“, | |
also möchte man rufen, „Herr Star-Anwalt!“ | |
Strate geht es aber um ein anderes „Feigenblatt“: Er stößt sich daran, da… | |
unter den 100.000 Unterstützer:innen, die [4][die Kampagne] bis Mittwoch | |
zusammenhaben will, auch solche sind, deren Verhalten an anderer Stelle das | |
Bekenntnis widerlege: „Wer als Antisemit mit der Zeit gehen möchte, nennt | |
sich heute Antizionist“, schreibt Strate durchaus auf Höhe der Forschung. | |
Mehr noch: Lange schon sähen „deutsche Politiker dem Überlebenskampf des | |
jüdischen Staats nicht nur seelenruhig zu“, so Strate unter Hinweis auch | |
auf das „fragwürdige deutsche Abstimmungsverhalten bei den Vereinten | |
Nationen“. Wer aber könnte daran etwas ändern, wenn nicht Heiko Maas, | |
Bundesaußenminister und Bornplatzunterstützer? | |
Dass der Jurist auch noch andere verborgene Talente offenbart, indem er | |
etwa dem Hamburger Bundestagsabgeordneten Niels Annen, „seines Zeichens als | |
parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen tätig“ | |
aus der Ferne „einen obsessiven Drang zur ‚Israelkritik‘“ zu | |
diagnostizieren weiß: geschenkt. Sowas ist normal, streiten Deutsche | |
untereinander über Israel, das dann freilich kaum mehr ist als ein Bettuch, | |
auf das die hiesigen Bedürfnisse sich projizieren lassen. | |
Die gezielte Verquickung dieser verwandten, aber eben nicht identischen | |
Themen wiederum, das Haftbarmachen hiesiger jüdischer Menschen für die Lage | |
im Nahen Osten nämlich: Das liegt traditionell ganz oben auf – allerdings | |
gerade auch im antisemitischen Werkzeugkasten. | |
24 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Kampagne-gegen-Antisemitismus-in-Hamburg/!5724012 | |
[2] https://www.abendblatt.de/meinung/article231376011/wiederaufbau-bornplatz-s… | |
[3] https://www.abendblatt.de/hamburg/article231296952/Bornplatzsynagoge-Wieder… | |
[4] https://www.bornplatzsynagoge.org/ | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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