# taz.de -- Kampagne gegen Antisemitismus in Hamburg: Dem Haus eine Krone | |
> Nach 82 Jahren kehrt ein Stück Torahschmuck aus der 1939 zerstörten | |
> Hamburger Synagoge zurück. Das soll die Kampagne für einen Neubau | |
> beflügeln. | |
Bild: Früher Unterzeichner: Rabbiner Shmuel Havlin unterschreibt auf dem Kampa… | |
HAMBURG taz | Nein, diese Wunde ist nie wieder ganz zu schließen: Das sagte | |
am späten Montagvormittag Hamburgs Zweite Bürgermeisterin sowie | |
Wissenschaftssenatorin, Katharina Fegebank (Grüne). Auch, dass sie sich | |
schäme fürs Geschehene, sagte sie; und dafür, auch im Namen der Stadt, um | |
Entschuldigung bitte. Worte, passend zum Datum: Es jährte sich zum 82. Mal | |
die „Reichspogromnacht“. Passend aber auch zum Schauplatz der kleinen Rede, | |
dem heutigen Joseph-Carlebach-Platz, gleich neben der Universität. | |
[1][Hier stand ab 1906 Hamburgs stolze „Neue Synagoge“] – und ein Stück … | |
darin verwendeten Torahschmuck, [2][eine silberne Krone], kehrte am Montag | |
symbolisch dorthin zurück: Das lange als verschollen geltende Objekt war | |
der Wissenschaftsbehörde zufolge zufällig wiederentdeckt worden, ein | |
Mitglied der Jüdischen Gemeinde soll es erworben und dann der Gemeinde | |
überlassen haben. | |
## Wechselvolle Geschichte | |
Unter grauem Himmel trug nun NDR-Moderator Yared Dibaba eine Version der | |
wechselvollen Geschichte [3][der Krone] vor, ehe die jüdische | |
Sechstklässlerin Eve sie dann symbolisch an Shmuel Havlin übergab, Hamburgs | |
stellvertretenden Landesrabbiner. | |
Der Termin war zugleich der Startschuss für eine Kampagne gegen | |
Antisemitismus und für eine neue Synagoge am alten Standort: 100.000 | |
Unterschriften von Unterstützer*innen sollen gesammelt werden, und | |
das bis zum 27. Januar, also dem anderen wichtigen Datum der Erinnerung an | |
Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen. Und die ersten kamen dann auch | |
gleich zusammen, neben Fegebank unterschrieb etwa auch US-Generalkonsul | |
Darion Akins. | |
Als Wunde hat den Platz, noch im „Dritten Reich“ neu bebaut und dadurch | |
zweigeteilt, auch Philipp Stricharz schon bezeichnet. Der Vorsitzende von | |
Hamburgs Jüdischer Gemeinde unterstrich jetzt den Wunsch der Gemeinde, | |
wieder präsenter zu sein im Stadtbild, als es die heutige Synagoge Hohe | |
Weide sein könne: „Viele Hamburger haben sie noch nie wahrgenommen“, sagte | |
Stricharz. | |
Man ist anzumerken versucht: Daran etwas geändert hat vielleicht | |
ausgerechnet der [4][antisemitische Übergriff] vor etwas mehr als einem | |
Monat: Anfang Oktober verletzte ein Mann in der Hohen Weide einen jüdischen | |
Studierenden. | |
## „Antisemiten wird es immer geben“ | |
„Der Wunsch uns anzugreifen, unsere Gebäude und unsere Identität | |
verschwinden zu lassen“, sagte Stricharz nun, „der ist immer noch da.“ Un… | |
„Antisemiten wird es immer geben.“ Es sei aber eines klar: „Niemand wird | |
weniger Antisemit, weil unsere Gebäude zerstört und unsere Schulen | |
geschlossen bleiben. Kein leerer Platz und keine Gedenktafel verhindert, | |
dass jemand Antisemit wird. Verhindert werden kann das nur, wenn Juden | |
selbstverständlich sind. Ein Teil der Stadt, Mitten in der Stadt.“ | |
An alter Stelle wieder ein sichtbares Zeichen für das Judentum zu | |
errichten: Diese Idee macht [5][seit ziemlich genau einem Jahr] die Runde | |
in der Stadt, und scheint nach breiter Unterstützung etwa in der | |
Bürgerschaft ein wenig in die Mühlen der deutschen Bürokratie geraten zu | |
sein. | |
Mitte Oktober jedenfalls [6][beklagte die Bürgerschafts-CDU], dass die | |
angekündigte Machbarkeitsstudie zum Bornplatz-Bau – Geld dafür hatten | |
seinerzeit die Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger | |
Kruse (CDU) in Berlin losgeeist – immer noch nicht in Angriff genommen | |
worden sei. Zu diesem Punkt wusste Stricharz gestern immerhin Neues zu | |
berichten: Die Studie „kann in Kürze endlich beauftragt werden“. | |
## Neuer Schwung | |
Das Projekt mit neuem Schwung zu versehen, das ist das Anliegen der | |
Bornplatz-Initiative um Daniel Sheffer. Der dankte gestern Fegebank und | |
ihrer Behörde für die „unbürokratische“ und „empathische“ Unterstüt… | |
Initiativen-Anliegens: den Synagogen-Wiederaufbau, „und das möglichst | |
schnell“, so Sheffer. | |
Unter dem doppelten Motto „Nein zu Antisemitismus – Ja zur | |
Borplatzsynagoge“ will man nun ambitionierte 100.000 Unterschriften sammeln | |
– bis zum internationalen Holocaust-Gedenktag Ende Januar. „Wir machen den | |
Hamburgerinnen und Hamburgern ein Angebot“, rief Scheffer denen gestern zu: | |
„Erhebt euch! Gebt dieser Kampagne eure Stimme!“ | |
10 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Synagogen-Initative-in-Hamburg/!5637335 | |
[2] https://www.juedische-allgemeine.de/religion/die-krone-der-tora/ | |
[3] https://www.juedische-allgemeine.de/religion/krone-ueber-der-tora/ | |
[4] /Angriff-vor-Synagoge-in-Hamburg/!5715999 | |
[5] /Neue-alte-Synagoge/!5640874 | |
[6] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/vorgaenge/72825/1 | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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