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# taz.de -- Nazi-Richter am Bundesarbeitsgericht: Ahnengalerie mit braunen Flec…
> Das Bundesarbeitsgericht wurde ab 1954 von Richtern aufgebaut, die dem
> NS-Regime dienten. Aufgearbeitet ist das immer noch nicht.
Bild: Bildergalerie zeigt frühere Richter im Bundesarbeitsgericht Erfurt
Berlin taz | Wer das Bundesarbeitsgericht in Erfurt besucht, kann in einem
Konferenzraum eine illustre Bildergalerie bewundern. Zu sehen sind dort
mehr als ein Dutzend Leute, bei denen es – obwohl nie angeklagt, geschweige
denn verurteilt – angemessen wäre, sie als Verbrecher oder Mörder zu
bezeichnen. Etliche waren Mitglied der NSDAP, andere dienten sich als
Laufburschen dem NS-Regime an.
Doch das erfährt man nicht bei der Betrachtung der Porträts. Da fehlt bei
Namen wie Willy Martel oder Walter Schilgen jeglicher Hinweis, wann sie wo
wen zum Tode verurteilt haben. Unerwähnt bleibt auch Georg Schröders
Einsatz bei der „wirtschaftlichen Entjudung“ der Niederlande, also
„Arisierung“ und Beschlagnahmung jüdischer Unternehmen und Vermögen. Um n…
drei Beispiele zu nennen.
Kein Wort zur [1][braunen Vergangenheit] zahlreicher Abgebildeter.
Stattdessen ist nur der Zeitraum ihrer Tätigkeit am Bundesarbeitsgericht
sowie die jeweilige Amtsbezeichnung vermerkt. Und so wird es erstmal auch
bleiben. Das geht jedenfalls aus der Antwort der Bundesregierung auf eine
Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die der taz vorliegt.
Bei der Bildergalerie handele es sich um eine „von der Richterschaft selbst
initiierte bildliche Dokumentation sämtlicher Richterinnen und Richter, die
seit der Gründung des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 1954 berufen worden
sind“, schreibt die Bundesregierung. In der Darstellung komme „weder eine
Wertung noch eine Ehrung zum Ausdruck“. Alles ganz neutral also. Genau das
ist das Problem.
## Mindestens 15 Nazis unter den Richtern
Wie die deutsche Nachkriegsjustiz ingesamt war auch das
Bundesarbeitsgericht in seinen Anfangsjahrzehnten geprägt von Juristen, die
als „NS-belastet“ eingestuft werden müssen.
In ihrer Antwort auf eine Große Anfrage der Linksfraktion räumte die
Bundesregierung im Jahr 2011 ein, dass bei 15 Bundesarbeitsrichtern eine
frühere NSDAP-Mitgliedschaft festgestellt wurde, beim Bundessozialgericht
waren es sogar 42. Welche Auswirkungen hatte das auf die Rechtsprechung der
beiden Gerichte? Das ist bis heute nicht wissenschaftlich erforscht.
Wie aus der jetzigen Regierungsantwort hervorgeht, kam es erst im Mai 2017
zu einem Treffen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit den
beiden ihm unterstellten Gerichten, um mit diesen über das Thema der
eigenen Vergangenheitsaufarbeitung zu sprechen.
Zwei Jahre später startete dann das Bundessozialgericht ein
Forschungsprojekt zu seiner Gründungs- und Wirkungsgeschichte. Die
Ergebnisse sollen 2022 vorliegen. Beim Bundesarbeitsgericht ist man
hingegen immer noch nicht so weit: „Das Bundesarbeitsgericht beabsichtigt,
ein eigenes Forschungsprojekt in Auftrag zu geben“, so die Regierung.
350.000 Euro will sie dafür bereitstellen.
Wenn die Ergebnisse des noch nicht gestarteten Projekts dann irgendwann
vorliegen, werde das Bundesarbeitsgericht auch „prüfen, ob sich
hinsichtlich der Bildgalerie Handlungsbedarf ergibt“, schreibt die
schwarz-rote Bundesregierung.
[2][Jan Korte], Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion,
hat dafür kein Verständnis: „Es ist schon erstaunlich, dass es auch im Jahr
2021 erst Studien bedarf, damit in bundesdeutschen Ministerien oder
Bundesgerichten Bilder von Nazis abgehängt oder zumindest kommentiert
werden“, sagte er der taz.
Auf die Forschungsergebnisse über das Wirken der NS-belasteten Richter ist
Korte gleichwohl gespannt. Schließlich habe doch „das Bundesarbeitsgericht
wie ein Ersatzgesetzgeber das Arbeitsrecht der jungen Bundesrepublik,
darunter das bis heute repressiv ausgelegte Streikrecht, maßgeblich
geprägt“.
27 Jan 2021
## LINKS
[1] /NS-Belastung-an-Hochschulen/!5746889
[2] /Linken-Politiker-ueber-Coronapolitik/!5721228
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Bundesarbeitsgericht
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Holocaust
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Leibniz Universität Hannover
Lesestück Recherche und Reportage
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