# taz.de -- Holocaust-Gedenken in Deutschland: Als Propaganda missbraucht | |
> Den Holocaust propagandistisch für die Tagespolitik zu missbrauchen, | |
> beleidigt nicht nur die Opfer. Es zielt auf eine Umdeutung der Geschichte | |
> ab. | |
Bild: Gefährliche Entwicklung: Sogenannte Coronakritiker mit „Judenstern“ … | |
Es ist fast ein Vierteljahrhundert vergangen, seit die Bundesrepublik | |
Deutschland immer [1][am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des | |
Vernichtungslagers Auschwitz] im Jahr 1945, den Holocaust-Gedenktag begeht. | |
Der Tag ist mittlerweile mit Ritualen wie den Reden im Bundestag etabliert. | |
Aber auch viele nichtstaatliche und kleinere Initiativen auf regionaler | |
Ebene [2][erinnern am 27. Januar an das Menschheitsverbrechen] des | |
unvergleichlichen Massenmords an Juden, an Sinti, Roma und weitere Opfern. | |
Das ist gut so. Aber es ist nicht gut genug. | |
Denn der Streit über die Deutung des Holocaust hat sich keineswegs | |
abgeschwächt, sondern lediglich verändert. Die Zahl derer, die den Mord | |
leugnen, ist glücklicherweise verschwindend gering und ihr Einfluss noch | |
geringer. Die Relativierung des Massenmords ist dagegen geradezu in Mode | |
gekommen. Die Opfer werden für aktuelle eigene Interessen funktionalisiert. | |
Das ist perfide, weil sie sich nicht wehren können. Es ist aber auch eine | |
brandgefährliche Entwicklung, wenn sich sogenannte Coronakritiker in die | |
Tradition von Anne Frank stellen, wenn sie sich zum Zeichen ihrer | |
angeblichen Unterdrückung „Judensterne“ anheften oder wenn Rechtspopulisten | |
glauben, kundtun zu können, sie seien die wahren Nachfolger der | |
Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944. | |
Der Versuch, den Holocaust als Propagandamittel für die Tagespolitik zu | |
missbrauchen, beleidigt nicht nur die Opfer. Er zielt auf eine Umdeutung | |
der historischen Ereignisse ab. Denn [3][diese Art der Relativierung] lässt | |
nicht nur den Eindruck zurück, die vorgeblich Unterdrückten von heute seien | |
ihrer Grundrechte beraubt. Sie kann auch so interpretiert werden, als sei | |
der Holocaust gar nicht so furchtbar, als sei es ein Ereignis unter vielen | |
gewesen, dem man folglich kein großes Gewicht beimessen müsste. | |
Diese falsche Historisierung der Ereignisse zwischen 1933 und 1945 bedroht | |
die Gesellschaft mehr als alle NPD-Fahnenträger. Sich ihr | |
entgegenzustellen, ist eine Aufgabe, die nicht nur bei einem Gedenktag im | |
Jahr gefordert ist, sondern täglich und überall. | |
27 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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