# taz.de -- Linken-Politiker über Coronapolitik: „Das gehört ins Parlament�… | |
> In der Pandemiepolitik komme der Bundestag zu kurz, kritisiert der | |
> Linken-Abgeordnete Jan Korte – und bringt eine neue Föderalismusreform | |
> ins Spiel. | |
Bild: Der Bundestag in der Coronapandemie: nicht seine besten Zeiten | |
taz: Herr Korte, seit Beginn der Pandemie sind es vor allem die Kanzlerin | |
und die MinisterpräsidentInnen, also die Exekutive, die [1][das Land durch | |
diese Krise manövrieren]. Was auch schlicht damit zu tun hat, dass bei | |
vielen Maßnahmen die Länder zuständig sind. Wo sehen Sie also das Problem? | |
Jan Korte: Das Problem ist, dass man eine gewisse Verselbständigung der | |
Exekutive beobachten kann. Und das ist sinnbildlich in der Runde von der | |
Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten. All das, was dort die | |
Kanzlerin und damit die Bundesregierung vertritt − egal wie man dazu steht | |
−, gehört ins Parlament. Darüber muss doch mal diskutiert werden! Welche | |
Kompetenzen sind vom Parlament an die Regierung gegeben worden? Inwieweit | |
ist das stets abzuwägen mit den demokratischen Grund- und Freiheitsrechten? | |
Bislang kam der Bundestag da zu kurz. Das muss sich jetzt ändern. | |
Können Sie das an einem Beispiel festmachen? | |
Nehmen wir nur die ganze Frage, was Versammlungsrechte angeht. Das sind | |
natürlich Eingriffe, die dort in den letzten Monaten stattgefunden haben, | |
die sind ja erheblich, das gab es so noch nie. Meine persönliche Auffassung | |
ist, dass ein Großteil davon auch berechtigt gewesen ist. Nur: Wenn man in | |
die Grund- und Freiheitsrechte in dieser Art und Weise eingreift, dann muss | |
das befristet sein, und es muss Woche für Woche wieder geguckt werden, was | |
das eigentlich bedeutet. | |
Was schlagen Sie vor? Einen „Pandemierat“ aus Experten, wie ihn die Grünen | |
fordern? | |
Darüber kann man nachdenken, ist gerade aber nicht entscheidend. Jetzt geht | |
es darum, das Parlament in Schwung zu bringen. Gerade in diesen Zeiten, | |
gerade beim Anschwellen der wirklich besorgniserregenden Zahlen muss man | |
all diese Fragen öffentlich diskutieren. Akzeptanz entsteht vor allem durch | |
die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen. | |
Das heißt? | |
Ein ganz praktischer Vorschlag ist: Vor der nächsten Runde der Kanzlerin | |
mit den Ministerpräsidenten muss es eine Regierungserklärung geben − so wie | |
es das sonst auch vor Treffen mit den EU-Staats- und Regierungschefs gibt. | |
Sie muss ihre Linie, die sie gedenkt, dort zu vertreten, dem Bundestag | |
darlegen. Damit sich das Parlament eine Meinung bilden kann. | |
Fakt ist aber auch, dass Ihre Partei an einigen Landesregierungen selbst | |
beteiligt ist, in Thüringen sogar den Ministerpräsidenten stellt. Zeigen | |
Sie da mit dem Finger nicht auch auf sich selbst? | |
Das ist auch alles selbstkritisch zu hinterfragen, auch wenn eben die | |
Bundesregierung derzeit von CDU/CSU und SPD gestellt wird. Die Situation | |
ist jetzt völlig anders als im März. Damals wussten wir vieles nicht, da | |
wusste auch die Wissenschaft noch nicht so viel. Jetzt sind wir im Oktober, | |
und zum Glück weiß man jetzt, welche Maßnahmen nachweislich effektiv sind − | |
also bis auf ein paar Nazis und Coronaleugner wissen das alle. Die völlig | |
andere Sachlage muss im Bundestag reflektiert werden. | |
Gerade in der [2][Debatte um Beherbergungsverbote] ist deutlich geworden, | |
dass zu viel Föderalismus Verwirrung schaffen, ja kontraproduktiv sein | |
kann. Gehört die föderale Struktur der Bundesrepublik grundlegend auf den | |
Prüfstand? | |
Ich bin ein überzeugter Anhänger des Föderalismus. Es ist gut, dass es ihn | |
gibt. Dass wir ihn haben, ist auch eine Lehre aus der Geschichte. Wer den | |
Föderalismus erhalten will, muss auch bereit sein, ihn hier und da zu | |
verändern. Wir werden deshalb in unserer Partei und mit unseren Leuten in | |
den Landesregierungen darüber diskutieren, ob es nicht vielleicht an der | |
Zeit ist, eine neue Föderalismusreform zu machen. Um zu gucken, gerade in | |
solchen Fällen wie in der aktuellen Pandemie: Was ist eigentlich sinnvoll | |
vom Bund zu regeln? Was sollte bei den Ländern bleiben? | |
Dabei ist die Frage, welche staatliche Ebene entscheidet, ja nur ein | |
Aspekt. Eine andere, viel lebensweltlicher: Welche gesellschaftlichen | |
Probleme haben bestimmte Coronamaßnahmen unbewusst verschärft? | |
Deshalb müssen der Bundestag wie die Landesparlamente eine Analyse machen | |
zu der Frage, welche unbeabsichtigten gesellschaftlichen Nebenwirkungen | |
einzelne Maßnahmen haben. Also auf Kinder, auf Familien − vor allem die | |
sozial Schwachen. Da kann man noch so toll von digitalem Unterricht | |
schwafeln: Wenn sieben Leute in einer Zweizimmerwohnung wohnen, ist das | |
schwierig. | |
20 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Corona-Entwicklung-in-Deutschland/!5721402 | |
[2] /Streit-um-Coronaregeln-in-Deutschland/!5719489 | |
## AUTOREN | |
Daniel Godeck | |
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