# taz.de -- Sachbücher zu Hongkong: Anatomie der Revolte | |
> Um eine Analyse der Protestbewegung in Hongkong bemühen sich zwei neue | |
> Bücher. Die Autoren kommen zu unterschiedlichen Bewertungen. | |
Bild: Brennpunkt Hongkong: Protest im November 2019 | |
Aus Hongkong kommen derzeit fast nur noch [1][Berichte über Festnahmen von | |
Aktivist*innen und Oppositionellen]. Der dortige Kampf für eine | |
demokratische Zukunft scheint vorerst verloren. China hat mit seinem | |
nationalen Sicherheitsgesetz in der vormals autonomen Sonderregion die | |
Initiative und die volle Kontrolle übernommen und straft jetzt – unter | |
Ausnutzung der Coronapandemie – führende Aktivist*innen der großen | |
Protestbewegung von 2019 ab. Die hatte sich mit bis zu zwei Millionen | |
Demonstrant*innen gegen Pekings zunehmende Einmischungen gewehrt und in | |
der früheren Kronkolonie demokratische Reformen verlangt. | |
Mit „Brennpunkt Hongkong. Warum sich in China die Zukunft der freien Welt | |
entscheidet“ von Alexander Görlach und „Revolte in Hongkong. Die | |
Protestbewegung und die Zukunft Chinas“ von Au Loong-Yu widmen sich gleich | |
zwei kürzlich erschienene Bücher der Protestbewegung und erklären den | |
dortigen Konflikt mit Peking zu einer entscheidenden Zukunftsfrage. | |
Für den deutschen Publizisten, Theologen und Wissenschaftler Görlach geht | |
es dabei um nichts Geringeres als um den Kampf zwischen dem autoritären | |
China und der „Zukunft der freien Welt“, womit er das liberale Modell | |
westlicher Demokratien meint. | |
Der linke Hongkonger Aktivist und Publizist Au ordnet hingegen die Rolle | |
der Stadt und ihrer Demokratiebewegung für China ein und kritisiert jene | |
Demonstrant*innen, die mit emanzipatorischen Stimmen auf dem Festland | |
nichts zu tun haben wollen. Er sieht Hongkongs Zukunft also weniger durch | |
die Reaktion westlicher Regierungen bestimmt als vielmehr durch mögliche | |
Reformen in China selbst. „Sollte Hongkong zu einem Schlachtfeld für den | |
Wettstreit zwischen den USA und China werden, wird es zerschlagen werden“, | |
so Au. | |
## Außensicht auf den Hongkonger Konflikt | |
Zwar hat Görlach auch vor Ort recherchiert, doch ist sein Buch eher eine | |
schwarz-weiße Außensicht auf den Hongkonger Konflikt im Stil liberaler | |
US-Politikwissenschaft. Für ihn gilt, dass Menschen sich bei freier Wahl | |
überall auf der Welt stets für die Demokratie entscheiden würden. Das | |
bisher autonome Hongkong sieht er in einer Rolle vergleichbar mit der von | |
Westberlin im Kalten Krieg: Fällt Hongkong, fällt auch Taiwan und „dann | |
wird auch unserer Freiheit die Totenglocke läuten“, so Görlach. Er räumt | |
allerdings ein, dass „unsere“ Demokratie im Westen auch von autoritären | |
Populisten bedroht wird und Defizite aufweist. | |
So sieht Görlach im bisherigen US-Präsidenten Donald Trump eine Gefahr für | |
die Demokratie, doch goutiert er dessen harten Kurs gegenüber Peking. Für | |
Görlach ist die Hongkonger Autonomieformel „Ein Land, zwei Syteme“ schlicht | |
daran gescheitert, dass die Volksrepublik nicht gewillt war, ihren Teil zu | |
erfüllen. Innere Widersprüche der Protestbewegung und ihre diversen | |
Strömungen thematisiert er so wenig wie die sozialen Verwerfungen in der | |
Finanzmetropole selbst, die durch vom Festland einströmendes Kapital nur | |
noch verstärkt wurden. Das Buch sieht holzschnittartig auf die | |
chinakritische und zunehmend militante Protestbewegung. | |
## Differenzierte Innenansichten | |
Au hingegen identifiziert in der Bewegung, zu der er sich selbst zählt und | |
deren Entwicklung er seit der gescheiterten Regenschirmbewegung von 2014 | |
nachzeichnet, auch reaktionäre Elemente. Zudem kritisiert er jene | |
Vertreter*innen der liberalen Mittelschicht, die sich nicht für soziale | |
Fragen interessieren. Doch weist er auch Vorwürfe mancher Linker aus | |
westlichen Ländern zurück, welche die Massenproteste als rechte oder aus | |
dem Ausland beeinflusste Bewegung werten und ihren emanzipatorischen und | |
progressiven Gehalt nicht wahrnehmen wollen. Man müsse den USA gegenüber | |
misstrauisch bleiben, „aber sie sind nicht unsere direkten Unterdrücker“. | |
Die Stärke seines im Sommer zunächst auf Englisch und dann im Herbst | |
aktualisiert auf Deutsch erschienenen Buches sind die differenzierten | |
Innenansichten. So analysiert er auch die Schwächen der Protestbewegung. | |
Die sieht er etwa in der Kultivierung der spontanen Proteste bei | |
gleichzeitiger Aversion gegen organisatorische Strukturen und in einem | |
Hochmut gegenüber Festlandchinesen. Ein Fortschritt waren für ihn die | |
Gründungen neuer Gewerkschaften, die aber noch zu schwach waren, um mit | |
Streiks Druck aufzubauen. | |
19 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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