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# taz.de -- Bremer Privat-Uni steht ohne Chef da: Der Klügere geht zuerst
> Die private Bremer Jacobs University wird ohne ihren Präsidenten
> abgewickelt: Antonio Loprieno trat am Montag zurück. Über die Gründe
> schweigt er.
Bild: An der Jacobs University ist die Stimmung derzeit etwas frostig
Bremen taz | Völlig überraschend ist der Präsident der Bremer Jacobs
University (JUB) Antonio Loprieno zum Jahresende von seinem Amt
zurückgetreten. Damit verliert die wissenschaftlich renommierte Privat-Uni
ihre Führung gerade dann, wenn ihre Zukunft am unsichersten ist.
Zwar soll die JUB nach dem Ausstieg der namensgebenden Jacobs-Foundation
nun zu einem Zentrum für Künstliche Intelligenz (KI) gesundgeschrumpft
werden. Das hatten der Bürgermeister Andreas Bovenschulte und seine
Wissenschaftssenatorin Claudia Schilling (beide SPD) Mitte November stolz
verkündet. Auch von der parlamentarischen Opposition gab es dafür viel
Beifall.
Die JUB soll demzufolge von dem deutschen Software-Riesen SAP, dem
chinesischen Software-Entwickler Neusoft und dem Deutschen
Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz [1][übernommen werden] – und
dann endlich ohne öffentliche Gelder auskommen. Seit ihrer Gründung vor
fast 20 Jahren hat die JUB insgesamt rund 200 Millionen Euro aus der
öffentlichen Hand bekommen, um zu überleben.
Nur: Bislang ist die Rettung der JUB vor der Insolvenz nicht mehr als eine
Ankündigung des rot-grün-roten Bremer Senates. Offenbar ist noch nicht
einmal die angekündigte Absichtserklärung zur Neuausrichtung der JUB
unterschrieben. Entsprechende Nachfragen blieben im Wissenschaftsressort
bis Redaktionsschluss unbeantwortet, und die JUB kann dazu nach eigenem
Bekunden „keine Auskunft“ geben.
## Lehrkörper überrascht
Die Lehrenden an der Uni waren schon von der Ankündigung der
Landesregierung vollkommen überrascht worden: „Wir wussten davon überhaupt
nichts“, sagte etwa der Mathematik-Professor Marcel Oliver der taz: „Da ist
vorher überhaupt nichts durchgesickert.“ Wie auch andere Professor*innen
erfuhr Oliver aus den örtlichen Medien von der geplanten Übernahme seiner
Hochschule durch das deutsch-chinesische Firmenkonsortium. Auch von
Loprieno selbst gab es dazu zunächst keinen Kommentar.
Manche an der JUB vermuteten schon damals, dass auch der Präsident selbst
von der politischen Entwicklung überrascht wurde. Vieles spricht dafür,
dass Loprieno von der Landesregierung schlicht bloßgestellt und überrumpelt
wurde. Und eine Antwort auf die Frage, warum der erst im Dezember 2019 ins
Amt gekommene Loprieno nun plötzlich zurücktritt, gibt auch die dürre
Pressemitteilung der JUB nicht.
Auf seiner heutigen Sitzung habe der Aufsichtsrat der JUB „dem Wunsch“
Loprienos entsprochen, die zukünftige Leitung der Universität in die
Verantwortung der Geschäftsführerin Andrea Herzig-Erler und des Provost
Thomas Auf der Heyde zu übertragen, heißt es da nur. Beide arbeiten schon
heute an der Spitze der Jacobs University, einen neuen Präsidenten bekommt
sie zunächst also nicht. Und weder Heiko Lammers, der Pressesprecher der
JUB, noch Loprieno selbst beantworten weitere Fragen. „Dazu kann ich Ihnen
nicht mehr sagen“, sagt Lammers nur.
Wieder agiert die JUB also im Verborgenen: „Ich kann Ihnen nur sagen, dass
der Betriebsrat nicht informiert war“, sagt dessen Vorsitzender, der
Professor für Biologie und Ethik Alexander Lerchl, zum Rücktritt Loprienos:
„Wir waren ebenfalls überrascht.“ In einem [2][Brief an die Bremer Politik]
hatten die Lehrenden bereits Mitsprache eingefordert.
## Sorge wegen chinesischer Firma Neusoft
Nicht alle Wissenschaftler*innen werden auch in der KI-Forschung Platz
haben, zahlreiche Studiengänge sind hinfällig. Und gerade die
[3][Beteiligung von Neusoft] stößt auf Kritik bei den Wissenschaftler*innen
– viele fürchten den Einfluss des chinesischen Staatsapparates auf
Forschung und Lehre. Neusoft hat mehr als 20.000 Mitarbeiter*innen,
betreibt drei private Universitäten in China und drängt derzeit auf den
Weltmarkt. „Da sind Konflikte vorprogrammiert“, sagt Marcel Oliver.
Bremens Wissenschaftssenatorin Schilling – zugleich die
Aufsichtsratsvorsitzende der JUB – „bedankte sich ausdrücklich für das
Wirken“ Loprienos und „seine Weichenstellungen“, sie lobte den scheidenden
Präsidenten „für seinen weitsichtigen und außerordentlichen Einsatz in
diesen unruhigen Zeiten“. In der Tat gilt der Schweizer Ägyptologe, der von
2005 bis 2015 Rektor der Universität Basel war und 2018 Präsident des
europäischen Dachverbandes der Akademien der Wissenschaften wurde, einigen
als der klügste unter den sechs Präsident*innen, die die JUB bisher hatte.
Nur war seine Vorstellung von der Zukunft der JUB eine ganz andere als die,
die jetzt in Aussicht steht. Er war angetreten, um zu beweisen, dass es in
Deutschland eine „Mini-Volluniversität“ auch in privater Trägerschaft geb…
kann. Keinesfalls sollte die JUB nur eine private Nischen-Uni oder eine
Business School sein, wie es sie anderswo auch in Deutschland schon gibt.
[4][„Ich strebe eine intensive Zusammenarbeit mit der Uni Bremen an“],
sagte er in seinem Antrittsinterview mit der taz, und dass er die JUB in
die bremische Stadtgesellschaft öffnen wolle. Davon ist nun nicht mehr die
Rede.
14 Dec 2020
## LINKS
[1] /Zukunft-der-Bremer-Jacobs-University/!5725479
[2] /Zukunft-der-Bremer-Jacobs-University/!5727292
[3] /Bremer-Campus-fuer-Kuenstliche-Intelligenz/!5725480
[4] /JUB-Praesident-ueber-Geld-und-Bildung/!5648228
## AUTOREN
Jan Zier
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