# taz.de -- Bremen verkauft Jacobs University: „Atmosphäre der Angst“ | |
> Die private Jacobs University Bremen wird an eine gerade erst gegründete | |
> Schweizer IT-Hochschule verkauft. Die Lehrenden sind alarmiert. | |
Bild: Hat schon viele Pläne hinter sich: die Privatuni in Bremen | |
BREMEN taz | Der rot-grün-rote Bremer Senat verkauft die örtliche | |
[1][Jacobs University (JUB)] mehrheitlich an das 2019 gegründete Schweizer | |
„[2][Schaffhausen Institute of Technology]“ (SIT). Das hat die | |
Landesregierung am Dienstag beschlossen. Heute soll zuerst der | |
Wissenschaftsausschuss des Parlaments zustimmen, dann der Vertrag mit dem | |
[3][Investor Serguei Beloussov] unterschrieben werden. | |
Der hat der klammen Privat-Universität bis zu 4.500 Studienplätze und 50 | |
Millionen Euro versprochen. Zuletzt waren schon offiziell verkündete Pläne | |
gescheitert, die JUB zu einem Zentrum für künstliche Intelligenz | |
gesundzuschrumpfen, mit Hilfe des deutschen Software-Riesen SAP und des | |
chinesischen Software-Entwicklers Neusoft. Nun musste bis Ende September | |
ein neuer Investor gefunden werden. | |
„Diese Lösung ist gar nicht so schlecht“, sagt Antonio Loprieno, der bis | |
Ende des vergangenen Jahres noch Präsident der Jacobs University war und | |
Präsident des Europäischen Verbunds der Akademien der Wissenschaften ist. | |
Sie entlässt Bremen aus der finanziellen Verantwortung für die JUB, wie es | |
in Bremen parteiübergreifend gefordert wird, und eröffnet die Chance, dass | |
daraus doch noch eine rentable Institution wird. | |
Nur: „Die Idee, dass es in Deutschland eine rein private, aber zugleich | |
philantropisch geführte Voll-Universität geben kann, ist damit radikal | |
erschüttert“, sagt Loprieno, der an der Uni Basel lehrt. Genau das aber war | |
1999 das Gründungsversprechen der International University Bremen – und der | |
damals regierenden großen Koalition. Heute sagt der Senat ganz klar: Eine | |
weitere Finanzierung der JUB mit öffentlichen Mitteln sei „ausgeschlossen“. | |
Sie beschäftigt derzeit 420 Mitarbeiter:innen. | |
Doch selbst die oft als Vorbild gehandelte Privat-Universität in | |
Witten-Herdecke bekam 2019 rund elf Millionen Euro vom Land | |
Nordrhein-Westfalen. 2024 sollen es über 18 Millionen Euro sein. Bremen | |
steckte einst 110 Millionen Euro Anschubfinanzierung in sein | |
Prestigeprojekt, später mussten noch mal 50 Millionen Euro eingeschossen | |
werden. 2007 stieg die Stiftung der Kaffee-Erben Jacobs mit 200 Millionen | |
Euro als Investor ein. 2020 gab die Jacobs Foundation ihre Anteile zurück. | |
## Geschäfte machen mit Bildung | |
Beloussov, der selbst in Computerwissenschaften promoviert hat, „habe mit | |
Sicherheit ein Verständnis für Wissenschaft“, sagt Loprieno, „aber er ist | |
eben auch ein Geschäftsmann.“ Der 1971 in Leningrad geborene und heute in | |
Singapur lebende Investor will mit der JUB langfristig Geld verdienen. Sein | |
Vermögen verdankt er der 2003 gegründeten Firma Acronis, die | |
IT-Sicherheitssoftware verkauft und 1.600 Leute beschäftigt. | |
Er wird das bislang sehr breit gefächerte Fächerangebot der auch in der | |
Forschung mittlerweile sehr renommierten JUB auf das fokussieren, was mit | |
den Stichworten „künstliche Intelligenz“, „Mensch-Maschine-Interaktion�… | |
„Quantum Computing“ auch vom Senat eher benannt als erklärt wird. | |
Das SIT ist bislang „eher ein Projekt, denn eine Realität“, sagt | |
unterdessen Loprieno, es habe sich bisher – zumal in der Pandemie – nicht | |
etablieren können. Und das staatlich finanzierte Schweizer | |
Wissenschaftssystem reagiere „sehr allergisch auf Interventionen von außen“ | |
wie die von Beloussov. „Er hat es schwer in der Schweiz“, sagt Loprieno – | |
in Bremen hingegen muss er mit seiner IT-Hochschule nicht auf der grünen | |
Wiese neu anfangen. | |
In der JUB selbst reagiert man kritisch auf die Ankündigungen: „Bremen hat | |
sein Ziel erreicht, uns loszuwerden“, sagt ein Professor, der nicht genannt | |
werden will. Andere machen im Gespräch klar, dass sie angesichts der | |
anhaltenden Unsicherheit „an einem eigenen Plan B“ arbeiten, reden von | |
einer „Atmosphäre der Angst“, die auf dem Campus herrsche, oder sind | |
„enttäuscht“ von der Uni-Leitung und vor allem von der örtlichen Politik. | |
„Niemand denkt an uns“, sagt eine Professorin, die schon lange dort | |
arbeitet. | |
Sicher ist nur, dass der Senat die Lehrenden, Mitarbeiter:innen und | |
Studierenden bisher gar nicht in seine Planung miteinbezogen hat – sie | |
erfahren es alle aus den örtlichen Medien. „Wir fordern, dass die JUB eine | |
Universität mit Promotionsrecht, Forschung und akkreditierten Studiengängen | |
bleibt“, heißt es aus dem Fakultätsrat, der Vertretung der Lehrenden. „Wir | |
erwarten, dass wir dieses Mal an den Entscheidungsprozessen zur | |
strategischen Neuausrichtung unserer Universität beteiligt werden.“ | |
22 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Kaeufer-fuer-Bremer-Privat-Uni/!5797690 | |
[2] https://sit.org/about | |
[3] /Geplanter-Verkauf-der-Jacobs-University/!5802336 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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