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# taz.de -- Käufer für Bremer Privat-Uni: Das Geschäft mit der Wissenschaft
> Der Bremer Senat, ob Multimillionär Serguei Beloussov die
> Jacobs-University für 22.000 Euro kaufen darf. Was er damit will, weiß
> keiner so ganz genau.
Bild: Er ist zwar ausgelernt, aber vielleicht nicht so lukrativ wie versprochen…
Bremen taz | Für die Öffentlichkeit „nicht geeignet“ steht unter einem
23-seitigen Papier, das der Bremer Senat am Dienstag zur Kenntnis nehmen
muss. Es geht um den Verkauf der [1][Jacobs-Universität Bremen (JUB)] an
einen russisch-stämmigen Multimillionär, über den der Senat im Grunde sehr
wenig weiß. Alternativen gebe es nicht, steht in der Beschlussvorlage, denn
am 30. September läuft die letzte Frist aus, zu der der Senat die
Grundstücke der Privatuni mit ihrer Bindungen an einen Hochschulbetrieb von
der JUB-GmbH übernehmen kann. Nach diesem Datum könnte ein
Grundstückseigentümer die 34 Hektar offenbar frei verwerten, müsste aber
die beim Grundstückskauf 1999 geflossenen Subventionen zurückzahlen.
Die Vereinbarung mit dem Geschäftsmann Serguei Beloussov sei praktisch
unterschriftsreif, heißt es in dem senatsinternen Papier. Aber wer ist
dieser Mann? Und warum will er die Jacobs-Uni übernehmen? Schon im Februar
2020 hatte die Neue Züricher Zeitung eine vergleichbare Frage gestellt –
unter der Überschrift: „Wieso ein Oligarch seine Elite-Uni in Schaffhausen
gründet – und Geld aus der Staatskasse erhält“.
Dort hatte Beloussov im Sommer 2018 die Gründung einer Privatuniversität
mit denselben wissenschaftspolitischen Schwerpunkten angekündigt. Die dafür
gegründete Firma [2][„Schaffhausen Institute of Technologie“ (SIT)] soll
jetzt die Mehrheitsanteile der Jacobs-Uni übernehmen.
Die dürren Stichworte in dem Bremer Senatspapier über das Konzept des
Kaufinteressenten lesen sich wie abgeschrieben von der Webseite SIT.org, wo
der Unternehmer in großen Tönen seine Idee beschreibt. Wie viel von der
Idee dort umgesetzt ist, verrät die Webseite nicht. Das allerdings wäre
entscheidend, um das Bremer Projekt beurteilen zu können. Susanne Grobien,
die wissenschaftspolitische Sprecherin der CDU sagt: „Ich kann die
Absichten von Herrn Beloussow nicht beurteilen, meine Infos kommen nur
durch die Medien. Zu welchen Konditionen die JUB veräußert wird, entzieht
sich meiner Kenntnis.“
## Koalition ist freundlich und loyal
Die wissenschaftspolitischen Sprecherinnen der Koalitionsfraktionen
formulieren das koalitionstreu freundlicher: Miriam Strunge etwa,
wissenschaftspolitischen Sprecherin der Linken, meinte auf Nachfrage der
taz: „Laut Presse handelt es sich um die private Schweizer Hochschule SIT,
die sich aber noch in der Aufbauphase befindet. Deswegen lässt sich noch
nicht beurteilen, wie ein langfristiges Engagement des Investors
funktionieren würde.“
Sie betont nur, dass es von Bremen – anders als von dem Schweizer Kanton –
keine staatliche Subvention für die Privatuniversität geben wird. Solveig
Eschen, die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, antwortet auf
die Frage, ob ihrem Eindruck nach die Bremer Wissenschaftssenatorin mehr
darüber weiß, was Beloussov vorhat: „Mein eigener Eindruck ist, dass der in
Rede stehende Investor an einer wirtschaftlich rentablen Lösung für seine
Unternehmen interessiert ist.“
Das würde bedeuten: Ihm geht es nicht um die Förderung der Wissenschaft und
der Ausbildung, sondern um sein Geschäft. Und das ist vor allem die Firma
Acronis, eine Software-Firma für IT-Sicherheit und Cloud-Lösungen mit Sitz
in Singapur und im schweizerischen Steuerparadies Schaffhausen.
Offensichtlich hat Beloussov Hunderte von Millionen verdient. Er hat Kunden
weltweit, heißt es. Umfangreiche Geschäfte hat er auf dem Feld der
Computersicherheit auch in Russland gemacht.
## Cyberpunk auf Bachelor
Beloussov hat in Moskau studiert und in Informatik promoviert, lebt aber
seit Jahren in Singapur. In Bremen würde er für 22.000 Euro die Mehrheit an
der gemeinnützigen GmbH der JUB erwerben und das Grundstück mit den
Immobilien in Erbpacht für 99 Jahre geschenkt bekommen – allerdings mit der
Verpflichtung, dort einen Uni-Betrieb fortzuführen.
Er will, so das Senatspapier, die Aktivitäten der JUB fortführen und in
Richtung „KI, Mensch-Maschine-Interaktion und Quantum-Computing“
entwickeln. Das sind moderne wohlklingende und gleichzeitig hochtrabende
Worte für eine Einrichtung, die bisher zu Dreiviertel Bachelor-Studierende
ausbildet und deren „Forschung“ vor allem in Kooperation mit der Bremer
Universität oder anderen staatlichen Instituten geschieht.
Klar ist vonseiten von Beloussov, dass zwei Drittel der Studienangebote
hybrid oder online stattfinden sollen. Das steht übrigens auch im Konzept
für seine Privat-Uni in Schaffhausen, es wird also große Synergieeffekte
geben. Bisher sollen die eingeschriebenen Studierenden an der Bremer
Privat-Uni – die größte Gruppe kommt aus asiatischen Ländern – im Jahr
20.000 Euro Studiengebühren und nochmal 10.000 Euro für das Wohnen auf dem
Campus bezahlen. Da kaum mehr als 10 Prozent der Studierenden das wirklich
zahlten, hatte die Jacobs-Uni ein jährliches Defizit von 10 bis 20
Millionen Euro.
Wie viel Beloussov für ein „hybrides“ Studium nehmen will oder kann und ob
seine versprochenen „Investitionen“ von „bis zu 50 Millionen Euro“ für
mehrere Jahre ausreichen würden, das wird in dem Bremer Senatspapier nicht
hinterfragt. Dass es Beloussov um seine Firmen geht, wird dagegen klar
formuliert in der Hoffnung, „dass die JUB von den bestehenden Netzwerken
des Firmenkonsortiums von Herrn Beloussov profitieren kann“.
Während die wissenschaftspolitische Perspektive unklar ist, sind die
sportpolitischen Folgen des Beloussov-Deals – da kennt sich der Bremer
Senat aus – klar: Einen Technologiepark wird es in Grohn nicht geben,
dieser Traum ist ausgeträumt, die Flächen am Oeversberg muss die
Jacobs-GmbH zurückgeben an die Sportvereine.
19 Sep 2021
## LINKS
[1] https://www.jacobs-university.de/
[2] https://sit.org/
## AUTOREN
Klaus Wolschner
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