# taz.de -- Angriffe auf Journalist*innen am Kapitol: Bloß noch ein Feindbild | |
> Die Aggressionen der Rechtsextremen gegen Medienvertreter*innen in | |
> Washington geben eine Aussicht auf das Erbe der Trump-Ära. | |
Bild: Vor dem Kapitol am Mittwoch: Gewalt gegen Medienausrüstung | |
„Murder the Media“ hat jemand in den Lack einer Tür zum Capitol geritzt. | |
„Ermordet die Medien“. Egal ob die Person ein Messer hatte oder den | |
Schlüsselbund nahm: So etwas zu ritzen dauert seine Zeit. Jemand hat sich | |
also in dem Gemenge [1][der Krawalle in Washington D. C.] am Mittwoch | |
tatsächlich ein paar Minuten genommen, um ganz in Ruhe [2][diese Botschaft | |
in der elfenbeinfarbenen Flügeltür zu hinterlassen]. | |
So ein Spruch mag erst mal niemandem wehtun, aber er fasst zusammen, was | |
der Trumpismus hinterlässt: einen diffusen, gewaltvollen Hass auf „die | |
Medien“. Für diejenigen, die am Mittwoch in den Sitz des US-Kongresses | |
eingedrungen sind, gibt es keinen Unterschied zwischen den politischen | |
Institutionen und den Sendern und Zeitungen, die sie abbilden. Für die | |
Rechtsextremen sind das beides Symbole von Autorität, an denen man lustvoll | |
die eigene Wut und Aggression auslässt. | |
Mehrfach traf diese Aggression am Mittwoch auch Journalist*innen. | |
[3][ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen] geriet in eine Situation, in der | |
Rechtsxtreme ihn und andere Medienvertreter*innen offenbar umringten und | |
ihnen Equipment entwendeten, um es gewaltvoll zu zerstören. | |
Übertragungsmaterial und Videotelefone seien zertrümmert worden, teilt das | |
ZDF mit, im Schaltraum seien Drohanrufe eingegangen. | |
Eine Art Scheiterhaufen aus TV-Ausrüstung ist in mehreren Videos und Fotos | |
dokumentiert. Ein Buzzfeed-Korrespondent spricht von einer „Schlinge“, die | |
jemand aus einem Kamerakabel geknotet und an einem Baum befestigt habe. | |
Ein [4][verstörendes Video] eines Bloomberg-Reporters zeigt, wie eine | |
Gruppe Medienvertreter*innen gewaltvoll zurückgedrängt werden. Die | |
aufgeheizten Männer, von denen einer den Ständer seiner Flagge nach den | |
Journalist*innen schwingt, scheinen Verletzungen bei diesen in Kauf zu | |
nehmen. Sie existieren nicht mehr als Personen, nur noch als Feindkonzept. | |
## Sie fürchten die Presse | |
Bis Donnerstagmittag gab es keine Nachrichten über verletzte | |
Journalist*innen. Aus dem fernen Vancouver in Kanada berichtet ein | |
Fotojournalist des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, von einem | |
Trump-Unterstützer einen gezielten Faustschlag ins Gesicht bekommen zu | |
haben. | |
Zwei Videoreporterinnen der Washington Post wurden nach dem Beginn der | |
Ausgangssperre kurzzeitig festgenommen. [5][Nach eigenen Angaben] wurden | |
sie jedoch sofort freigelassen, nachdem sie sich ausgewiesen hatten. | |
Es ist nicht gesagt, dass es immer so glimpflich abläuft. Mittwoch hat | |
gezeigt, dass es nur wenige Rechtsextreme braucht, um mitten in der | |
Hauptstadt Schrecken zu verbreiten. Die White Supremacists haben gelernt, | |
dass sie die Presse verjagen können. Dass die Polizei sie nicht schützt. | |
Die massive Gewalt gegen die Presse ist nur zum Teil die pure Lust am | |
Einschüchtern. Das Feindbild Presse hat Donald Trump in den letzten vier | |
Jahren aufgebaut und rechtsextreme Nischenmedien haben zur Verbreitung | |
beigetragen. Der Trumpismus fürchtet den Kontrollverlust, den eine freie | |
Presse erzeugt. Und im Gegensatz zu liberalen und pluralistischen | |
Bewegungen glaubt er auch, eine freie Presse nicht zu brauchen. Solange es | |
ein ausreichendes mediales Angebot im Netz gibt, das die zentralen | |
Botschaften von Trumps Angstideologie wiederkaut. Angst vor Migration, vor | |
„Antifa“, vor Frauen, vor allem, was anders ist. Bereits jetzt lassen sich | |
genügend Berichte auf Fox News und anderen rechten Sendern anklicken, die | |
hinter den Krawallen irrsinnigerweise einen Plot der linken „Antifa“ | |
wittern. | |
Die Gruppe gewaltbereiter Rechtsextremer, die Trump in seiner Amtszeit | |
mobilisiert hat, wird bleiben. Nicht ganz klar ist, wie groß sie ist. Durch | |
ihr Agieren innerhalb einer größeren, aber weitgehend gewaltfreien | |
Demonstration und durch den Angriff auf ein Symbol US-amerikanischer Stärke | |
haben sie sich größer gemacht, als sie sind. Aber sie sind groß genug, um | |
eine Gefahr zu sein. Nicht nur, aber auch für die Presse. „Murder the | |
Media“ mag symbolisch und nicht wörtlich gemeint sein. Aber die Gefahr ist, | |
dass immer weniger Journalist*innen das ausprobieren möchten. | |
7 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Liveticker-zu-Washington/!5742465 | |
[2] https://twitter.com/SamanthaJoRoth/status/1346984853149868033?s=20 | |
[3] https://twitter.com/heutejournal/status/1346971902770868224?s=20 | |
[4] https://twitter.com/WilliamTurton/status/1346940440935870472?s=20 | |
[5] https://twitter.com/ZoeannMurphy/status/1347040892356616198?s=20 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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