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# taz.de -- Chaos in Washington: Trump-Anhänger stürmen Kapitol
> Nach einer Rede Trumps dringen Demonstranten in das Parlament ein. Eine
> Frau stirbt nach Schüssen. Biden spricht von beispiellosem Angriff auf
> die Demokratie.
Bild: Die Wand rauf: Trump-AnhängerInnen am Capitol in Washington
Dieser Text wurde bis 0.50 Uhr laufend aktualisiert. Ein
taz-Korrespondenten-Text aus Washington [1][steht hier].
Washington rtr/dpa/ap/taz | In Washington eskalieren die Proteste von
Anhängern des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump. Nach einer
einheizenden Rede des Republikaners marschierten Trump-Unterstützer vor dem
Kapitol auf, dem Sitz des US-Parlaments. Während der Kongress sich
anschickte, den Wahlsieg von Joe Biden formell zu bestätigen, drangen
aufgebrachte Trump-Unterstützer scharenweise auf das Gelände des
Parlamentssitzes vor.
Die beiden Kongresskammern mussten ihre Sitzungen abrupt unterbrechen, die
Parlamentssäle wurden geräumt. Die designierte Vizepräsidentin Kamala
Harris wurde einem Mitarbeiter zufolge in Sicherheit gebracht.
Bei den Auseinandersetzungen im Kapitol wurde eine Frau durch Schusswaffen
so schwer verletzt, dass sie später starb. Das bestätigte eine
Polizeisprecherin am Abend. Die genauen Hintergründe waren noch unklar. Der
Chef der Polizei in der US-Hauptstadt, Robert Contee, hatte zuvor bei einer
Pressekonferenz gesagt, es habe sich bei der angeschossenen Person um
„einen Zivilisten“ gehandelt habe.
Erst nach fast vierstündigen Unruhen wurde die gewaltsame Besetzung des
US-Kapitols nach offiziellen Angaben beendet. „Das Kapitol ist gesichert“,
hieß es am Mittwoch gegen 18 Uhr Ortszeit in einer Durchsage für die noch
im Repräsentantenhaus verbliebenen Abgeordneten. In dem abgeriegelten Raum,
in dem sie ausharrten, brandete Applaus auf.
Das Repräsentantenhaus wollte noch im Laufe des Abends (Ortszeit) die
Zertifizierung des Wahlergebnisses fortsetzen. Das teilt die Präsidentin
der Kongresskammer, Nancy Pelosi, mit. Man werde die Sache zu Ende bringen.
Die Bürgermeisterin Washingtons verhängte eine Ausgangssperre von 18.00 Uhr
bis 06.00 Uhr Ortszeit.
Zuvor hatten sich schwer bewaffnete Polizisten in voller
Bereitschaftsausrüstung und mit Gasmasken ihren Weg über das Gelände
gebahnt, um die Menge zu vertreiben. An den Weststufen des Kapitols
gerieten sie immer wieder mit gewaltbereiten Trump-Unterstützern
aneinander.
Der Polizeichef sagte, zunächst seien 13 Personen festgenommen und fünf
Waffen sichergestellt worden. Auch die Nationalgarde und andere
Sicherheitskräfte waren ans Kapitol gerufen. Mindestens eine Person wurde
angeschossen.
## Biden: beispielloser Angriff auf die Demokratie
Der designierte Präsident Joe Biden hatte sich zuvor in einer Ansprache aus
seinem Büro in seinem Wohnort in Wilmington, Delaware, an die
US-Öffentlichkeit gewandt. Die Demokratie der USA werde in diesem Moment
angegriffen, sagte Biden. Ins Kapitol einzudringen, Büros zu verwüsten und
eine Sitzung des Kongresses zu unterbrechen, sei kein Protest, das sei ein
Aufstand, sagte er. Biden forderte Präsident Donald Trump in dramatischen
Worten auf, sofort vor die nationalen Fernsehkameras zu treten und seine
Anhänger*innen zum Rückzug aufzurufen.
Fast gleichzeitig veröffentlichte Trump [2][auf seinem Twitter-Account ein
Video], in dem er tatsächlich seine Anhänger zum Rückzug aufrief. Er
verstehe ihren Schmerz darüber, dass die Wahl gestohlen worden sei, wie
jeder wisse. So etwas sei noch nie passiert. Aber man brauche Frieden und
Recht und Gesetz, deshalb sollten sie nach Hause gehen.
Das Video wurde von Facebook, YouTube später auch von Twitter gelöscht. Der
Nachrichtendienst hatte die umstrittene Aufnahme zuvor schon mit einer
Warnung versehen und seine Weiterverbreitung unterbunden.
## Trump heizte ein
Vor dem Sturm auf das Kapitol hatte Trump in einer Ansprache vor Tausenden
Anhängern unweit des Weißen Hauses seine nicht belegten Vorwürfe
wiederholt, dass er um den Wahlsieg betrogen worden sei. „Man tritt nicht
ab, wenn Diebstahl im Spiel ist“, sagte er. „Unser Land hat die Nase voll,
und wir werden es nicht mehr hinnehmen.“
Trump erhöhte in seiner Ansprache auch den Druck auf seinen Vizepräsidenten
Mike Pence, den Kongress an der Bestätigung des Wahlergebnisses zu hindern.
Sollte sein Vize dies nicht tun, wäre er „sehr enttäuscht“, sagte Trump.
Pence selbst hatte die Kongressberatungen in seiner verfassungsmäßigen
Rolle als Senatspräsident eröffnet. Er sagte zwar, er teile „Bedenken“
hinsichtlich der „Integrität“ der Wahl. Zugleich betonte er aber, die
Verfassung sehe nicht vor, dass er allein Wahlergebnisse annehmen oder
zurückweisen könne.
## Forderung nach Amtsenthebung von Trump
Der Präsident des US-Industrieverbandes National Association of
Manufacturers ruft dazu auf, eine Amtsenthebung von Präsident Donald Trump
zu prüfen. Trump habe „Gewalt angestachelt beim Versuch, an der Macht zu
bleiben“, erklärt Jay Timmons. Vize-Präsident Mike Pence solle die
Anwendung des 25. Verfassungszusatzes erwägen. Dieses regelt eine
Amtsenthebung des Präsidenten.
Ähnliche Forderungen folgten aus den Reihen der Demokraten. Die
Kongressabgeordnete Ilhan Omar teilte am Mittwoch auf Twitter mit, sie
fertige bereits Artikel zur Anklageerhebung an. „Wir können nicht zulassen,
dass er im Amt bleiben, es ist eine Frage der Erhaltung unserer Republik,
und wir müssen unseren Eid erfüllen.“ Ihre Kollegin Carolyn Bourdeaux
schloss sich der Forderung an und machte Trump persönlich für den Angriff
verantwortlich.
Die demokratische Kongressabgeordnete Ayanna Pressley schrieb auf Twitter:
„Donald J. Trump sollte sofort vom Repräsentantenhaus angeklagt und vom
Senat der Vereinigten Staaten aus dem Amt entfernt werden, sobald der
Kongress wieder zusammentritt.“ Der demokratische Kongressabgeordnete Ted
Lieu rief Vizepräsident Mike Pence dazu auf, Trump auf Basis des 25.
Zusatzartikels der Verfassung für amtsunfähig zu erklären.
## Rechtsextreme bei der Trump-Demonstration
An der Demonstration mit dem Motto „Rettet-Amerika-Marsch“ nahmen auch
Mitglieder von rechtsextremen Gruppen und Bürgerwehren teil. Trump-Anhänger
riefen „Legt den Sumpf trocken“ und „Fuck Joe Biden“. Auf Flaggen stand
„Join or die“ („Mach mit oder stirb“).
Nach der Rede des Präsidenten waren Demonstranten zum Parlamentssitz
gezogen, hatten Barrikaden umgeworfen und sich auf dem Kapitol
Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Diese setzte Tränengas und
Pfefferspray ein. Auf den Treppen des Parlamentsgebäudes wurden
Trump-Flaggen entrollt. Vor dem Sitzungssaal des Repräsentantenhauses fand
einem Bericht von CNN zufolge eine Konfrontation mit Bewaffneten statt. Es
seien Waffen gezogen worden.
Auch in anderen US-Bundesstaaten protestierten Trump-Anhänger laut einem
CNN-Bericht vor nationalen Parlamenten, allerdings in wesentlich kleinerer
Zahl und meist friedlich. Derartige Proteste habe es in Georgia, Kansas,
Colorado und Oregon gegeben.
Biden hatte zwei Wochen vor seinem Amtsantritt auf eine endgültige
Verschiebung des Machtgefüges in Washington zu seinen Gunsten hoffen
können. Seine Demokraten hatten neben dem Repräsentantenhaus auch die
Mehrheit im Senat zu erobern. Bei den entscheidenden Stichwahlen im
Bundesstaat Georgia um zwei noch offene Sitze im Senat [3][setzten sich die
demokratischen Bewerber durch].
Der Gewinn des einen Sitzes hatte schon Stunden zuvor festgestanden. Die
Meldung, dass die Demokraten auch den zweiten Sitz und damit die Mehrheit
im Senat erringen konnte, kam just während der Ausschreitungen im
Parlament.
## Internationales Entsetzen
Außerhalb der USA werden die Vorgänge in Washington heftig kritisiert.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht [4][auf Twitter] von
„schockierenden Szenen“. Das Ergebnis der „demokratischen Wahl“ müsse
respektiert werden.
„Die Szenen von heute Nacht in Washington, D.C. zu beobachten, ist ein
Schock“, schrieb EU-Ratschef Charles Michel am Mittwoch auf Twitter. „Wir
vertrauen den USA, dass sie eine friedliche Machtübergabe zu Joe Biden
sicherstellen.“
Ähnlich äußerte sich EU-Parlamentspräsident David Sassoli: „Tief
beunruhigende Szenen vom US-Kapitol heute Abend.“ Demokratische Wahlen
müssten respektiert werden. „Wir sind sicher, dass die USA sicherstellen
werden, dass die Regeln der Demokratie geschützt werden.“
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sprach von einem „inakzeptablen Angriff
auf die Demokratie“. „Schockiert über die Szenen in Washington“, twittert
Kurz auf englisch. Nun müsse eine friedliche und geordnete Machtübergabe
gesichert werden.
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hat US-Präsident Donald
Trump aufgefordert, seine Wahlniederlage endlich anzuerkennen. Es gebe
„schreckliche Bilder aus Washington“, twittert Rutte. „Sehr geehrter Herr
Trump, erkennen Sie heute Joe Bidens Wahlsieg an.“
Auch die Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE), Schwedens Außenministerin Ann Linde, hat die Unruhen als
„Angriff auf die Demokratie“ bezeichnet. Die dramatischen Ereignisse in
Washington seien zutiefst beunruhigend: „Ich fordere eine friedvolle
Rückkehr zu Ordnung und Respekt für den demokratischen Prozess“, schrieb
Linde in der Nacht zu Donnerstag auf Twitter.
6 Jan 2021
## LINKS
[1] /Sturm-aufs-Kapitol-in-Washington/!5742461
[2] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/1346928882595885058
[3] /Stichwahlen-im-US-Staat-Georgia/!5738215
[4] https://twitter.com/jensstoltenberg/status/1346917585535823872
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