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# taz.de -- ZDF-Korrespondent über Gewalt am Kapitol: „Einer sagte ‚You ar…
> Elmar Theveßen stand mit seinem ZDF-Team hinter dem Kapitol, als hunderte
> Trump-Anhänger in den Pressebereich drängten. Auf die Polizei vertraute
> er lieber nicht.
Bild: Trauriger Anblick von dem, was von der Pressefreiheit in den USA übrig g…
taz: Herr Theveßen, am Mittwoch wurden Sie und Ihr Kamerateam am Kapitol in
Washington von Rechtsextremen angegriffen. Sie waren dort, um für das ZDF
über [1][die Demonstrationen] zu berichten. Wann wurde Ihnen klar, dass die
Lage eskaliert?
Elmar Theveßen: Wir standen an der Rückseite des Kapitols, dort ist eine
asphaltierte Fläche mit Strom- und Videoanschlüssen für die
TV-Berichterstattung. Wir standen dort mit Kollegen von Associated Press
und einigen asiatischen Medien. Wir hatten bereits den Tag über berichtet
und die Menschenmassen kommen sehen. Wir hatten jedoch zunächst
entschieden, dass wir dort, wo wir stehen, erst mal sicher sind.
Dann hat die Polizei auf der anderen Seite begonnen zu räumen. Man hörte
Blendgranaten und sah Tränengasschwaden. Das hat offenbar einige Hundert
oder auch einige Tausend auf unsere Seite herübergedrängt. Und wir waren
die Ersten, die ihnen sozusagen im Weg standen. Ich merkte, wie auf einmal
eine große Schar von Protestlern auf uns zukam, einige vermummt. Die waren
anscheinend alkoholisiert und haben [2][ihre Wut sofort an uns
ausgelassen].
Konnten Sie diese Angreifer bestimmten Gruppen zuordnen?
Ich glaube das Abzeichen der Proud Boys gesehen zu haben, eindeutig waren
darunter aber Abzeichen von Milizengruppen. Nach der Aufforderung des
Präsidenten, auf der Pennsylvania Avenue aufzumarschieren, waren ja bereits
[3][große Gruppen von Milizen] zu sehen gewesen.
Was passierte dann?
Sie schrien Dinge wie „Feinde des Volkes“, „Volksverräter“, „Fake Ne…
Sie haben die Metallbarrieren um uns herum umgeworfen, Equipment an sich
gerissen, Stative auf den Boden geworfen und uns bedrängt. Wir haben dann
begonnen, zusammenzupacken. „You are next“, sagte einer. Wir haben das
ernst genommen, unsere Rucksäcke geschnappt und sind gegangen. Wir wurden
allerdings nicht verfolgt und mussten auch nicht rennen. Mein Kameramann
ist geschubst worden, ich selbst wurde nicht körperlich angegangen.
Haben Sie etwas Ähnliches schon mal erlebt?
Ich selbst nur in Deutschland Anfang der 90er, als ich etwa über die FAP
berichtet habe, also Neonazis, die sich auch manchmal gegen die Medien
richteten. Als stellvertretender ZDF-Chefredakteur habe ich mitbekommen,
wenn Kollegen zum Beispiel in Sachsen oder Nordrhein-Westfalen angegriffen
wurden.
Wie kam es, dass Sie und die anderen Teams am Kapitol ungeschützt waren?
Mich hat das gewundert, aber am Ende dann auch nicht überrascht. Im Sommer
haben wir bei den [4][„Black Lives Matter“-Protesten] schon gesehen, dass
die Polizei in aller Rücksichtlosigkeit auch gegen Medienvertreter
vorgegangen ist. Da macht es keinen Unterschied, ob man als Presse zu
erkennen ist. Allerdings kamen wir am Mittwoch in der Annahme, dass unser
Standort innerhalb des Sicherheitsbereichs liege, dass wir also von den
Demonstranten getrennt seien.
Als wir ankamen, stellte sich heraus: Die Trennlinie der Polizei war viel
dichter ums Kapitol gezogen als gedacht. Da war mir schon klar, dass wir
angesichts der Mengen von Menschen auf die Hilfe der Polizei nicht
vertrauen konnten. Das sieht die Polizei hier übrigens auch nicht als ihre
Aufgabe an, sondern als die der Journalisten. Wir haben hier beim
ZDF-Studio deshalb immer eine Schutzausrüstung dabei. Schlagsichere Westen
mit der Aufschrift „Press“, Schutzbrillen, verstärkte Baseballmützen und
Helme. Allerdings werden wir unser Sicherheitskonzept mit Blick auf den
Inauguration Day auch noch mal nachjustieren.
Wie haben Sie selbst die Entwicklung der Stimmung gegenüber der Presse in
den letzten zwei Jahren in den USA wahrgenommen?
Als massiv verschlechtert. Ich war in den 90ern schon mal hier, damals gab
es so gut wie keine Angriffe, weder verbal noch physisch. Jetzt bemerke
ich, dass die Verachtung gegenüber den Medien, vor allem CNN, MSNBC, aber
auch anderen sehr groß ist. Teilweise ist es schlicht Hass. Wir haben bei
Trump-Veranstaltungen erlebt, wie Trump die Stimmung so aufheizte, dass
man, wenn man dort stand, stark beschimpft wurde oder ausgepfiffen. Das
Gefühl, dass die Stimmung auch mal handgreiflich werden würde, war also
schon dagewesen.
Sie finden also ebenfalls, die Ereignisse vom Mittwoch hätten vorausgesehen
werden müssen.
Absolut. Ich habe über Extremismus in jeder Form und Farbe berichtet und
ich finde es hanebüchen, wie naiv [5][die Sicherheitsbeamten] hier
vorgegangen sind. Man kannte die Klientel, die kommen würde. Ist es
Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit – oder sogar Absicht? Dafür gibt es keinen
Beweis. Der Polizeichef sagt, dass man auf Deeskalation habe setzen wollen.
Das könnte natürlich eine Reaktion auf die unverhältnismäßige Härte bei B…
gewesen sein – aber es war in jedem Falle falsch, naiv und unprofessionell.
9 Jan 2021
## LINKS
[1] /Rechter-Sturm-auf-US-Kongress/!5738355
[2] /Trump-und-der-Sturm-aufs-Kapitol/!5742463
[3] /Nach-dem-Sturm-auf-das-US-Kapitol/!5738598
[4] /Black-Lives-Matter-Proteste-in-den-USA/!5703846
[5] /Soziologe-ueber-Polizei-in-den-USA/!5695764
## AUTOREN
Peter Weissenburger
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