# taz.de -- Benee und ihr Debütalbum „Hey U X“: Im Jahr der Schnecken | |
> Die neuseeländische Popsängerin Benee veröffentlicht ihr Debütalbum „Hey | |
> U X“. Darin geht es um mächtige Gefühle und das Alleinsein zu Haus. | |
Bild: Benee aka Stella Rose Bennett, die aus einem Vorort von Auckland stammt | |
Dieser Pullover sagt schon fast alles. Die Worte, die wie ein Graffiti-Tag | |
in ihn eingestrickt wurden, fassen zusammen, was das große Versprechen der | |
Popmusik der neuseeländischen Sängerin Benee ist. „X-Perience/Fake | |
World/Keep It Real“ steht da. Also, nicht den schönen Schein der Oberfläche | |
zelebrieren, sondern (vermeintlich) unmittelbare, unverfälschte Einblicke | |
ins Seelenleben einer gerade Erwachsengewordenen zu artikulieren. | |
Der körperfern geschnittene Wollpullover stammt von dem Label Perks and | |
Mini. Benee trägt ihn in einigen Szenen ihres Videos zum Song „Supalonely“. | |
Sie hampelt darin im Flur herum, fläzt sich in der leeren Badewanne, klopft | |
Staub vom Teppich, kauert vor dem Fernseher. Was man eben so macht, allein | |
zu Hause und im Video. „Supalonely“ ist Benees bislang größter Hit. | |
Veröffentlicht hat sie die Single Ende des letzten Jahres. Durch die Decke | |
ging er aber erst 2020, als er zur inoffiziellen Lockdown-Hymne avancierte. | |
Auf Spotify wurde „Supalonely“ bislang mehr als 464 Millionen Mal | |
abgespielt. | |
Benee heißt bürgerlich Stella Rose Bennett, ist 20 und stammt aus einem | |
Vorort von Auckland. Nun hat sie ihr Debütalbum veröffentlicht: „Hey U X“, | |
ein Titel wie eine SMS, die man der besten Freundin schickt, wenn die einen | |
schlechten Tag hat. 13 Songs, knapp 45 Minuten Alternative Pop mit | |
R&B-Einflüssen, Autotune und Breakbeats, Trap- und Funk-Anleihen, bei dem | |
die junge Künstlerin erstaunlich illustre Unterstützung fand. Grimes ist | |
auf „Sheesh“ zu hören, Lily Allen und Flo Milli auf „Plain“, Gus Dappe… | |
auf „Supalonely“. | |
## Auf Soundcloud entdeckt | |
Entdeckt wurde Bennett 2017 von dem Produzenten Josh Fountain auf | |
Soundcloud, der auch schon den neuseeländischen Popstar Lorde aufpäppelte. | |
Zusammen veröffentlichten sie ihre ersten beiden Singles „Tough Guy“ (2017) | |
und „Soaked“ (2018). | |
2018 schmiss Bennett ihr Studium der Kommunikationswissenschaften, um sich | |
auf die Musik zu konzentrieren. 2019 folgten ihre EPs „Fire on Marzz“ und | |
„Stella & Steve“, mit denen sich Bennett in eine Riege junger Künstlerinnen | |
einreihte, die ein gewisses Sad-Girl-Image eint, das nicht nur bei der | |
Generation Z gut ankommt. | |
Beschleunigt wurde das im Falle von Benee noch von einem anderen Phänomen | |
unserer Zeit. So nämlich werden heutzutage Popmärchen gesponnen: Man nehme | |
[1][einen tanzbaren Song („Supalonely“) und ein*e TikToker*in mit möglichst | |
großer Reichweite] (die Kalifornierin Zoi Lerma / @zoifishh). | |
„Supalonely“ ging im Frühjahr viral, weil der Song so gut in die vom Virus | |
geprägte Stimmung passte. Über zehn Millionen TikTok-Videos gibt es bis | |
jetzt zu dem Song, mit Adaptionen von Lermas Tanz. Eigenen Angaben zufolge | |
ist Benee selbst nicht in der Lage, ihn nachzutanzen, was aber | |
möglicherweise ihre Art von Koketterie mit eigenen Unzulänglichkeiten ist. | |
## Geheimrezept sind schmissige Feelgoodsongs | |
Oft schon ist Benee in einem Atemzug [2][mit dem Popstar der Stunde genannt | |
worden, mit Billie Eilish]. Beide sind ungefähr gleich alt, machen | |
verqueren, dennoch mainstreamtauglichen Bedroom-Pop, haben eine Schwäche | |
für grüne, blaue oder andersfarbige Haare, verweigern sich dem Gebot der | |
Sexyness, [3][wie es eigentlich spätestens seit den 1990er Jahren für | |
Frauen im Pop gilt]. Sie gehen weder mit ihrem Körper noch mit ihrer | |
fantastischen Stimme hausieren. | |
Bennett selbst sind solche Vergleiche eher unangenehm. So ganz reicht sie | |
an die kalifornische Schwester im Geiste tatsächlich nicht heran, dafür | |
plätschert ihre Musik doch ein wenig zu luftig-niedlich daher. | |
Andererseits ist es aber genau das, was den Reiz ihrer Musik ausmacht. Sie | |
muntert auf, selbst wenn alles trist und grau ist, verpackt melancholische | |
Texte in fröhlichen Pop, in Melodien, die man mitsingen kann. Das ist auch | |
das Geheimrezept von „Supalonely“, einem schmissigen Feelgoodsong über eine | |
Trennung, geeignet für die Aufarbeitung von Liebeskummer wie auch als | |
Quarantäne-Blues – oder der nicht empfehlenswerten Kombination aus beidem. | |
Bennett singt ansonsten über toxische Beziehungen („Sheesh“) und | |
Selbstzweifel („Kool“), über Ängste vorm Entführtwerden („Night Garden… | |
oder vor Flugzeugabstürzen („Happen To Me“) und über andere ungute | |
Gefühlszustände, aber so, dass man alle Negativität wegtanzen möchte. Am | |
besten auf einer Pyjamaparty in einem albernen Einteiler mit Katzenohren. | |
Den Lockdown verbrachte Bennett allerdings ein wenig anders. Ihr | |
eigentlicher Quarantäne-Song handelt von etwas, auf das man so schnell | |
(ha!) vermutlich nicht gekommen wäre. Von Schnecken nämlich. Mit der | |
Beobachtung der Tiere hat die Musikerin eigenen Angaben zufolge lange | |
Stunden dieses Jahres im Garten ihres Elternhauses zugebracht. | |
28 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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