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# taz.de -- Programme für die Zukunft: Wissenschaft vermitteln
> Viele Akteure, die sich mit Wissenschaftskommunikation beschäftigen,
> suchen nach neuen Wegen, über Forschung zu informieren. Das ist
> schwierig.
Bild: Besucherin mit Maske im Futurium, dem „Haus der Zukünfte“in Berlin
Zum Schluss ihrer Etatberatungen genehmigten die Bundestags-Haushälter der
Wissenschaftskommunikation noch einen ordentlichen Schluck extra aus der
Pulle. Zusätzlich zu den 17,6 Millionen Euro, die im Haushalt des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in 2021 für die
Vermittlung von Wissenschaft in die Gesellschaft vorgesehen waren, gab es
in der legendären „Bereinigungssitzung“, die in der vorigen Woche den
Etatsack zuknüpfte, noch weitere 2,35 Millionen Euro obendrauf.
„Die Coronakrise hat gezeigt, wie wichtig verlässliche Informationen in der
öffentlichen Debatte sind“, sagte der Vorsitzende des
Bundestags-Forschungsausschusses, Ernst Dieter Rossmann. Mit dem Geld
sollen auch „digitale Innovationen im Wissenschaftsjournalismus, mehr
Weiterbildung und neue Forschungsprojekte“ in der
Wissenschaftskommunikation angeschoben werden.
Noch nie hatten die Nischenthemen Wissenschaftskommunikation und
Wissenschaftsjournalismus so viel politische Aufmerksamkeit gefunden wie in
diesem Jahr. Das Interesse hatte zwei Treiber: Anja Karliczek und Corona.
Die CDU-Forschungsministerin hatte, kaum im Amt und mit keinerlei
Vorkenntnissen im Wissenschaftsfach, das Thema Wissenschaftskommunikation
[1][zu einem ihrer Arbeitsschwerpunkte erkoren].
Dabei könnte auch das [2][„Futurium“, das „Haus der Zukünfte“] direkt…
dem BMBF-Gebäude im Berliner Regierungsviertel, eine motivierende Rolle
gespielt haben. Denn das Forschungsministerium fördert die Einrichtung mit
dem Auftrag zur Wissenschaftspopularisierung jährlich mit weiteren über 16
Millionen Euro institutionell. Und nicht genug. Erstmals bekommt 2021 auch
das erfolgreiche „Haus der kleinen Forscher“ – ein bundesweiter Ansatz f�…
die naturwissenschaftliche spielerische Grundbildung im Kindergarten – eine
BMBF-Förderung von 13 Millionen Euro. Das ist mehr, als das Ministerium in
seine Nationalakademie der Wissenschaften Leopoldina (10,9 Millionen)
investiert.
Zusammen mit den Grundetat der Wissenschaftskommunikation, aus dem unter
anderem die traditionellen Wissenschaftsthemenjahre finanziert werden,
gibt sich das Haus Karliczek sehr spendabel bei der Vermittlung von
Wissenschaftserkenntnissen an Jung und Alt.
## Empfehlungen erarbeitet
Und es soll noch weiter gehen. Zur konzeptionellen Weiterentwicklung kam
Ende September die [3][sogenannte #factory wisskomm] im Berliner Westhafen
zusammen. Die Spitzen der deutschen Forschungsförderung berieten dort für
einen Tag über neue Formate, mit denen sich, so die Zielsetzung,
„Forschende in öffentliche Debatten einbringen“ können. Zu sechs
Schwerpunktthemen sollen bis ins kommende Frühjahr Empfehlungen erarbeitet
werden, darunter die Wirkungsmessung von Wissenschaftskommunikation, eine
bessere Anerkennung und Reputation für das Thema in der Scientific
Community, die Bürgerbeteiligung in Form von „Citizen Science“ und auch die
Stärkung des Wissenschaftsjournalismus.
Zu Letzterem hat Ministerin Karliczek jedoch ein erkennbar diffiziles
Verhältnis. Zwar machte sie im Sommer, als ihr Forschungsschiff zur
Bioökonomie über den Rhein schipperte, in Köln Station beim dortigen
Science Media Center (SMC). Dieses wurde vor fünf Jahren von Journalisten
für Journalisten gegründet, um wichtige Aufsätze aus wissenschaftlichen
Fachjournalen schneller und präziser in die Massenmedien transportieren zu
können. In diesem Coronajahr hat das von dem früheren FAZ-Journalisten
Volker Stollorz mit Mitteln aus der Klaus Tschira Stiftung aufgebaute
Zentrum durch seine kontinuierliche und vertiefte Pandemieberichterstattung
hohe Reputation auch in der Wissenschaftswelt gefunden. Selbst
Charité-Virologe Christian Drosten attestierte dem deutschen
Wissenschaftsjournalismus in der derzeitigen Situation „Systemrelevanz“.
Tatsächlich ist der Medizin- und Gesundheitsjournalismus derzeit auf der
Gewinnerstraße. Andere Themenfelder und ihre Autoren finden wegen der
Coronadominanz weniger Absatz. Die Wissenschaftspressekonferenz (WPK), der
Berufsverband von rund 200 deutschen Wissenschaftsjournalisten, startete im
Frühjahr die Hilfsaktion „Recherchefonds Covid-19“. Finanziert aus Mitteln
privater Stiftungen, konnte damit jenseits von Redaktionsetats die
Erstellung von Artikeln finanziert werden (auch der Autor dieses Textes
profitierte davon).
Ein Lichtblick war im September der „Leipziger Impuls“, auf den sich die
Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland verständigten.
„Dem Weltbild der Aufklärung verpflichtet“, heißt es darin, bemesse sich
„journalistische Qualität auch an der Frage, wie wissenschaftliche
Erkenntnisse konstruktiv-kritisch überprüft, datenjournalistisch kompetent
aufbereitet und ausgewogen eingeordnet werden“. Und, wichtig für
Journalisten, nach Stellenkürzungen der Sender in den Vorjahren: „Um dieser
Verantwortung gerecht zu werden, sollten Qualität und Quantität des
Wissenschaftsjournalismus ausgebaut und enger mit den tagesaktuellen
Informationsangeboten verzahnt werden“.
Weithin ungeklärt ist aber die strukturelle Weiterentwicklung des
Wissenschaftsjournalismus in Zeiten des Medienwandels. Auf der einen Seite
keimen Selbsthilfelösungen von Journalisten, die sich auf neue
Verbreitungswege wagen – von denen einige gelingen (SMC), andere scheitern
(„Substanz“). Die andere Seite der Problem-Medaille sind neue
institutionelle Lösungen, wie sie auch vom Forschungsausschuss des
Bundestages in den Blick genommen wurden. Nach Anhörungen und
Plenardebatten beschloss das Parlament im September in einer wenig
beachteten Abendsitzung seine Empfehlungen.
Darin wird gefordert, „im Rahmen des strategischen Dialog über die
Weiterentwicklung der Wissenschaftskommunikation (#FactoryWisskomm) auch
nach Wegen zur Stärkung des Wissenschaftsjournalismus“ zu suchen. Der
Bundestag spricht sich dafür aus (die Regierungsfraktionen votierten dafür,
die AfD dagegen, die übrigen Oppositionsfraktionen enthielten sich),
„Konzepte zu entwickeln, um strukturbildende und innovative Projekte im
Wissenschaftsjournalismus zu fördern, die dann auch zeitnah umgesetzt
werden können“. In diesem Zusammenhang solle auch „geprüft werden, ob es
einen Bedarf für eine ‚Agentur für Wissenschaftskommunikation‘ gibt und
welche Ausgestaltungsformen grundsätzlich und unter Berücksichtigung der
verfassungsrechtlichen Möglichkeiten in Betracht kommen“.
Ob Ministerin Karliczek als Exekutive diesen Parlamentsauftrag annimmt,
darf bezweifelt werden. Sowohl im Konzeptpapier des BMBF wie auch in den
Parlamentserörterungen geht das Ministerium auf Distanz zum
Wissenschaftsjournalismus. Vertreten wird die Position, dass jegliche
Förderung einer Antastung der journalistischen Unabhängigkeit gleichkomme.
Von dieser Position grenzen sich etwa die Grünen – und nicht nur sie –
„sehr klar und deutlich ab“, erklärte die forschungspolitsche Sprecherin im
Bundestag, Anna Christmann. „Die Aussage von Bundesministerin Karliczek,
dass sie Wissenschaftsjournalismus keinesfalls von Bundesseite unterstützen
möchte, hat mich sehr überrascht“, so Christmann. „Das halte ich für eine
große Lücke ihres Programms.“
Aber auch von der anderen Seite her ist das Verhältnis zwischen
Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftspolitik nicht spannungsfrei. Als
Ende November die EU-Forschungsminister zu ihrem letzten Treffen unter
deutscher Ratspräsidentschaft virtuell zusammenkamen, um über die weitere
Entwicklung des „Europäischen Forschungsraums“ (EFR) zu sprechen, da hatte
das BMBF die führenden Zeitungen der Republik mit inhaltsleeren
EFR-Werbeanzeigen vollgepflastert. Durchaus eine Form der Presseförderung.
Als dagegen die beiden leitenden Ministerinnen, EU-Forschungskommissarin
Marija Gabriel und BMBF-Chefin Karliczek in einer Videokonferenz vor die
Presse traten, da gab es von allen Wissenschaftsjournalisten Europas nur
eine einzige Frage. Und die betraf auch noch ein anderes Thema, nämlich die
Finanzierung des EU-Forschungsrahmenproramms „Horizon Europe“. Das
anhaltende Desinteresse des Wissenschaftsjournalismus an den Abläufen der
Forschungspolitik und ihre fehlende kritische Begleitung ist auch ein Teil
des Kommunikationsproblems, das es zu lösen gilt.
5 Dec 2020
## LINKS
[1] /BMBF-und-Wissenschaftskommunikation/!5640262
[2] /Wissenschaftsjahr-2020/!5653702
[3] /Wissenschaftskommunikation-verbessern/!5685316
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
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