# taz.de -- Wissenschaftskommunikation verbessern: Auf Wiedervorlage im Bundest… | |
> Das Ziel ist, die Zusammenarbeit von Forschung, Politik und Gesellschaft | |
> zu verbessern. Viele Projekte liegen wegen Corona derzeit auf Eis. | |
Bild: Biomüll-Forschung an der Uni Hamburg. Wissenschaftskommunikation soll ni… | |
BERLIN taz | Ein politischer Wiedergänger besuchte am Mittwoch den | |
Deutschen Bundestag. Im Forschungsausschuss des Parlaments hatte sich das | |
Thema „Wissenschaftskommunikation“ eingefunden, wie bereits im Jahre 2015, | |
als schon einmal über die Beziehungsverbesserung zwischen Wissenschaft, | |
Politik und Gesellschaft in einer Expertenanhörung intensiv beraten wurde. | |
Wer die Augen schloss, hörte viele der Argumente von damals im | |
Replay-Modus, teilweise von denselben Sachverständigen vorgetragen. Wer | |
aber offen hinblickte, dem fiel sofort der Unterschied auf: Abgeordnete wie | |
Experten begegneten sich vermummt; nur zum Sprechen wurden die | |
Community-Masken zum Schutz vor dem Coronavirus abgenommen. Eben doch ein | |
Wandel in der Kommunikation über Wissenschaft. | |
Anlass für die Beratung war ein Auftrag aus dem Koalitionsvertrag von Union | |
und SPD, nach neuen Wegen in der Wissenschaftskommunikation zu suchen, was | |
in der vorangegangenen Legislaturperiode unerledigt geblieben war. Die | |
Regierungsfraktionen hatten Ende letzten Jahres einen Antrag mit konkreten | |
Verbesserungspunkten eingebracht, die neben der Öffentlichkeitsarbeit der | |
Hochschulen und Forschungsinstitute auch die prekäre Lage des | |
Wissenschaftsjournalismus in den Blick nahm. | |
Damals, vor Corona, als sich auch das Bundesministerium für Bildung und | |
Forschung (BMBF) [1][mit einem eigenen Grundsatzpapier in die Debatte um | |
die Wissenschaftskommunikation 2.0 einbrachte,] war alles noch viel größer | |
gedacht. Die Pandemie hat aber alle Planungen zur Makulatur gemacht. Der | |
Münchener Wissenschaftsjournalist Reiner Korbmann gab in dieser Woche auf | |
seinem Blog „Forschung kommuniziert“ eine Zusammenfassung der aktuellen | |
Lage: „Der vom Forschungsministerium geplante Spitzendialog zur | |
Wissenschaftskommunikation #FactoryWisskomm: auf Ende September | |
verschoben; die Entschließung des Bundestags zum Thema: Ende Mai jetzt erst | |
einmal ein Hearing im Forschungsausschuss; der Forschungsgipfel 2020 in | |
Berlin: abgesagt; die im Juni geplante Tagung, | |
Wissenschaftskommunikation' des Wissenschaftsrats in Tutzing: um | |
elf Monate verschoben; die Jahrestagung des Bundesverbands | |
Hochschulkommunikation im September, eines der großen Branchentreffen: | |
abgesagt; der jährliche Treffpunkt der ganzen Szene, das,Forum | |
Wissenschaftskommunikation' findet Anfang Oktober möglicherweise | |
nur,hybrid' statt, also vorwiegend virtuell – Entscheidung im Juni.“ | |
Immerhin: Der Bundestag gab nicht klein bei. In der Anhörung der neun | |
Sachverständigen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Journalismus gab | |
Steffi Ober [2][von der bürgerschaftlichen Plattform „Forschungswende“] den | |
Ratschlag, die „Coronakrise auch als Chance zu nutzen“. Jetzt lasse sich | |
auf neue Weise „erfahren, wie Wissenschaft, Politik und Gesellschaft Hand | |
in Hand arbeiten, um ein Problem zu lösen“, sagte Ober, die auch für die | |
Naturschutzorganisation NABU tätig ist. „Wir sollten diese Erfahrung | |
nutzen, um zu erkennen, dass wir den Menschen, uns als Gesellschaft, viel | |
mehr zutrauen können an einschneidenden Maßnahmen, um den Klimawandel zu | |
stoppen und die Biodiversität nicht ganz zu verlieren“. | |
## Die Menschen mitnehmen | |
Der Kampf gegen das Virus sozusagen als Trainingscamp für die große | |
Klimakrise. In diesem Kontext sollte Wissenschaftskommunikation, so die | |
Sprecherin der Forschungswende, „nicht länger entweder wissenschaftliche | |
Publikationen für das Fachpublikum oder Hochglanzbroschüren für die | |
Allgemeinheit präsentieren, sondern die Menschen mitnehmen in ihrem Prozess | |
des Fragens und Forschens“. | |
Die Öffnung der Wissenschaft für das Interesse und die Beteiligung aus der | |
Gesellschaft – ob durch Mittel der Bürgerforschung (Citizen Science) oder | |
andere partizipative Formate – war in dem Fachgespräch allseits akzeptiert. | |
Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-André Alt, | |
kündigte sogar an, „Qualitätskriterien für die Wissenschaftskommunikation | |
und mehr Verbindlichkeit durch Selbstverpflichtung in den Hochschulen | |
anzustreben“. | |
Unklarer blieb in der Debatte, wie dem Wissenschaftsjournalismus zu helfen | |
ist, für den es immer weniger Arbeitsstellen und Publikationsräume gibt. | |
Für den Ausschussvorsitzenden Ernst Dieter Rossmann gab es „eine breite | |
Zustimmung für die Feststellung, dass der Wissenschaftsjournalismus ein | |
öffentliches Gut ist, das Anerkennung und Förderung verdient“. Deshalb | |
spreche sich die SPD-Bundestagsfraktion „für ein Stiftungsmodell in | |
öffentlicher und privater Partnerschaft“ aus, weil darin „die | |
grundgesetzlich garantierte Freiheit von Wissenschaft und Presse | |
gleichermaßen verwirklicht werden kann“. | |
Vielleicht wird die eigentliche Rettung des Wissenschaftsjournalismus vor | |
allem in der Nutzung neuer digitaler Möglichkeiten liegen, mit der neue | |
Vertriebswege und Geschäftsmodelle etabliert werden können. | |
„Professioneller Wissenschaftsjournalismus ist weltweit, aber auch | |
hierzulande, eine vom Aussterben bedrohte Spezies“, beklagte Volker | |
Stollorz, der früher für den Wissenschaftsteil der FAZ geschrieben hat und | |
heute das Science Media Center in Köln leitet, einen | |
Fachinformationsdienst für Wissenschaftsjournalisten. | |
„Wir verlieren aufgrund äußerst unsicherer Berufsaussichten derzeit eine | |
ganze Generation von gesellschaftlich dringend benötigten, nicht durch | |
Blogger oder Influencer ersetzbare Spezialisten“, warnt der Medienprofi. | |
Stollorz hat Vorstellungen von einem „künftigen digitalen Ökosystem der | |
journalistischen Wissenschaftskommunikation in Zeiten der digitalen | |
Plattformökonomie“, über die „für die breite Öffentlichkeit richtiges u… | |
wichtiges Wissen frei zirkulieren kann“. | |
Er plädiert deshalb „für staatliche geförderte Experimente im | |
Wissenschaftsjournalismus“, so wie auch das Science Media Center bei seinem | |
Start 2016 ein Experiment war. Wesentlicher Finanzgeber für das | |
Journalistenbüro, das frische Forschungsergebnisse für die schnelle | |
Benutzung in den Redaktionen aufbereitet, ist bis heute die | |
Klaus-Tschira-Stiftung. Der frühere SAP-Gründer legte einen Teil seines | |
Vermögens in Projekte zur Wissenschaftsvermittlung an. Die Erfolge eines | |
Digitalunternehmens helfen so indirekt bei der Modernisierung des | |
Wissenschaftsjournalismus in Deutschland. | |
Aufgabe des Wissenschaftsjournalismus – auch das ist ein | |
Unterscheidungspunkt zur Wissenschaftskommunikation – ist es, kritische und | |
unbequeme Fragen zu stellen. So hält es auch Jan-Martin Wiarda, freier | |
Fachjournalist für Bildungs- und Hochschulpolitik, der sich als | |
eingeladener Experte die süffisante Bemerkung erlaubte: „Die Debatte über | |
die Gegenwart und Zukunft der Wissenschaftskommunikation, über neue | |
Anreize für Forschende und die Förderung vorhandener und neuer Initiativen | |
ist nicht neu.“ Viele der zurzeit diskutierten Gesichtspunkte kämen ihm | |
„äußerst bekannt vor“. Schon einmal, 2015, habe er vor dem gleichen Gremi… | |
zu den gleichen Themen Stellung bezogen. | |
„Ehrliche Frage: Was ist seitdem passiert?“, wollte Wiarda wissen und gab | |
selbst die Antwort: Nichts. „2015 ist die Debatte im Bundestag versandet“. | |
Ob ihr nun bei Wiederauflage dasselbe Schicksal drohe? Der Journalist gab | |
sich jedenfalls optimistisch: „Ich hoffe nicht! | |
28 May 2020 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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