| # taz.de -- Wettbewerb für Bürgerwissenschaften: „Citizen Science in deiner… | |
| > Drei Projekte wurden beim Citizen-Science-Wettbewerb ausgezeichnet. Bei | |
| > zwei Projekte ging die Initiative von der Wissenschaft aus. | |
| Bild: In Mannheim helfen Jugendliche als „Sprach-Checker“ dabei, die Sprach… | |
| Berlin taz | Das Mundwerk der Menschen, ihr Wohnen und ihr Zusammenleben | |
| waren am Ende dann doch interessanter als die Natur um sie herum. Beim | |
| ersten Citizen-Science-Wettbewerb in Deutschland, dessen drei Sieger in der | |
| vorigen Woche im Berliner Museum für Naturkunde gekürt wurden, fiel die | |
| Entscheidung eindeutig aus. Mit jeweils 50.000 Euro Preisgeld können die | |
| [1][Bürgerforschungsprojekte] aus Hamburg, Mannheim und Dresden ihren | |
| Ansatz zur Verknüpfung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft realisieren. | |
| Die Sprachvielfalt im Kiez checken, soziale Geschichten vom Stadtrand | |
| aufschreiben sowie Baukultur und klimagerechte Architektur erfassen – dies | |
| sind die drei Gewinnerthemen aus insgesamt knapp 50 Einreichungen beim | |
| [2][Wettbewerb „Auf die Plätze! Citizen Science in deiner Stadt“.] | |
| Organisiert wurde der Wettbewerb von „Wissenschaft im Dialog“, der | |
| Kommunikationsinitiative der deutschen Wissenschaft und vom Museum für | |
| Naturkunde Berlin in enger Zusammenarbeit mit der Onlineplattform „Bürger | |
| schaffen Wissen“, auf der inzwischen knapp 200 Bürgerforschungsprojekte mit | |
| über 100.000 Freiwilligen aus Deutschland eingetragen sind. | |
| Zwei der drei Siegerprojekte wurden [3][von der Wissenschaft in Gang | |
| gebracht.] Anders dagegen war die Genese des Hamburger Projekts | |
| [4][„Stadtrandgeschichten – Migration und gesellschaftliche Vielfalt | |
| erforschen“,] bei dem die Laienhistoriker der vorhandenen | |
| Geschichtswerkstatt im Stadtteil Süderelbe die treibende Kraft waren. | |
| „Stadtrandgeschichten“ will mit Methoden der Geschichtswissenschaft und des | |
| Theaters erforschen und darstellen, wie „in der durch Migration geprägten | |
| Hamburger Region Süderelbe persönliche Geschichten als Teil der | |
| Lokalgeschichte zum gemeinsamen Identifikationsanker werden können“, so die | |
| Projektbeschreibung. | |
| Beim [5][Mannheimer Projekt „Die Sprach-Checker – So sprechen wir in der | |
| Neckarstadt“] wiederum war die etablierte Wissenschaft der Anstoßgeber. | |
| Konkret das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, das sich seit vielen | |
| Jahren um die Kartierung der Sprache und ihrer Dialekte in Deutschland | |
| kümmert. Hier kam die Idee auf, in einem besonderen Stadtquartier mit hohem | |
| Ausländeranteil die Kinder und Jugendlichen als „Sprach-Checker“ | |
| einzusetzen, die aufnehmen, welche Muttersprachen in ihrem Viertel über die | |
| Lippen kommen. Sozialpsychologischer Nebeneffekt: In dem Problemkiez könnte | |
| mit seiner lingualen Vielfalt auch ein spezieller Reichtum sichtbar gemacht | |
| werden, über den die homogeneren Viertel Mannheims nicht verfügen. Die | |
| jungen Bürgerforscher, so die Erwartung des Projekts, „erfahren so mehr | |
| über die mehrsprachige Wirklichkeit in der Stadtgesellschaft“. | |
| ## Das Wissen der Stadt | |
| Von hohem Nutzen für die kommunale Baupolitik und -administration ist das | |
| Projekt mit dem Konzepttitel [6][„Baukultur und klimagerechte Architektur | |
| in Dresden – Gebäudewissen kartieren, erforschen und vermitteln“.] Konkret | |
| geht es darum, das Wissen der Dresdner Bürger über die vielfältigen Gebäude | |
| ihrer Stadt in einer digitalen Karte zusammenzuführen und auf diese Weise | |
| sichtbar zu machen. | |
| „Je mehr Informationen auf der Onlineplattform mit dem Namen ‚Colouring | |
| Dresden‘ zusammenkommen, umso bunter wird der interaktive Stadtplan von | |
| Dresden“, erläuterte die Projektgruppe. Die gesammelten Informationen | |
| können Wissenslücken über die stark kriegszerstörte Stadt schließen. | |
| Gefragt wird etwa: Wie alt sind Gebäude, welche Materialien sind verbaut, | |
| wie werden die Bauten genutzt und sind sie bereits energetisch saniert? Der | |
| entstehende Datenschatz soll helfen, die Baukultur in Dresden zu erhalten | |
| und den Gebäudebestand ressourcen- und klimaschonend weiterzuentwickeln, | |
| zum Beispiel durch mehr hitzeangepasstes Bauen und Sanieren in der Zukunft. | |
| Die Beispiele zeigen, dass sich die Bürgerforschung – die historisch ihre | |
| Wurzeln in der Naturbeobachtung hat – immer stärker auf | |
| sozialwissenschaftliche Themen zubewegt. Dies war auch auf der vierten | |
| Konferenz der [7][European Association für Citizen Science (ECSA)] | |
| festzustellen, die Anfang Oktober mit rund 400 Teilnehmern in Berlin | |
| stattfand. | |
| Unter dem Rahmenthema „Bürgerforschung für einen gesunden Planeten“ wurden | |
| nicht nur Projekte aus den Bereichen Ökologie und Medizin vorgestellt, | |
| sondern ebenso [8][Partizipationsformate], die mit dem Erkenntnisgewinn für | |
| die Wissenschaft auch praktische Verbesserungen auf der kommunalen Ebene | |
| anstreben. | |
| Der Direktor des Museums für Naturkunde in Berlin, Johannes Vogel, zeigte | |
| sich als Gastgeber der Tagung beeindruckt von der Bandbreite der | |
| vorgestellten Projekte. Der Schutz der Natur sei eng mit dem Schutz der | |
| menschlichen Gesundheit verbunden. Wichtig sei, unter Beteiligung der | |
| breiten Bevölkerung Ansätze zur Prävention von Krankheiten und Pandemien zu | |
| fördern. Die sozialmedizinische Fachrichtung des „Public Health“ müsse me… | |
| Impulse von Bottom-up-Initiativen aus der Bürgerschaft und von | |
| Patientengruppen bekommen. „Und wir müssen diese Kooperation auch in den | |
| politischen Raum tragen“, forderte Vogel, der selbst zu den | |
| Gründungsmitgliedern der ECSA gehört, die heute rund 4.000 Mitglieder | |
| zählt. | |
| ## Klimaneutrale Städte | |
| Ein Aktionsfeld ist der lokale Klimaschutz. Das Citizen-Science-Projekt | |
| „Terrifica“, das von der EU-Kommission gefördert und vom Wissenschaftsladen | |
| Bonn koordiniert wird, will neben der langfristigen Ausrichtung auf | |
| klimaneutrale Städte im Jahr 2050 auch aktuelle Schritte zur Anpassung an | |
| den Klimawandel anstoßen. | |
| In den beteiligten Städten, darunter Barcelona, Oldenburg, Poznań und | |
| Belgrad, werden die Bürger angeleitet, in digitalen Openstreetmap-Karten | |
| solche Orte einzutragen, die aus ihrer Sicht eine ökologische Verbesserung | |
| benötigen, etwa durch neue Wasserflächen im Stadtgebiet oder | |
| Lebensmittelproduktion auf öffentlichem Gelände („Essbare Stadt“). Die | |
| Vorschläge werden von Forschern auf ihre Wirksamkeit geprüft und den | |
| kommunalen Entscheidungsträgern übermittelt. | |
| Mit dem Phänomen der sogenannten Hitzeinseln in dicht bebauten Gebieten, | |
| das aufgrund des Klimawandels immer häufiger und intensiver auftritt, | |
| beschäftigt sich das Citizen-Science-Projekt „3-2-1-heiss!“, das im | |
| schweizerischen Kanton Aargau vom dortigen Departement Bau, Verkehr und | |
| Umwelt in Gang gesetzt wurde. | |
| Wo es im Kanton Aargau besonders heiß wird, wird auf Klimakarten im | |
| Internet dargestellt. Erhoben wurden die Daten von Bürgern, die mit einer | |
| „SenseBox“, einem Temperatursensor, ausgerüstet wurden. Sie konnten so | |
| beim Hundespaziergang, dem Arbeits- oder Schulweg die Temperaturen in fünf | |
| Gemeinden messen. | |
| Die jüngste Messkampagene fand an den heißesten Tagen des Jahres zwischen | |
| dem 13. und 31. August statt. Im Anschluss an die Messaktion wurden die | |
| Ergebnisse zwischen Bürgerforschern und Kommunalpolitikern diskutiert, um | |
| gemeinsam Ideen für die Schaffung von angenehm kühlen öffentlichen | |
| Aufenthaltsorten zu entwickeln. | |
| Interessant ist an dem Projekt, dass hierbei nicht die Wissenschaft, | |
| sondern die Fachpolitik den Kontakt mit den Bürgern gesucht hat, um zu | |
| klimagerechten Lösungen zu gelangen. | |
| Auf der Berliner Konferenz gab auch das großangelegte Forschungsprojekt „CS | |
| Track“ ([9][https://cstrack.eu]) Einblicke in erste Zwischenergebnisse. Das | |
| Projekt verfolgt das Ziel, die europäische Citizen-Science-Landschaft zu | |
| kartieren und die Arbeitsweisen und Wirkungen von Citizen-Science-Projekten | |
| zu untersuchen. Dafür wurden bisher Interviews und Onlinebefragungen mit | |
| über 1.000 Bürgerforschern durchgeführt, der Diskurs in sozialen Medien | |
| analysiert und eine Datenbank mit über 4.700 Citizen-Science-Projekten aus | |
| 22 Ländern angelegt. | |
| 27 Oct 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Strategiepapier-fuer-Citizen-Science/!5850384 | |
| [2] https://www.citizenscience-wettbewerb.de/ | |
| [3] /Buergerwissenschaft-wird-Forschungsobjekt/!5746339 | |
| [4] https://www.kulturhaus-suederelbe.de/seite/600883/stadtrandgeschichten.html | |
| [5] https://www.ids-mannheim.de/zfo/dz-deutsche-sprache/sprachforschung-und-cit… | |
| [6] https://www.ioer.de/projekte/colouring-dresden | |
| [7] https://ecsa.citizen-science.net/ | |
| [8] /Strategiepapier-fuer-Citizen-Science/!5850384 | |
| [9] https://cstrack.eu/ | |
| ## AUTOREN | |
| Manfred Ronzheimer | |
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