# taz.de -- Geldstrafen für EU-Rechtsstaatssünder: Es könnte teuer werden | |
> Trotz Drohungen aus Warschau und Budapest: Der Ratsvorsitz und das | |
> EU-Parlament haben sich geeinigt, wie Verstöße geahndet werden könnten. | |
Bild: Für die Unabhängigkeit der Justiz: Protest in Breslau im Dezember 2019 | |
Brüssel taz | Die EU will [1][Rechtsstaatssündern und Demokratieverächtern] | |
ans Portemonnaie. Der deutsche Ratsvorsitz und das Europaparlament haben | |
sich am Mittwoch in Brüssel auf einen neuen Mechanismus geeinigt, der | |
erstmals Kürzungen bei EU-Zahlungen möglich macht. Allerdings ist offen, ob | |
Länder wie Ungarn und Polen nun wirklich bluten müssen. | |
Polens Vizejustizminister Sebastian Kaleta bezeichnete den Deal als | |
„beispiellosen Bruch“ der EU-Verträge. Polen und Ungarn haben bereits | |
angekündigt, dass sie die Reform mit allen Mitteln verhindern wollen. | |
[2][Die Regierungen in Budapest und Warschau drohen sogar mit einer | |
Blockade des neuen, rund 1 Billion Euro schweren EU-Budgets.] | |
Der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß, der die Verhandlungen für den | |
Rat geführt hatte, begrüßte die Einigung dagegen als „wichtigen | |
Meilenstein“ auf dem Weg zum neuen Gemeinschaftshaushalt. Der grüne | |
Europaabgeordnete Daniel Freund sagte, nun seien die EU-Staaten in der | |
Pflicht, die neuen Finanzsanktionen auch umzusetzen. | |
Bisher bleiben Eingriffe in die Justiz, Attacken auf die Pressefreiheit | |
oder andere Verstöße gegen Rechtsstaat und Demokratie in der EU meist ohne | |
Folgen. Das für solche Fälle vorgesehene Artikel-7-Verfahren hat sich als | |
wirkungslos erwiesen, weil sich die betroffenen Länder gegenseitig decken | |
und Entscheidungen blockieren. | |
## EU-Staaten sollen schneller entscheiden | |
Das soll nun anders werden. Brüssel will Rechtsstaatsverstöße und | |
Korruption mit Geldstrafen ahnden. Die Einigung sieht vor, dass Zahlungen | |
schon dann gekürzt werden können, wenn ein Missbrauch von EU-Mitteln droht. | |
Der deutsche Ratsvorsitz wollte nur bei „hinreichend direkten“ Nachteilen | |
für das Budget einschreiten. Hier hat das Europaparlament nachgebessert, | |
vor allem Liberale und Grüne hatten mehr Biss gefordert. Zudem setzte das | |
Parlament durch, dass die EU-Staaten die Entscheidung über einen | |
Mittelentzug nicht mehr auf die lange Bank schieben können. Auf Vorschlag | |
der EU-Kommission soll nach ein bis drei Monaten ein Beschluss fallen. | |
Einen Automatismus wird es allerdings nicht geben. Die Mitgliedstaaten | |
müssen Kürzungen zustimmen, wobei auch künftig recht hohe Hürden | |
aufgestellt werden. Nach dem nun gefundenen Kompromiss sollen Gelder | |
nämlich nur dann gestrichen werden können, wenn eine qualifizierte Mehrheit | |
dies unterstützt. | |
Das setzt die Zustimmung von mindestens 15 EU-Ländern voraus, die zusammen | |
65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen. Immerhin müssen sich | |
Polen und Ungarn künftig neue Verbündete suchen, um eine Finanzsanktion zu | |
stoppen. | |
Zunächst muss die Einigung allerdings noch formell beschlossen werden. Auch | |
hierfür reicht eine qualifizierte Mehrheit, Ungarn und Polen können also | |
überstimmt werden. Demgegenüber muss das neue EU-Budget von allen 27 | |
EU-Ländern bestätigt werden. Hier hätten Warschau und Budapest einen Hebel, | |
mit dem sie die EU ausbremsen könnten. | |
Ein Veto von Ungarns Premier Viktor Orbán erwarte er jedoch nicht, sagte | |
der Grünen-Experte Daniel Freund. Damit würde Orbán „die Wut aller Europä… | |
auf sich ziehen“. In der Coronakrise seien auch Ungarn und Polen dringend | |
auf Gelder aus dem EU-Budget und dem 750 Milliarden Euro schweren | |
Corona-Aufbaufonds angewiesen. | |
Doch selbst wenn der neue Rechtsstaatsmechanismus wie geplant Anfang 2021 | |
in Kraft tritt, gibt es noch eine Hürde: Die EU-Kommission muss Verstöße | |
feststellen und Strafen vorschlagen. „Viel hängt am politischen Willen der | |
Kommission“, so Freund. Bisher sei dieser Wille allzu schwach ausgeprägt. | |
6 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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