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# taz.de -- Bericht der EU-Kommission: Die Rechtsstaats-Sünder der EU
> Brüssel veröffentlicht erstmals Bericht zur Lage der Rechtsstaatlichkeit
> in allen 27 EU-Staaten. Demnach gibt es in mehreren Ländern Probleme.
Bild: Für die Grundwerte zuständig: EU-Kommissarin Vera Jourova
Brüssel taz | Ungarn und Polen sind nicht die einzigen „Sünder“, wenn es …
den Rechtsstaat in der EU geht. Auch andere Länder wie Bulgarien, Rumänien,
Kroatien und die Slowakei tun sich schwer mit der Unabhängigkeit der Justiz
und der Medien. Dies geht aus dem ersten Bericht zur Lage der
Rechtsstaatlichkeit in allen 27 Mitgliedstaaten hervor, den die
EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vorstellte.
Der Bericht stellt den Auftakt zu einer jährlichen Prüfung dar – in Brüssel
spricht man schon von einem „Rechtsstaats-TÜV“. Allerdings wird keinem
EU-Land die „Zulassung“ entzogen. Vielmehr gehe es darum, den Streit um
Verstöße zu versachlichen und einen „Dialog“ zu führen, sagte
Justizkommissar Didier Reynders. Ungarn hatte kritisiert, dass Brüssel nur
osteuropäische Länder an den Pranger stelle, Probleme im Westen aber
übergehe.
Premier Viktor Orbán fordert [1][neuerdings sogar den Rücktritt der für die
Grundwerte zuständigen EU-Kommissarin Vera Jourova], weil diese Ungarn in
einem Interview beleidigt habe. Jourova nutzte die Gelegenheit, die
Vorwürfe zurückzuweisen: „Ich habe niemals das ungarische Volk beleidigt.“
Gleichzeitig bekräftigte sie ihre Kritik an Orbáns Politik.
So verweist der Rechtsstaats-Bericht auf „systemische“, also dauerhafte und
tief verankerte Probleme mit der ungarischen Justiz und auf Bedenken wegen
der Übernahme unabhängiger Medien durch regierungsnahe Unternehmen. In
einigen EU-Staaten seien Journalisten zudem „Drohungen“ und Angriffen
ausgesetzt, heißt es weiter. Neben Ungarn nennt die Kommission auch
Bulgarien, Kroatien, Slowenien und Spanien.
Weitgehend ungeschoren kommt Deutschland davon. Die Kommission erwähnt zwar
die Debatte über politische Weisungen der Landesjustizminister an
Staatsanwälte. Kritik äußert sie aber keine. Deutschland wird mehrfach
gelobt, etwa für die geplante bessere Ausstattung der Justiz oder
öffentliche Debatten über den Rechtsstaat und Polizeiübergriffe.
Der Prüfbericht enthält aber auch viele blinde Flecken. So werden die
umstrittenen Eingriffe der spanischen Zentralregierung in die nach
Autonomie strebende Region Katalonien gar nicht erst erwähnt. Auch
Polizeiübergriffe in Frankreich bei den Gelbwesten-Protesten werden
ausgeblendet. Selbst die nationalen Ausnahmeregeln zur Bekämpfung der
Coronapandemie kommen nicht vor – dabei werfen sie zahlreiche rechtliche
Probleme auf.
Unklar bleibt auch, wie Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit abgestellt
werden sollen. Viele Mängel sind seit Jahren bekannt, wurden jedoch nicht
behoben. Dies gilt etwa auch für [2][Bulgarien] und Rumänien, die wegen der
dort grassierenden Korruption einer besonderen Überwachung durch Brüssel
unterliegen. Doch selbst das hat nicht viel gebracht.
Die EU-Kommission gibt sich dennoch optimistisch. Sie will nicht nur die
bisherigen weitgehend wirkungslosen Verfahren gegen die „Sünder“
fortsetzen. Vielmehr setzt sie auch auf finanzielle Sanktionen, die
möglicherweise bald eingeführt werden könnten. Am Mittwoch billigten die
EU-Länder gegen die Stimmen Ungarns und Polens einen Entwurf des deutschen
Ratsvorsitzes, der die Kürzung von EU-Finanzhilfen bei
Rechtsstaatsverstößen möglich macht.
Der Entwurf war im Vergleich zur Vorlage der EU-Kommission verwässert
worden. Im Europaparlament stößt er deshalb auf scharfe Kritik. Jourova
zeigte sich dennoch zufrieden. „Ich bin sehr froh, dass der
Rechtsstaatsmechanismus diskutiert wird“, sagte sie. Dies werde Brüssel
beim Kampf gegen autoritäre Regierungen helfen.
30 Sep 2020
## LINKS
[1] /Haushalt-der-Europaeischen-Union/!5713175&s=Rechtsstaatlichkeit/
[2] /Neue-Proteste-in-Bulgarien/!5708449&s=Bulgarien/
## AUTOREN
Eric Bonse
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