| # taz.de -- Experte über US-Wahl und Nahostpolitik: „Tatsachen wurden gescha… | |
| > Was würde ein US-Regierungswechsel für Israel, den Iran und die | |
| > Golfstaaten bedeuten? Analyst H.A. Hellyer erklärt, was er von Joe Biden | |
| > erwartet. | |
| Bild: Benjamin Netanjahu und Joe Biden bei einem Treffen im März 2016 | |
| taz: Herr Hellyer, wie würden Sie die Politik Donald Trumps in den letzten | |
| vier Jahren in der Nahostregion beschreiben? | |
| H.A. Hellyer: Trumps Engagement in der Region folgt keiner „Trump-Doktrin“. | |
| Er ist einfach ein extremer Opportunist und bewertet sein Engagement damit, | |
| was das für seine Popularität zu Hause bedeutet. So hat zum Beispiel der | |
| [1][Umzug der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem] wenig mit | |
| dem zu tun, was in der Region selbst passiert. Ebenso die | |
| [2][Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Emiraten und | |
| Bahrain]. Hier geht es um interne US-Politik. | |
| Trump hat sich im Wahlkampf damit vermarktet, dass er den „Islamischen | |
| Staat“ besiegt hat. Berechtigterweise? | |
| Die Verringerung der Rolle des IS ist nicht auf Trump zurückzuführen. Fakt | |
| ist, dass der IS schon zuvor auf dem absterbenden Ast saß. Trump hat | |
| zunächst die Politik der Obama-Regierung in Sachen IS weitergeführt. Aber | |
| es gibt ein Problem, wenn geglaubt wird, dass der IS tatsächlich | |
| verschwunden ist oder keine Bedeutung mehr hat. Das ist dumm, denn alle | |
| Faktoren, die zum Aufstieg des IS geführt haben, existieren weiter. Das | |
| sind langfristige Probleme, die auch langfristiger Lösungen bedürfen. | |
| Wenn Joe Biden gewinnt, würde das für die Nahostregion eine Wende bedeuten | |
| oder würde es weitergehen wie bisher? | |
| Die Zeiten Obamas würden nicht wieder hergestellt. Es wird keine massiven | |
| Veränderungen der Politik gegenüber der Region geben. Die Dinge würden | |
| sicherlich weniger erratisch. Wahrscheinlich erleben wir auch einen Versuch | |
| der USA, sich erneut in Sachen Iran zu engagieren. Wir werden auch eine | |
| etwas härtere Rhetorik gegenüber den arabischen Autokraten erleben. | |
| Jenseits davon wird Biden auch nicht erpicht sein, sich erneut stärker in | |
| der Region zu engagieren. | |
| Trump gilt als [3][besonders freundlich gegenüber Israels Premier Benjamin | |
| Netanjahu] und hat ihm jeden Wunsch erfüllt. Was können wir von Biden | |
| erwarten? | |
| Biden wird nicht darauf bestehen, die US-Botschaft wieder nach Tel Aviv | |
| umzusiedeln, obwohl der Umzug nach Jerusalem UN-Konventionen widerspricht. | |
| Es wurden Tatsachen geschaffen. Aber wir werden kühlere Beziehungen mit | |
| Netanjahu erleben. Früher waren sich beide US-Parteien immer einig in ihrer | |
| Unterstützung Israels. In den letzten Jahren haben sich aber Unterschiede | |
| entwickelt. Gerade der linke Teil der Demokraten betrachtet kritisch, wie | |
| Israel mit den Palästinensern umgeht. Das wird unter einer Biden-Regierung | |
| eine Rolle spielen. Aber ich glaube nicht, dass sich Biden besonders | |
| engagieren möchte, denn wenn er anders mit der Palästinenserfrage umgeht, | |
| kann er zu Hause innerhalb der Demokratischen Partei nicht besonders viel | |
| gewinnen. Er muss einfach nur nicht Trump sein. | |
| Wie würde sich ein Sieg Bidens auf die US-Beziehungen zu den Golfstaaten | |
| auswirken, besonders zu den dortigen grauen Eminenzen, dem saudischen | |
| Kronprinzen Mohammed bin Salman und dem Kronprinzen der Emirate, Mohammed | |
| bin Zayed? | |
| Biden wird diese nicht dramatisch verändern. Die größte Sorge am Golf wird | |
| sein, dass sich Biden erneut in der iranischen Frage engagiert. Aber | |
| jenseits davon werden wir wahrscheinlich keine steinigen Beziehungen | |
| zwischen den USA und diesen Ländern erleben. Denn sie wissen ganz genau, | |
| ihre Sicherheit hängt davon ab, gute Beziehungen zu den USA zu haben. | |
| Drehen wir es noch einmal um: Falls Trump die Wahl gewinnt, was würden | |
| weitere vier Jahre Trump-Regierung für die Region bedeuten? | |
| Das würde einen weiteren Niedergang der Bedeutung des internationalen | |
| Rechts bedeuten. Und die Autokraten in der Region würden sich wieder | |
| stärker fühlen. Denn sie wissen, dass sie sich alles leisten können, ohne | |
| zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das wäre mit Sicherheit keine gute | |
| Nachricht für die Region. | |
| 3 Nov 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Karim El-Gawhary | |
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