# taz.de -- Schulbetrieb während Corona: „Lerngruppen müssen kleiner werden… | |
> Die Hamburger Linken-Politikerin Sabine Boeddinghaus fordert die | |
> Halbierung der Klassen. Schüler könnten an anderen Orten lernen – etwa im | |
> Kino. | |
Bild: Ganz schön fleißig, trotz Homeschooling | |
taz: Frau Boeddinghaus, die Corona-Infektionen machen vor den Schulen nicht | |
halt. Wären Sie Schulsenatorin, würden Sie die Lerngruppen halbieren? | |
Sabine Boeddinghaus: Die Linke ist nicht in Regierungsverantwortung. | |
Okay, aber was sollte Schulsentor Ties Rabe (SPD) tun? | |
Seine eigenen Worte ernst nehmen. Rabe hat wichtige Zeit der Vorbereitung | |
verschlafen. Man hat den Eindruck, die Behörde selbst nahm die Prognosen | |
nicht ernst, dass es ab Herbst wieder kritisch wird. Rabes Legende, Schulen | |
wären sichere Orte, an denen man sich nicht ansteckt, ist überholt. Auch, | |
dass Jugendliche keine Überträger wären. In dieser Phase erwarte ich, dass | |
Rabe seine Worte aus dem August ernst nimmt und für Abstand sorgt. Das | |
heißt, Aufteilung der Klassen. Aber organisiert. Und nicht so wie jetzt: | |
Viele Schüler sind in Quarantäne und man weiß nicht, wie es ihnen zu Hause | |
geht. | |
Sie fordern in einem Antrag, der Schulsenator solle neue Lernorte zulassen, | |
etwa Kinos und Museen. Ist es nicht gefährlich, wenn Schüler dort | |
hinfahren? | |
Wenn man danach geht, müssten Schüler zu Hause bleiben. Es ist ja eine | |
politische Entscheidung, dass Schulen offen bleiben. Und die ist richtig. | |
Nur wenn die Schüler so oder so mobil sind, können sie das auch in | |
verschiedene Richtungen. Die Alternative ist nicht Homeoffice, sondern | |
Lernen an anderen Orten. Dazu gehört natürlich, dass der HVV sicherer wird. | |
Wir brauchen mehr Busse, damit Kinder sich nicht drängeln. Die Hochschule | |
für Angewandte Wissenschaften (HAW) mietet einen Kinosaal für Vorlesungen. | |
Auch Schulen können in ihrer Region Bücherhallen, Kinos und Museen suchen | |
und Gruppen auslagern. | |
Für halbe Gruppen braucht man mehr Personal. Das fehlt. | |
Genau. Wir können nicht auf der einen Seite sagen, wir erleben die | |
schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, und gleichzeitig läuft in den | |
Schulen alles wie gehabt. Deswegen sage ich: Man kann jetzt auch auf | |
Honorarkräfte zurückgreifen, auf Museumspädagogen, auf viele Leute, die | |
jetzt sowieso keine Arbeit haben, weil ihr Kulturbetrieb geschlossen ist. | |
Wenn man will, finden sich viele Menschen, die bereit sind, ein Projekt | |
anzubieten. Die jungen Menschen würden dabei viel lernen. | |
Sogar von Lehrern hört man: Schule ist ein großer Tanker, der lässt sich | |
nicht leicht umsteuern. Sie beschreiben hier einen großen | |
Organisationsaufwand allein fürs Personal. Bleibt man nicht besser bei | |
Regelunterricht? | |
Wir sagen, es ist ein Angebot, dass Schulen sich Orte in ihren Stadtteilen | |
suchen. Sie sollten selber bestimmen, wie sie es konzeptionell machen. Das | |
fordert auch die Gemeinschaft der Elternräte an Stadtteilschulen. Es gibt | |
ja auch die Option von geteiltem Unterricht am Vor- und Nachmittag. Und | |
Rabe sagt selber, dass Oberstufenschüler in der Lage seien, sich selbst zu | |
organisieren. Viele sagen, sie würden freiwillig zu Hause bleiben. Aber | |
die, die das nicht schaffen, haben die Schule. Dort hätte man mehr Luft. | |
Ist es da nicht die bessere Lösung, den Tag zu teilen? Jeder Schüler | |
braucht Struktur, täglich einen Anlaufpunkt. | |
Genau. Das will ich aber nicht vorschreiben, weil auch das eine | |
Personalfrage ist. Ich habe mit der Lehrergewerkschaft GEW noch nicht | |
gesprochen, wie die das finden mit Vor- und Nachmittag. Lehrer hätten einen | |
längeren Tag, weil sie Gruppen am Vormittag und am Nachmittag betreuen. Es | |
ist alles organisatorischer Aufwand. | |
Im Lockdown im Frühjahr waren die Schüler benachteiligt, die zu Hause keine | |
guten Bedingungen haben. | |
Genau. | |
Lässt man viele Lösungen zu, wie Sie es vorschlagen, könnten die wieder | |
Verlierer sein. | |
Das darf natürlich nicht passieren. Diese Lehre haben alle gezogen: die | |
Behörde und erst recht die Schulen. Sie kennen ihre Schüler gut und können | |
das gut identifizieren. Es sind ja alles keine Königswege. Es sind | |
Lösungen, um jetzt in der Krise den Kindern gerecht zu werden und den | |
Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Das wird immer ein Austarieren. Aber da | |
haben die Schulen mehr Know-how als die Behörde. Jetzt muss das Signal an | |
die Schulen gehen: Ihr könnt das, die Lerngruppen müssen kleiner werden. Ob | |
Vor- oder Nachmittag, ob andere Lernorte, entscheidet ihr. Wir unterstützen | |
euch. | |
Besteht nicht die Gefahr, dass dies im Chaos endet? | |
Aber wie beschreiben wir jetzt die Situation an den Schulen? Die ist nicht | |
weit weg von Chaos. Es herrscht Verunsicherung und Angst. Es ist ein | |
ungeregeltes Chaos. An der Basis herrscht Frust, weil man das Gefühl hat, | |
die Behörde bekommt die Realität nicht mit. | |
Es sind 87 Klassen von 9.500 in Quarantäne. Es kommen auch Klassen aus der | |
Quarantäne zurück. Für die große Mehrheit findet Schule statt. | |
Aber wie geht es weiter? Das was jetzt an der Ida-Ehre-Schule passiert, ein | |
Massentest wird nötig, kann zügig anderen Schulen passieren. Man muss ins | |
Agieren kommen und nicht immer reagieren. Man kann nicht am Mantra | |
festhalten, Schule sei ein sicherer Ort. Nein. | |
Gibt es dazu in Ihrer Partei kontroverse Diskussion? | |
Das habe ich nicht vernommen. Wir sind alle in der Schule sozialisiert, | |
haben ein Bild von Schule. Die Krise gibt uns jetzt die Chance, darüber | |
auch anders zu diskutieren. | |
8 Nov 2020 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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