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# taz.de -- Kein Schutz im Klassenraum: Ohne Maske im Hotspot
> Das Land Bremen hat eine extrem hohe Zahl an Corona-Neuansteckungen. Aber
> der Senat weigert sich, Klassen zu verkleinern.
Bild: Mit Maske in die Schule? Es gibt Schlimmeres
BREMEN taz | Seit Montag vergangener Woche trägt die zwölfjährige Tochter
von Rebecca Halter [1][im Unterricht eine Maske]. Keine geblümte aus Stoff,
sondern einen weißen FFP2-Mund-und-Nasenschutz, der nicht nur andere vor
Ansteckung schützt, sondern auch die Trägerin selbst.
„Das gab erst mal Tränen“, sagt Halter, die eigentlich anders heißt. Ihre
Tochter habe Angst vor Hänseleien gehabt. Aber es stand ein Besuch bei den
kranken Großeltern an, so hat es die Lehrerin den Mitschüler*innen der
Siebtklässlerin am Gymnasium Horn erklärt. Die Hänseleien blieben aus,
andere tragen jetzt auch Maske.
Ihre Tochter werde die Maske weiter tragen. „Da sitzen 30 Kinder auf engem
Raum“, sagt Halter, „ich weiß nicht, wie ich uns sonst vor Ansteckung
schützen kann.“ Sie könne nicht verstehen, dass der Unterricht in Bremen
normal weitergeht, obwohl die Stadt [2][mit einem Inzidenzwert von 228,9]
einer der Hotspots der Republik ist. Dieser Wert gibt die Anzahl der
Neuansteckungen über eine Woche gerechnet auf 100.000 Einwohner*innen an.
[3][In anderen Bundesländern wie Schleswig-Holstein] gibt es bei der
Überschreitung eines Inzidenzwertes von 50 Maskenpflicht in den
Klassenräumen auch in Grundschulen, in Niedersachsen ab der fünften Klasse
– oder wenn es einen Coronafall an einer Schule gibt. In Bremen hingegen
sind Masken nur in der Oberstufe auch im Unterricht vorgeschrieben.
## Wie schlecht soll es noch werden?
Dabei hatte Bildungssenatorin [4][Claudia Bogedan (SPD) am 29. Oktober
angekündigt], dass „weitere Verschärfungen, wenn sich die Lage insgesamt
weiter verschlechtert, nicht auszuschließen“ seien. Dazu gehöre „neben
einer Ausweitung der Maskenpflicht in der Sekundarstufe 1 als Ultima Ratio
auch Halbgruppenunterricht“.
Doch nur zwei Tage später hatte Bogedans Parteifreund [5][Bürgermeister
Andreas Bovenschulte in seiner Regierungserklärung] Halbgruppenunterricht
eine Absage erteilt. „Wer halbe Klassen fordert, schafft nicht nur ein
Betreuungsproblem – er fordert im Ergebnis auch halb so viel Bildung.“
Rebecca Halter, die Mutter der Siebtklässlerin, fragt sich, wie die
Bildungssenatorin „schlecht“ definiert. Denn am 29. Oktober hatte der
Inzidenzwert in der Stadt Bremen bereits bei 179,5 gelegen – also drei Mal
so hoch wie der Wert, ab dem das Robert-Koch-Institut Mundschutz auch in
Klassenräumen empfiehlt sowie das Verkleinern von Klassen. „Und seitdem ist
es ja nicht besser geworden“, sagt Halter.
An anderen Schulen wie der Gesamtschule Mitte streiten Eltern per Mail, ob
die bisherigen Studienergebnisse dafür sprechen, dass Schulen eine Rolle
im Infektionsgeschehen spielen. Manche fordern die Abschaffung des
Schulzwangs: Sie wollen ihre Kinder freiwillig zu Hause behalten.
Auch viele Lehrer*innen sind wütend, dass der einzige Schutz, den die
Bildungsbehörde in Schulen angeordnet hat, das regelmäßige Lüften ist – u…
die Maskenpflicht für Oberstufenschüler*innen. „Das Problem ist nicht, dass
Bremen die Schulen unbedingt offen halten will, das tragen wir mit“, sagt
Natascha Mazurski vom [6][Personalrat Schulen]. „Aber angesichts dieser
Fallzahlen kann man doch nicht einfach so weitermachen.“
Viele Lehrer*innen würden sich eine Maskenpflicht für Schüler*innen
wünschen, wenigstens ab der fünften Klasse. Denn in den [7][83 Grundschulen
Bremens gab es mit Stand vom Freitag] Meldungen über gerade einmal neun
positiv getestete Kinder an acht Schulen, in den 81 weiterführenden und
berufsbildenden Schulen waren es 111. Die tatsächliche Anzahl kann höher
sein, da es derzeit länger dauert, bis Testergebnisse vorliegen.
Dabei sei das Tragen von Masken für die Lehrer*innen vermutlich
anstrengender als für die Schüler*innen, sagt Natascha Mazurski.
Lehrer*innen müssten ja die ganze Zeit „gegen die Maske anreden“. Eine
Lehrerin, die anonym bleiben will, berichtet, sie unterrichte nur noch mit
einer FFP2-Maske – und sei am Wochenende völlig erledigt.
## Mindestabstand? Keine Chance
Weil Masken zwar in vielen gesellschaftlichen Bereichen, wo weniger
gesprochen wird, eine gute Lösung sein können, im Unterricht aber weniger
praktikabel sind, fordern Personalrat und die Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft (GEW) den Unterricht in kleineren Gruppen, wie es ihn im Mai
und Juni nach dem Lockern des ersten Lockdowns bereits gab.
Denn in den Klassenräumen ließe sich der Mindestabstand von 1,50 Metern
kaum einhalten, sagt Personalrätin Mazurski. „Wenn Sie von dem einen
Schüler Abstand nehmen, sitzen Sie damit quasi dem nächsten schon wieder
auf dem Schoß.“ Und im Unterrichtsgeschehen sei es immer wieder nötig,
Schüler*innen auch einmal näher zu kommen, allein, um etwas zu erklären.
Doch es sieht nicht danach aus, als würde Bremen seine Linie verlassen. Die
Sprecherin der Bildungssenatorin sagte auf Nachfrage der taz, der Senat
bereite Maßnahmen vor, die aber nicht pauschal gelten würden, sondern
abhängig seien von der Situation vor Ort. Zudem sollen Schulen mehr
individuelle Freiheit bekommen. Eine Ausweitung der Maskenpflicht sei nicht
angedacht.
10 Nov 2020
## LINKS
[1] /Stefanie-Hubig-ueber-Corona-an-Schulen/!5724163
[2] https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4
[3] /Zunehmende-Coronafaelle-an-Schulen/!5722656
[4] https://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?gsid=bremen146.c.346117…
[5] https://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?gsid=bremen146.c.346233…
[6] https://pr-schulen-bremen.de/
[7] https://www.bildung.bremen.de/informationen_zum_coronavirus-237989
## AUTOREN
Eiken Bruhn
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