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# taz.de -- Zunehmende Coronafälle an Schulen: Kampf um die Klassen
> Das Coronavirus breitet sich immer mehr auf den Schulhöfen aus. Doch eine
> Schließung der Schulen im Norden soll unbedingt vermieden werden.
Bild: Wenn alle da sind, ist das Abstandhalten schwer – wie hier unter Hambur…
Hamburg taz | „So lange wie nur möglich“ heißt die Durchhalteparole des
Hamburger Schulsenators. Obwohl Corona sich auch immer mehr in den
Hamburger Schulen ausbreitet, Lehrkräfte und Schüler*innen ins Krankenbett
oder in Quarantäne schickt, will Ties Rabe (SPD) [1][am Präsenzunterricht
festhalten]. Er hat dafür einen guten Grund: Schließlich haben die
Kanzlerin und die Ministerpräsident*innen die politische Entscheidung
getroffen, Freizeitmöglichkeiten inklusive Kultur und Gastronomie stark
einzuschränken, damit [2][Kitas und Schulen geöffnet bleiben].
Doch mit den steigenden Infektionszahlen nehmen auch die Coronafälle im
Schulumfeld zu. Seit Ende der Herbstferien gab es an Hamburgs Schulen rund
700 Neuinfektionen, davon etwa 550 Schüler*innen und 150 Lehrende samt
pädagogischem Personal. Am Dienstag betraf knapp ein Viertel aller 456
Neuinfektionen in Hamburg den Schulbereich. Die Behörde registrierte 104
neue Infektionen an 66 Schulen. Betroffen waren 85 Lernende und 19
Lehrende.
Aus Vorsicht müssen viele, die noch nicht positiv getestet werden, zu Hause
bleiben. Allein an der Ida-Ehre-Schule in Hamburg-Eimsbüttel seien derzeit
40 Prozent der Lehrkräfte in Quarantäne, bestätigte Rabe am Dienstag
gegenüber dem NDR.
Trotzdem halte er an der Entscheidung, die Schulen offen zu halten, fest,
gibt Rabe sich krisenfest. Das klang noch vor Kurzem ganz anders. Im
[3][August verkündete der Senator,] sollte die 7-Tage-Inzidenz in Hamburg
die 50er-Grenze reißen, werde automatisch „Plan C“ in Kraft treten. Die
Schulklassen würden dann in jeweils zwei Lerngruppen geteilt und diese
abwechselnd in der Schule und zu Hause unterrichtet. Das bedeute, so Rabe,
„dass die Hälfte der Schulzeit zu Hause gelernt werden muss“.
## Ein Senator ohne Plan
Obwohl die Inzidenz in Hamburg inzwischen bei über 143 liegt, will Rabe
aufgrund der bundespolitischen Vorgaben von Plan C nichts mehr wissen. „Von
zehn infizierten Lehrkräften hat sich nur eine in der Schule angesteckt,
fast alle dagegen zu Hause“, erklärt der Senator, während die
Gesundheitsämter beklagen, es lasse sich nur noch bei etwa 25 Prozent der
Erkrankten zurückverfolgen, wo sie sich angesteckt haben.
Rabe ficht das nicht an: Für ihn sind Hamburgs Schulen „ein sicherer Ort“.
Da sich auch die Kinder „in ihrer Freizeit neun Mal häufiger als in der
Schule“ infizierten, „müsste man eigentlich die Freizeit schließen, nicht
die Schulen“, kalauert sich der mäßig humorbegabte Politiker durch die
Coronakrise.
Die Ausführungen des planlosen Senators kommen nicht überall gut an. „Die
Schulen werden gerade zu Hamburgs offener Flanke in der Coronapandemie“,
klagt Birgit Stöver, schulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. „Ohne
klare Vorgaben gefährdet Rabe mittlerweile die Gesundheit unserer Kinder.
Die Schule ist dadurch mitnichten ein sicherer Ort für unsere Kinder“, sagt
sie.
Die Hamburger Elternkammer hat deshalb vorgeschlagen, die Klassen zu
verkleinern oder aufzuteilen. Die Linke will in zwei Wochen einen
entsprechenden Antrag in die Hamburgische Bürgerschaft einbringen. Denn
auch das Robert-Koch-Institut (RKI) schlägt ab einem Inzidenzwert von 50
vor, die Klassen zu teilen und zeitversetzt zu unterrichten, damit ein
Abstand von 1,50 Metern gewährleistet bleibt. „Wir fordern, die Einhaltung
der RKI-Empfehlung sofort umzusetzen!“, sagt Anja Bensinger-Stolze,
Vorsitzende der Hamburger Bildungsgewerkschaft GEW. Rabe hingegen kontert:
„Kein Bundesland richtet sich nach dieser sehr seltsamen Empfehlung.“
Auch die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU)
richtet sich nicht nach den Hinweisen des RKI, trotz rasant steigender
Infektionszahlen. Obwohl sie bereits im August einen Plan vorstellte,
nachdem bei einem Anstieg der Infektionszahlen zumindest ein Teil der
Schüler*innen zu Hause unterrichtet werden sollte, möchte auch sie jetzt
die Schulen „so lange wie möglich offen halten“.
Das klappt bedingt. Wie ein Sprecher von Priens Ministerium mitteilte,
erhielten Anfang der laufenden Woche bereits 145 „Schul-Kohorten“
pandemiebedingt keinen Präsenzunterricht mehr. Unter „Kohorte“ fallen lern-
und Tutor*innengruppen, Klassen oder auch ganze Jahrgangsstufen. Vier
Schulen wurden bereits ganz geschlossen. Trotz steigender Fallzahlen
erhalten in dem nördlichsten Bundesland jedoch noch immer „deutlich mehr
als 90 Prozent der Schüler*innen“ weiterhin Präsenzunterricht, erklärt das
Ministerium.
## Wechselmodell an 12 Schulen
Nicht ganz so gut sieht es wohl in Niedersachsen aus: Dort wird das vom RKI
vorgeschlagene „Wechselmodell“ aus Präsenzunterricht und Homeschooling
derzeit an zwölf Schulen umgesetzt – eben da, wo die Inzidenz über 100
liegt und aktuelle Coronafälle die Lernbetriebe zum Handeln zwingen. Vier
Grundschulen und eine Grund- und Hauptschule sind deshalb seit Montag
geschlossen. Am Mittwoch wurden, so teilte der Landkreis Lüneburg mit, auch
noch die Grundschulen Barendorf und Wendisch Evern komplett unter
Quarantäne gestellt. Insgesamt sind bereits mehr als 150 niedersächsische
Schulen von Corona-Einschränkungen betroffen.
Vielen Betroffenen reicht das nicht: 1.536 Personen unterzeichneten eine
Onlinepetition von Schüler*innen im Landkreis Verden. Sie fordern vor allem
geringere Klassengrößen und Wechselmodelle, die es einfacher machen,
Abstände einzuhalten: „Wir haben Angst, uns in der Schule zu infizieren und
so uns und unsere Familien zu gefährden“, schreiben die Schüler*innen. Die
Klassenräume seien zu klein, Lüften bringe zu wenig. Dass das Wechselmodell
erst an zwölf Schulen eingeführt wurde, kritisieren sie ebenfalls: „Warum
muss es schon zu spät sein, um Maßnahmen zu ergreifen, die uns schützen?“,
fragen die Schüler*innen.
In Bremen wies am Mittwoch die GEW in einem offenen Brief Bürgermeister
Andreas Bovenschulte (SPD) darauf hin, dass die Gleichung „Halbe Gruppen =
halbe Unterrichtszeit = halbe Lernerfolge“ nicht aufgehe. „Rückmeldungen
von den Kolleg*innen aus allen Schulstufen, von Eltern und Schüler*innen
haben gezeigt, dass der Unterricht in Halbgruppen sehr effektiv war und
dass die Schüler*innen oft in kürzerer Zeit mehr gelernt haben als in
vollen Klassen“, schrieb die Gewerkschaft. Und weiter: „Dies gilt
ausdrücklich auch für Kinder aus bildungsbenachteiligten Elternhäusern.“
5 Nov 2020
## LINKS
[1] /Schulbetrieb-in-Hamburg/!5720473
[2] https://www.swr.de/swraktuell/merkel-ministerpraesidenten-massnahmen-100.ht…
[3] https://www.elbe-wochenblatt.de/2020/08/04/schulsenator-rabe-es-gibt-einen-…
## AUTOREN
Eiken Bruhn
Marco Carini
## TAGS
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Bildung in Bremen
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