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# taz.de -- Pflegeheime in der zweiten Corona-Welle: Bloß keine Besuchsverbote…
> Pflegeheime bereiten sich mit Schnelltests und Infrarotthermometern auf
> steigende Infektionszahlen vor. Doch wer darf überhaupt rein?
Bild: Bewohner*innen von Pflegeheimen sind oft besonders anfällig für das Cor…
Berlin taz | Dass die Pflegekräfte im Heim Masken tragen, daran haben sich
die BewohnerInnen gewöhnt, auch die Demenzkranken. „Das ist Alltag
geworden“, berichtet Kristina Baumstark, Hausdirektorin des
Seniorenzentrums [1][„Haus im Schelmenholz“] in Winnenden.
Zum Alltag gehört inzwischen auch, dass MitarbeiterInnen am Empfang die
Körpertemperatur der BesucherInnen messen, kontaktlos, mit einem
Infrarotthermometer vor der Stirn. Und bald kommen die neuen Tests. „Ich
hoffe, dass wir in den nächsten Wochen die Beschaffung der Schnelltests
organisieren können“, sagt Baumstark.
Das Seniorenzentrum ist eins von tausenden Pflegeheimen in Deutschland, in
denen ein Kompromiss gefunden werden muss – zwischen den Bedürfnissen der
BewohnerInnen und den Erfordernissen des Infektionsschutzes in der zweiten
Welle der [2][Coronapandemie]. Steigende Infektionszahlen im Land führten
aktuell wieder zu „teils unverhältnismäßigen Besuchseinschränkungen in
Pflegeheimen“, sagt David Kröll, Sprecher des [3][Biva-Pflegeschutzbundes]
in Bonn.
Der Schutzbund berät Angehörige und Pflegebedürftige und befürchtet eine
Wiederholung [4][der folgenschweren Isolierung von HeimbewohnerInnen wie im
Frühjahr]. Heime hatten generelle Besuchs- und Ausgangsverbote verhängt,
eine Vorsichtsmaßnahme, da es in einigen Pflegeheimen zu Massenausbrüchen
von [5][Covid-19] gekommen war, bei denen Dutzende von BewohnerInnen
starben. Durch die generellen Besuchsverbote vereinsamten die gebrechlichen
SeniorInnen. „Angehörige übernehmen bei ihren Besuchen ja auch viel, helfen
etwa beim Essen und Trinken, das fiel dann weg“, schildert Kröll.
## 20 Schnelltests pro Bewohnerin
Der Biva-Pflegeschutzbund empfiehlt den Klageweg, falls man einen Konflikt
um ein Besuchsverbot mit der Heimleitung oder Heimaufsichtsbehörde und in
Kontakt mit dem Gesundheitsamt nicht lösen könne. Er verweist auf ein
Urteil des [6][Verwaltungsgerichts] Minden, in dem die Richter die
Isolierung einer Pflegeheimbewohnerin mangels Ermächtigungsgrundlage
aufhoben und den Inhalt einer Coronaschutzverordnung infrage stellten.
„Wir möchten auf keinen Fall wieder generelle Besuchsverbote“, sagt
Baumstark. Das Seniorenzentrum ist vorbereitet. „Wir sind jetzt besser
gerüstet. Es ist genug Schutzkleidung da, Handschuhe, FFP2-Masken“, so die
Hausdirektorin. Würde eine Bewohnerin in dem 135-Betten-Haus positiv
getestet, könnte sie von den anderen isoliert und durch Pflegekräfte in
Schutzkleidung versorgt werden. Der Landkreis des Heims verzeichnet mehr
als 50 Neuinfektionen pro 100.000 EinwohnerInnen, daher misst man im Heim
jetzt schon am Eingang vorsorglich die Körpertemperatur der BesucherInnen.
Pro Bewohnerin und pro Monat habe das Heim 20 der neuen
[7][Antigenschnelltests] beantragt, sagt Baumstark. Das Kontingent von 20
Tests muss für eine Bewohnerin, ihre Pflegekräfte und ihre Besucher
reichen. PflegerInnen, die speziell geschult sind, werden dann am Empfang
den Abstrich im Rachenraum der Besucher vornehmen. Das Ergebnis des
Antigenschnelltests ist nach 20 Minuten ablesbar.
Getestet werden soll etwa bei unklarer Symptomatik oder wenn ein Besucher
oder eine Besucherin Kontakt mit positiv Getesteten hatte oder wenn
Pflegekräfte jemanden versorgen, der positiv ist, erklärt Baumstark. Wer
häufig zu Besuch kommt, bei der oder dem ist ein wöchentlicher Abstrich
vorgesehen.
Die Angehörigen treffen die BewohnerInnen nur noch im Zimmer oder draußen,
nicht aber im Aufenthaltsraum. Im Seniorenzentrum gibt es seit Corona keine
wohnbereichsübergreifenden Veranstaltungen mehr. „Man trägt eine enorme
Verantwortung“, sagt Baumstark. Sie ist froh, dass sie mit der
evangelischen Heimstiftung einen Träger im Rücken hat, der mehrere
Einrichtungen betreibt und bei den Entscheidungen zum Infektionsschutz
hilft.
## „Einschränkungen erzeug immer Leid“
Die Einschränkung von Besuchen oder gar Ausgangsverbote sind rechtlich
immer heikel. „Mit den Besuchs- und Ausgangsverboten im Frühjahr und Sommer
bewegte man sich im juristischen Neuland. Wir sind in eine Situation
katapultiert worden, wo es keine Ermächtigung gab und keine Qualifikation“,
sagt Ulrike Kempchen, Juristin beim Biva. „Wir würden uns
bundeseinheitliche Mindeststandards für die Besuchsregelungen in den
Einrichtungen wünschen.“
Die Besuchsregelungen unterscheiden sich bisher regional, stellt der
Schutzbund fest. In Berlin dürfen BewohnerInnen täglich bis zu drei
BesucherInnen empfangen, Masken müssen in geschlossenen Räumen getragen
werden. In Baden-Württemberg gelten Maskenpflicht und Mindestabstand von
1,50 Metern für nahe Angehörige nicht. In Hamburg sind in den Innenräumen
der Pflegeeinrichtungen pro Woche und Bewohner maximal drei Stunden Besuch
für maximal zwei Personen gestattet, Körperkontakt von maximal 15 Minuten
je Besuch ist erlaubt. Darüber hinaus pflegen die Heime noch spezielle
Sonderregeln.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, hat
jetzt eine bundesweit übergreifende „Handreichung“ für Besuchskonzepte in
Pflegeheimen angekündigt, in Zusammenarbeit mit dem
Bundesgesundheitsministerium und dem Robert-Koch-Institut. Jede
Einschränkung erzeugt immer auch Leid. Kempchen sagt: „Ich sehe Umfragen,
wo Bewohnerinnen zitiert sind, die sagen, ich möchte selbst entscheiden,
woran ich sterbe, und ich möchte nicht in Isolation leben.“
28 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.ev-heimstiftung.de/winnenden-haus-im-schelmenholz/
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[3] https://www.biva.de/besuchseinschraenkungen-in-alten-und-pflegeheimen-wegen…
[4] /Coronakrise-im-Pflegeheim/!5700941
[5] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[6] https://www.vg-minden.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/102_1410202…
[7] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2020/faq-…
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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