# taz.de -- Öffentliches Zeigen von Reichsfahnen: Verbieten für Profis | |
> Das Bremer Verbot, öffentlich Reichsfahnen zu zeigen, hat das | |
> Oberverwaltungsgericht kassiert. Nun fordern die Grünen ein | |
> gerichtsfestes Gesetz. | |
Bild: Erkennungszeichen für Rechte: Schwarz-Weiß-Rot, hier bei einer Demo am … | |
Bremen taz | Das öffentliche Zeigen von Reichsfahnen und Reichskriegsfahnen | |
soll ein Mitte September beschlossener Erlass des Bremer Senats | |
einschränken. Andere Bundesländer sind dem gefolgt. Seit Anfang Oktober | |
gibt es einen ähnlichen Erlass in Niedersachsen, diesen Donnerstag forderte | |
nun auch die Schleswig-Holsteiner SPD-Fraktion eine Regelung nach Bremer | |
Vorbild. | |
Am vergangenen Samstag aber demonstrierten in Bremerhaven Rechtsextreme | |
gegen den Erlass – und durften dabei schwarz-weiß-rote Reichsfahnen | |
schwenken. Das Oberverwaltungsgericht hob ein entsprechendes Verbot der | |
Versammlungsbehörde mit Verweis auf die Meinungsfreiheit auf. Die | |
öffentliche Ordnung werde durch das Zeigen der Fahnen, die ja nicht | |
verboten seien, nicht gefährdet. Eine Beschwerde der Stadt lehnte das | |
Gericht ab und betonte, der Erlass des Innensenators habe keine | |
Gesetzesqualität. | |
Deshalb fordert die Fraktion der Grünen in Niedersachsen jetzt ein | |
gesetzliches Verbot der Fahnen. Doch würde das überhaupt etwas nützen? Der | |
Soziologe Wilhelm Heitmeyer hält ein solches Gesetz zwar für sinnvoll, weil | |
es „eine symbolische Handlung zugunsten der Opfergruppen“ darstelle, sagt | |
er, man dürfe sich aber nicht der Illusion hingeben, dass ein Verbot die | |
rechtsextreme Bewegung schwächen würde, so der Professor am Institut für | |
interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung in Bielefeld: „Ein Verbot | |
ist sinnvoll, wird aber nicht erfolgreich sein.“ | |
Ein Gesetz böte mehr Handlungsspielraum, die im Grundgesetz | |
festgeschriebene Meinungsfreiheit einzuschränken, als ein Erlass. „Es | |
handelt sich bei dem Erlass nicht um ein Verbot von Reichsflaggen, sondern | |
um eine Auslegungshilfe zur Anwendung der betreffenden | |
Ordnungswidrigkeitsvorschrift“, betont das Bremer Innenressort. | |
Das heißt: Der Erlass ist als Handreichung für die Polizei zu verstehen. | |
„Das Zeigen der entsprechenden Fahnen soll laut Erlass eine Gefahr für die | |
öffentliche Ordnung darstellen. Die Polizei darf gegen eine solche Gefahr | |
einschreiten“, erklärt die Anwältin Lea Voigt. Man dürfe erwarten, dass der | |
Erlass zu einer gewissen Sensibilisierung bei der Polizei führt, so Voigt. | |
Ob die Maßnahmen vor Gericht Bestand hätten, hinge aber vom Einzelfall ab: | |
„Im Zusammenhang mit Demonstrationen, die unter dem besonderen Schutz der | |
Versammlungsfreiheit stehen, haben die Bremischen Verwaltungsgerichte | |
entschieden, dass ein pauschales Verbot nicht zulässig ist“, erläutert | |
Voigt die Entscheidung über die Bremerhavener Kundgebung. | |
Das SPD geführte Innenministerium in Niedersachsen verweist darauf, dass | |
dem Bremer Urteil „eine sehr enge Auslegung“ zugrunde liege. Daher gehe man | |
weiterhin davon aus, dass mit dem bereits verabschiedeten Erlass „gerade | |
besonders provokative und schwer erträgliche Verwendungen von Reichs- und | |
Reichskriegsflaggen wirksam unterbunden werden können“, so die Pressestelle | |
des Ministeriums. | |
Ob Gesetz oder Erlass – die Frage, ob eine kontrollierende Intervention die | |
rechtsextreme Szene überhaupt stören würde, bleibt. Heitmeyer, der zu | |
rechten Bedrohungen in Deutschland forscht, geht nicht davon aus: | |
„Staatliche Repression ruft immer rechtsextreme Innovation hervor“, sagt | |
er. Ehemalige Kameraden verbotener rechtsextremer Strukturen hätten sich | |
etwa in anderen Organisierungen erneut zusammengeschlossen. Das sei auch | |
mit Symbolen nicht anders, so Heitmeyer: „Faktisch wird es die Bewegung | |
nicht tangieren. Der Erfindergeist für neue Symbole schlägt dann zu.“ | |
Grundsätzlich, sagt Juristin Voigt, sei der Ruf nach Verboten mit Vorsicht | |
zu genießen. Weil die Erfahrung zeige, dass Verbote gegen rechte Umtriebe | |
wenig wirksam seien, müsse man gut abwägen, ob der Nutzen eines Verbots | |
mögliche Kollateralschäden für die Meinungsfreiheit rechtfertige, so die | |
Anwältin. | |
Auch Helge Limburg von den Grünen in Niedersachsen, der die Forderung nach | |
einem gesetzlichen Verbot mit auf den Weg gebracht hat, betont, dass es | |
zwar wichtig sei, die Fahnen zu verbieten, um zu zeigen, dass deren | |
Botschaft nicht toleriert werde, dennoch sei ein Verbot nur ein kleiner | |
Baustein im Kampf gegen Rechtsextremismus. „Die Politik muss zeigen, dass | |
sie hinter denen steht, die durch Rechtsextreme bedroht werden. Insgesamt | |
kann unsere Demokratie diese Auseinandersetzung nur mit einer aufgeklärten | |
Zivilgesellschaft gewinnen“, so Limburg. | |
Beflügelt vom Erfolg in Bremerhaven will die rechtsextreme Partei „Die | |
Rechte“ am Samstag in Bremen gegen das Verbot der Fahnen demonstrieren. Das | |
Innenressort hat die Versammlung verboten, weil sie „einen das friedliche | |
Zusammenleben bedrohenden Charakter“ habe und rechtsextremistisches | |
Gedankengut inszenieren wolle. Dagegen hat „Die Rechte“ am Mittwoch einen | |
Eilantrag und eine Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. | |
23 Oct 2020 | |
## AUTOREN | |
Marie Gogoll | |
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