# taz.de -- Zionismuskritik an Kunsthochschule in Berlin: Zoff um Antisemitismu… | |
> Ein Projekt von jüdisch-israelischen Studierenden steht wegen | |
> vermeintlicher BDS-Nähe unter Druck. Die Gelder sind gestrichen, ein Prof | |
> wehrt sich. | |
Bild: Ist die Kunst hier noch frei? Kunsthochschule in Berlin-Weißensee | |
BERLIN taz | Eine Gruppe jüdischer KunststudentInnen in Berlin organisiert | |
eine zionismuskritische Veranstaltungsreihe. Die Reaktionen: Eine | |
regierungsnahe israelische Zeitung skandalisiert den Fall. Volker Beck, | |
Ex-Grüner Bundestagsabgeordneter, postet, dass mit „Steuergeldern ein | |
Antizionismusspektakel finanziert wird“, und alarmiert das zuständige | |
Ministerium. Die israelische Botschaft sieht „eine Delegitimierung Israels | |
und Antisemitismus“ am Werk. Der Vorwurf lautet Nähe zu [1][BDS (boycott, | |
divestment, sanctions)], einer in Palästina gegründete internationalen | |
Bewegung, die mit mäßigem Erfolg auf Israel-Boykott setzt. | |
Der Bundestag hat 2019 beschlossen, dass mit staatlichen Geldern keine | |
Veranstaltungen finanziert werden, [2][in denen ein Boykott Israels | |
befürwortet wird]. Manchmal reicht schon der Verdacht der BDS-Nähe, um die | |
Nutzung städtischer Räume zu verbieten. Bei dem Projekt „School for | |
Unlearning Zionism“, organisiert von jüdischen Studierenden der weißensee | |
kunsthochschule berlin ist das, folgt man Volker Beck, der Fall. | |
Das Forschungsministerium erklärte eilig, dass man den Anti-BDS-Beschluss | |
sehr ernst nehme und es keine finanzielle Unterstützung des Projekts gebe. | |
Auch die weißensee kunsthochschule berlin beteuerte, sich an an den | |
Anti-BDS-Beschluss zu halten, entfernte die website der Veranstaltungsreihe | |
und Kunstinstallation „School for Unlearning Zionism“ und strich die | |
Gelder. | |
Mathias Jud (46), Schweizer Künstler und derzeit Gastprofessor an der | |
Kunsthochschule, war erstaunt, dass die Finanzierung des von ihm betreuten | |
Projekts plötzlich gesperrt war. Niemand habe mit ihm davor gesprochen. | |
„Das ist ein direkter Eingriff in die Freiheit der Lehre“, so Jud zur taz. | |
Das BDS-Argument leuchtet ihm nicht ein. Der BDS-Beschluss des Bundestags | |
richte sich doch gegen einen Boykott „israelischer WissenschaftlerInnen und | |
KünstlerInnen“ – hier werde dieser Beschluss nun als Vorwand genutzt, „um | |
ein Projekt von jüdisch-israelischen StudentInnen zu boykottieren, die sich | |
mit ihrem Staat, Religion und Geschichte beschäftigen“, so Jud. | |
## „Wir lassen uns nicht stumm schalten“ | |
Angesichts der pauschalen Absage, das Projekt zu finanzieren, und der | |
Abschaltung der Website könne „man hier von Boykott reden“, so Jud. Volker | |
Beck argumentiert hingegen, dass „die Veranstaltung nicht verboten werden | |
soll“. Der Protest richte sich gegen die staatliche Unterstützung. | |
Die Finanzierung des Projekts war Jud zufolge zugesichert. Nun hat die | |
Hochschule sie entzogen. Jud will sich damit nicht abfinden. „Für mich ist | |
es klar, dass dieses Programm von der Hochschule bezahlt werden muss.“ Das | |
Gesamtbudget für die Installation und die elf Onlinevorträge und Debatten | |
liegt unter 2.000 Euro. | |
Yehudit Yinhar, Kunststudentin und Aktivistin, hat das Projekt „School for | |
Unlearning Zionism“ und die Veranstaltungsreihe „October Program“ | |
mitorganisiert, die in Hebräisch und Englisch stattfinden. „Unlearning | |
Zionism“ bedeute, so Yinhar, „Macht und Privilegien der eigenen Gruppe | |
sichtbar und sich das eigene hegemoniale Narrativ bewusst zu machen“. In | |
der Onlinereihe treten unter anderem kritische jüdische Israelis auf, wie | |
der israelische Historiker Ilan Pappe, Iris Hefets und Shir Hever, beide im | |
Vorstand der Berliner „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden“. | |
Yinhar, die seit 2010 in Berlin lebt, kritisiert, dass sich deutsche | |
Institutionen anmaßen, jüdische Aktivisten als Antisemiten zu | |
sanktionieren. Die Botschaft sei: „Wir sollen staatskonform sprechen, sonst | |
bekommen wir keine Gelder. Das gilt nicht nur für uns, sondern auch für | |
andere marginalisierte Gruppen.“ Kritik an Zionismus mit Antisemitismus zu | |
identifizieren und „ja oder nein zu BDS zum Rahmen des gesamten Diskurses | |
zu machen“, hält die 35-jährige für den Versuch, kritische Stimmen mundtot | |
zu machen. Die Veranstaltung finden weiterhin statt. „Wir lassen uns nicht | |
stumm schalten“, so Yinhar. | |
Die Amadeu Antonio Stiftung, eine antirassistische NGO, führt das Projekt | |
„School for Unlearning Zionism“ inzwischen in ihrer Chronik antisemitischer | |
Vorfälle auf. Dort wird es direkt neben Nazischmierereien in Leipzig | |
genannt. Yinhar, in Israel in einem Kibbuz aufgewachsen und Enkelin einer | |
1938 aus Berlin geflohenen deutschen Jüdin, macht das fassungslos. „Wie | |
kann man uns und unsere Arbeit in einem Atemzug mit Neonazis nennen? Wollen | |
deutsche Institutionen so Rassismus und Antisemitismus bekämpfen?“ | |
14 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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