# taz.de -- Kunsthochschule trennt sich von Dozenten: Kunst als Kampfplatz | |
> Der jüdische Fotokünstler Adam Broomberg nennt Israel einen | |
> Apartheidsstaat. Die Hochschule für bildende Künste Hamburg beendet die | |
> Zusammenarbeit. | |
Bild: Adam Broomberg unterrichtet an der HFBK in Hamburg, sein Vertrag wurde ab… | |
Hamburg taz | Mitte Mai bezeichnete Adam Broomberg den israelischen Staat | |
auf der Plattform Instagram als Apartheidsregime. Kurz darauf beendete die | |
Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) ihre Zusammenarbeit mit dem | |
Fotografiedozenten. Im Internet werfen User*innen ihm Antisemitismus | |
vor. | |
Broomberg selbst ist Jude und wuchs in Südafrika zur Zeit der Apartheid in | |
einer Familie von Holocaust-Überlebenden auf. Jetzt ruft der Künstler zum | |
Boykott der britischen Kunstsammelorganisation Zabludowicz Art Trust auf. | |
Seine Kritik: Laut einem Bericht der Nichtregierungsorganisationen | |
„Spinwatch“ und „Middle East Monitor“ hat der Kunstsammler Verbindungen… | |
israelischen Staat und investiert Geld in die ideologische Gleichsetzung | |
von Antisemitismus und Zionismuskritik. „Auf den Straßen Israels und in den | |
Angriffen auf Gaza wird eine Form von Rechtsextremismus ausgetragen“, | |
lautet Broombergs Urteil. Er habe vielen Künstler*innen und Galerien | |
Informationen geschickt. „Jetzt können sie eine informierte Entscheidung | |
darüber fällen, ob sie sich mitschuldig zeigen wollen.“ Der Vorfall zeigt, | |
wie der Nahostkonflikt auch in Deutschland spaltet. | |
Der Boykott von Organisationen und Veranstaltungen, die in Verbindung mit | |
dem israelischen Staat stehen, ist längst nicht mehr nur umstritten. 2019 | |
verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Gesetz, das die Kampagne BDS | |
(Boycott, Divestment and Sanctions) als antisemitisch einstuft. Die | |
Kampagne ruft weltweit zur Isolation Israels auf. | |
## Boykottaufruf gegen Kunstsammlung | |
Im Dezember 2020 veröffentlichten Kulturschaffende eine Petition gegen das | |
Gesetz – Broomberg unterschrieb sie. Die Entscheidung, die Petition zu | |
unterschreiben, sei keine einfache gewesen, sagt Broomberg im Gespräch mit | |
der taz. Laut dem Fotografen folgt aus dem Gesetz, dass Kritik am Zionismus | |
und Antisemitismus rechtlich gleich bewertet werden: „Das Gesetz untergräbt | |
Jahrzehnte von Aktivismus, der um die Differenzierung zwischen Israelkritik | |
und Antisemitismus bemüht ist. Warum müssen Palästinenser*innen für | |
Deutschlands Schuldgefühl bezahlen?“ International ruft Broomberg | |
Künstler*innen auf, ihre Werke aus dem Zabludowicz Art Trust | |
zurückzuziehen. | |
Chaim „Poju“ Zabludowicz und seine Frau Anita Zabludowicz haben bis heute | |
eine Kunstsammlung von 5.000 Werken angelegt. Sie stellen international | |
aus. Laut den Berichten von Spinwatch und Middel East Monitor finanziert | |
sich der Art Trust durch Waffengelder aus israelischen Industrien. | |
Poju Zabludowicz habe sein Vermögen durch den Waffenhandel seines Vaters | |
erlangt. „Mittlerweile ist bekannt, dass die Zabludowicz-Familie eine | |
zentrale Rolle für das Verhältnis zwischen Großbritannien und Israel | |
einnimmt“, sagt Broomberg. „Sie unterstützen die Conservative Party und | |
betreiben Lobbyismus im Auftrag Israels.“ Als Reaktion auf diese Vorwürfe | |
initiierten Künstler*innen 2014 die Kampagne Boycott Divest Zabludowicz | |
(BDZ). Weitere Hunderte Künstler*innen schlossen sich an. | |
Dem Kunstsammler wirft Broomberg explizit „Artwashing“ vor. Dabei gehe es | |
um die Instrumentalisierung von Kunst und Kultur mit dem Ziel, ein | |
positives Image Israels zu propagieren. Zabludowiczs Agenda sei von Anfang | |
an klar gewesen, so Broomberg: Es sei nie um politische Kunst gegangen. | |
„Vielmehr geht es um die Legitimierung rassistischer Staatspolitik“, sagt | |
der 50-Jährige. | |
Der Kampf für jüdische Nationalität sei dabei in den Hintergrund gerückt. | |
Artwashing durch den Zabludowicz Art Trust mache Kunst und Kultur zu | |
Waffen. Broomberg habe am eigenen Leib erfahren, wie es sei, als Künstler | |
instrumentalisiert zu werden: „2010 bot mir ein Zuschauer einer | |
Pressekonferenz im Stedelijk Museum 100.000 Dollar dafür an, dass ich ein | |
fotografisches Projekt meiner Wahl in Israel ausstellte. Ich lehnte ab. Sie | |
wollten mich als Künstler kaufen, damit ich Werke über Israel anfertige.“ | |
Laut Broomberg ist das ein Paradebeispiel für versuchtes Artwashing. | |
## Schutz im Bunker | |
Broomberg wurde 1970 in Südafrika in eine jüdische Familie | |
Holocaust-Überlebender geboren. Seit seinem 16. Lebensjahr engagiere er | |
sich politisch gegen Apartheid, sagt er: „Der Aktivismus steckt in meiner | |
DNA.“ | |
Teile seiner Familie leben in Israel. Sein Neffe sei für einige Wochen von | |
den „Special Forces“, einer Militäreinheit, eingezogen worden, als sich die | |
Zustände am Gazastreifen zuspitzten. Seine Nichte müsse sich regelmäßig mit | |
ihrem neugeborenen Kind im Luftschutzbunker unter ihrem Haus verstecken. | |
Was sie aushalten müssten, sei für ihn nur schwer verkraftbar. „Und | |
trotzdem ist es nicht vergleichbar mit dem Trauma, das | |
Palästinenser*innen am Gazastreifen durchleben“, sagt der Fotograf. | |
„Meine Familie leidet, und doch gibt es Menschen, die noch mehr leiden.“ | |
Auf Anfrage der taz gibt die HFBK an, dass die Nicht-Verlängerung seines | |
Vertrags in keinem Zusammenhang zu Broombergs Äußerungen stehe. Eine | |
Sprecherin betont, dass es sich bei den Kommentaren um seine persönliche | |
Meinung handele. Laut Broomberg habe die Hochschule ihm lediglich per Mail | |
mitgeteilt, dass sie den Fotografie-Kurs in Zukunft thematisch neu | |
aufstellen wolle. Seitdem habe er nichts mehr gehört. | |
Mit seinen Äußerungen betritt Broomberg einen Diskurs, der von | |
Polarisierungen geprägt ist. Der Nahostkonflikt hat sich auch in | |
Deutschland zu einem Lagerkampf entwickelt. | |
Der Frage, wie man die Kritik an der israelischen Regierung von Kritik an | |
israelischen Bürger*innen trennen kann, weicht Broomberg aus. Sie sei | |
irreführend und gefährlich. Ihm gehe es vor allem darum, Juden in Schutz zu | |
nehmen, aber nicht pauschal alle Israelis freizusprechen. „Die | |
Bürger*innen haben Bibi gewählt. Das kann ich nicht entschuldigen und | |
deswegen kritisiere ich sie“, sagt er. „Jeder, der Netanjahu gewählt hat, | |
unterstützt meiner Ansicht nach ein apartheidliches Staatssystem.“ Die | |
Gleichsetzung von Antisemitismus und Israelkritik ist ihm zufolge schon an | |
sich antisemitisch. Jüdische Werte stünden für Inklusivität, Toleranz und | |
Frieden. | |
Broomberg weiß um die Kontroversität seiner Position: Einige Freunde hätten | |
ihn dafür kritisiert, dass er einzelne Künstler*innen öffentlich an den | |
Pranger stellt. Ihm zufolge zeigt sich ein neues Narrativ: Die Welt erlebe | |
eine Art intersektionale Solidarität. Das beinhalte auch die Positionen der | |
Palästinenser*innen. „Sie waren für lange Zeit von der Agenda verschwunden | |
– aber jetzt sind sie sichtbarer denn je.“ | |
4 Jun 2021 | |
## AUTOREN | |
Lukas Door | |
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