| # taz.de -- Urteil des VGH München zu BDS: Gegen Boykott des Israel-Boykotts | |
| > Veranstaltungen zu BDS in städtischen Räumen verbieten? Damit hat der | |
| > Stadtrat München die Meinungsfreiheit verletzt, so der | |
| > Verwaltungsgerichtshof. | |
| Bild: AnhängerInnen der BDS-Bewegung vor dem Berliner Reichstag im Mai 2019 | |
| Karlsruhe taz | In Räumen der Stadt München darf über die BDS-Bewegung, die | |
| zum Israel-Boykott aufruft, diskutiert werden. Das entschied jetzt der | |
| Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München. Ein entgegenstehender | |
| Beschluss des Münchener Stadtrats verletze die Meinungsfreiheit. | |
| BDS steht für [1][“Boykott, Desinvestition, Sanktionen“]. Die 2005 | |
| gegründete internationale Bewegung will Israel durch politischen und | |
| wirtschaftlichen Druck zum Rückzug aus den besetzten palästinensischen | |
| Gebieten zwingen. Die Bewegung ist nicht zuletzt deshalb umstritten, weil | |
| aus ihren Reihen immer wieder das Existenzrecht Israels in Frage gestellt | |
| wird. Kritiker werfen BDS unter anderem deshalb Antisemitismus vor. | |
| Im Dezember 2017 beschloss der Münchener Stadtrat mit großer Mehrheit, in | |
| städischen Räumen keine Veranstaltungen mehr zuzulassen, die sich mit der | |
| BDS-Kampagne „befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese | |
| werben“. Gegen den Beschluss stimmten die Linke, die ÖDP, eine | |
| NPD-Tarnliste und Teile der Grünen. | |
| Daraufhin plante eine Gruppe von Bürgern um den pensionierten Physiker | |
| Klaus Ried eine Diskussion über den Stadtratsbeschluss und beantragte dafür | |
| städtische Räume. Doch die Räume – es ging um das Stadtmuseum – wurden v… | |
| der Stadt verweigert, weil die Diskussion sich wohl auch mit den Inhalten | |
| der BDS-Bewegung „befassen“ werde. | |
| ## Stadtratsbeschluss „nicht meinungsneutral“ | |
| Ried klagte gegen die Raumverweigerung, doch das Verwaltungsgericht München | |
| entschied 2019 zugunsten der Stadt. Die Meinungsfreiheit sei nicht | |
| verletzt, da jede Befassung mit der BDS-Kampagne – zustimmend oder kritisch | |
| – verboten wurde. | |
| In der Berufung hatte Ried nun aber beim VGH München Erfolg. Dieser sah die | |
| Meinungsfreiheit nun doch verletzt. Die Beschränkung sei „nicht | |
| meinungsneutral“, denn dem Stadtratsbeschluss habe eindeutig eine negative | |
| Bewertung der BDS-Kampagne zugrundegelegen, heißt es im VGH-Urteil, das der | |
| taz vorliegt. | |
| Ein generelles Verbot wäre nur möglich, so die Richter, wenn es bei | |
| BDS-Veranstaltungen typischerweise zu Straftaten oder zur Störung der | |
| öffentlichen Ordnung komme. Es sei aber nicht erkennbar, dass bei solchen | |
| Diskussionen regelmäßig Volksverhetzung, Beleidigungen oder ähnliche | |
| Delikte begangen werden. Es sei auch nicht ersichtlich, so das Urteil | |
| weiter, dass die BDS-Bewegung in Deutschland zum Hass gegen die hiesige | |
| jüdische Bevölkerung aufstachele und so den öffentlichen Frieden bedrohe. | |
| Die Richter ließen ausdrücklich offen, ob sie die BDS-Bewegung als | |
| antisemitisch einstufen, wie dies [2][2019 der Bundestag getan hatte]. Denn | |
| darauf komme es in diesem Verfahren nicht an. Zwar verstießen | |
| antisemitische Konzepte gegen die Menschenwürde und seien deshalb | |
| verfassungswidrig, so die Richter, doch der Schutzbereich der | |
| Meinungsfreiheit umfasse auch extremistische, rassistische und | |
| antisemitische Äußerungen. Dass die Anerkennung des Existenzrechts Israels | |
| schon seit langem zu den Maximen der deutschen Politik gehöre, ändere | |
| nichts am Vorrang der Meinungsfreiheit, die die Stadt auch bei der Vergabe | |
| staatlicher Räume beachten müsse. | |
| Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Münchener Richter ließen | |
| die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu. (Az: 4 B 19.1358) | |
| 19 Nov 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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