# taz.de -- Kulturproteste gegen Anti-BDS-Praxis: Einmal durchlüften, bitte! | |
> Etablierte Kulturinstitutionen schlagen Alarm. Die Anti-BDS-Resolution | |
> des Bundestags erschwert ihre Zusammenarbeit mit internationalen | |
> KünstlerInnen. | |
Bild: Demo für die palästinensische antizionistische Aktivistin Ahed Tamimi i… | |
Ich teile Ihre Meinung nicht, würde aber dafür sterben, dass Sie sie äußern | |
dürfen. Dieser Satz, der nicht von Voltaire, sondern von einer britischen | |
Autorin stammt, ist eine Pathosformel der liberalen Demokratie. Der freie | |
Streit ist ihr Glutkern, zu viele Einschränkungen führen zu langsamem | |
Ersticken. | |
Es gibt viele Gründe, die unbedeutende BDS-Bewegung, die den Staat Israel | |
wegen seines Besatzungsunrechts boykottieren will, skeptisch zu sehen. In | |
Europa trifft ihr Boykott in Unis und Kultur meist eher kritische Israelis, | |
in Deutschland sollte man mit Boykotten sowieso vorsichtig sein. | |
Doch der amtliche Bannfluch gegen BDS per Bundestagsbeschluss hat fatale | |
Wirkungen. Es kommt zwar kein BDS-Sympathisant vor Gericht. Aber jede Art | |
von BDS-Befassung in öffentlich geförderten Räumen und Universitäten zu | |
verbieten, ist ein massiver Eingriff in die Meinungsfreiheit. Da aber hat | |
der Staat nur im Notfall etwas zu suchen. Dass Gerichte die schlimmsten | |
Auswüchse der [1][Anti-BDS-Praxis] korrigiert haben, ändert nichts daran. | |
Das diskursive Pendant zum BDS-Bannfluch ist der wahllose | |
Antisemitismusvorwurf. Auch da ersetzt Diffamierung die Debatte. | |
Bislang haben diese Missstände vor allem liberale Juden kritisiert – weil | |
sie sehen, dass all das dem Geschäft der Rechten in Israel nutzt, die | |
Kritik am Besatzungsregime zum Schweigen bringen wollen. Dass nun auch | |
etablierte deutsche Kulturinstitutionen wie das Goethe-Institut und die | |
[2][Kulturstiftung des Bundes] durch einen öffentlichen Appell Alarm | |
schlagen, ist erfreulich. Es ist der Versuch, die stickig-enge deutsche | |
Debatte durchzulüften und das Fenster aufzumachen. Der Aufruf der | |
„Initiative GG 5.3“ benennt auch präzise das Paradox des | |
Anti-BDS-Beschlusses. Er antwortet auf den [3][BDS-Boykott] mit einem | |
weiteren Boykott. | |
Die Motive für den Anti-BDS-Beschluss mögen ehrenwert gewesen sein, die | |
Auswirkungen beschädigen den Kern der liberalen Demokratie: den freien | |
Austausch von Argumenten. Es ist Zeit, ihn zu revidieren. Die Stärke der | |
Demokratie ist die Fähigkeit, Fehler zu korrigieren. | |
11 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Muenchner-Urteil-zum-Israel-Boykott/!5730057 | |
[2] /Kulturinstitute-gegen-Anti-BDS-Beschluss/!5730501 | |
[3] /Zeitschrift-fuer-Anti-Antisemitismus/!5711318 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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