| # taz.de -- Konflikt um Berliner Mahnmal: Kein Schlussstrich | |
| > Das „Trostfrauen“-Mahnmal in Berlin sollte auf Druck Japans verschwinden. | |
| > Doch sexualisierte Kriegsgewalt darf nicht unter den Teppich gekehrt | |
| > werden. | |
| Bild: Jemand hat ihr einen Schal umgelegt: Friedensstatue in Berlin Moabit | |
| Japans Regierung schießt mit ihrem [1][Drängen zum Abbau] einer Statue | |
| gerade ein diplomatisches Eigentor. Sie erinnert an die mehr als 200.0000 | |
| „Trostfrauen“, also Zwangsprostituierte der japanischen Armee im Zweiten | |
| Weltkrieg und ist Berlins erstes Mahnmal gegen sexualisierte Kriegsgewalt. | |
| Denn nach Protesten haben sich inzwischen [2][Lokalpolitiker und Fraktionen | |
| der Grünen, der SPD und der Linken], also der drei im Bezirk Mitte | |
| dominierenden Parteien, für die Statue ausgesprochen. Inzwischen liegt der | |
| Fall bei Gericht. | |
| Auf Druck Tokios, der über die japanische Botschaft, das Auswärtige Amt und | |
| die Senatskanzlei auf das Bezirksamt und seinen grünen Bürgermeister | |
| ausgeübt wurde, hatte der Bezirk Mitte die Genehmigung zum gerade erst | |
| aufgestellten Mahnmal zurückgezogen. | |
| Begründet wurde dies mit dem Interesse an guten Beziehungen zu Japan wie | |
| mit der Sorge, die Statue könnte den Frieden in dem multikulturellen Bezirk | |
| gefährden. Auch wurde schäbig der Eindruck erweckt, das Amt sei von den | |
| InitiatorInnen der Statue getäuscht worden, weil sie zu sehr [3][auf Japans | |
| Kriegsverbrechen] eingehe. | |
| Doch getäuscht hat sich nicht nur Japans Regierung, die glaubte, in Berlin | |
| ein Mahnmal und das Gedenken zensieren zu können. Auch das Auswärtige Amt, | |
| der Berliner Senat und das Bezirksamt haben nicht mit der | |
| gesellschaftspolitischen Dynamik gerechnet, die das Thema längst hat. | |
| Die Ironie ist, dass sich ausgerechnet das Auswärtige Amt damit brüstete, | |
| als Initiator der im April 2019 mit der vom UN-Sicherheitsrat | |
| verabschiedeten Resolution 2467 ein Zeichen zur Beendigung sexualisierter | |
| Kriegsgewalt gesetzt zu haben. Damals erklärte Heiko Maas, mit der | |
| Resolution würden die „Verantwortlichen für sexuelle Gewalt zur | |
| Verantwortung“ gezogen. | |
| „Wir stellen mit der Resolution die Opfer in den Mittelpunkt und rufen alle | |
| Staaten auf, diesen ein Leben in Würde zu ermöglichen“, so Maas. Doch nun | |
| folgt sein Ministerium lieber Tokios unaufrichtiger Politik. Japans | |
| Regierung hat das begangene Unrecht zwar anerkannt, aber nur unter der | |
| Bedingung eines Schlussstriches, also das darüber fortan geschwiegen wird. | |
| Aus der deutschen Geschichte wissen wir, dass es keinen Schlussstich geben | |
| kann, sondern Aufarbeitung ein andauernder Prozess ist. | |
| ## Macht durch Vernetzung | |
| Im Streit gegen die eine sitzende koreanische Frau zeigende Statue fällt | |
| stets das Argument, das Mahnmal sei einer Parteinahme für Korea in einem | |
| bilateralen Konflikt mit Japan. Doch das greift zu kurz. | |
| Die Statue erinnert an den Mut der mehrheitlich koreanischen Frauen, die | |
| 1991 erstmals mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit gingen. Deshalb | |
| und auch wegen der [4][massiven sexualisierten Kriegsgewalt] in Bosnien, | |
| Ruanda, Afghanistan, Kongo, Irak und Syrien ist das Thema in der | |
| Öffentlichkeit präsent. Das Gedenken unterbinden zu wollen, ist damit der | |
| Versuch, das Thema sexualisierte Kriegsgewalt wieder unter den Teppich | |
| kehren zu wollen. | |
| Japans konservative Regierung hofiert mit ihrer Politik | |
| geschichtsrevisionistische Rechtsradikale und Nationalisten und spannt | |
| dafür jetzt deutsche Ämter ein. Sie alle hätten längst ein Mahnmal | |
| aufstellen können. Jetzt können sie dem Korea Verband e. V. dankbar sein. | |
| In dem deutsch-koreanischen Verein sind viele ältere inzwischen | |
| eingebürgerte Frauen koreanischen Ursprungs aktiv. Sie blicken beim | |
| Gedenken an die mutigen „Trostfrauen“ nicht nur zurück und etwa einseitig | |
| auf Japan, sondern haben sich mit deutschen, japanischen und | |
| internationalen Frauen-, Menschenrechts- und Migrantenorganisationen | |
| vernetzt. Genau das macht jetzt ihren Erfolg aus. | |
| Dabei haben sie nicht nur immer wieder die offizielle südkoreanische | |
| Politik kritisiert, sondern bereichern Berlins Zivilgesellschaft um ihre | |
| eigenen Erfahrungen und Perspektiven. Sie auf einen bilateralen Konflikt | |
| zwischen Korea und Japan zu reduzieren, heißt, sie und das Thema sexuelle | |
| Kriegsgewalt nicht für voll zu nehmen. | |
| Denn dieses Thema muss auch in Südkorea immer wieder gegen konservative | |
| Kräfte auf die Agenda gesetzt werden. Auch Südkoreaner haben damals mit | |
| Japan kollaboriert und südkoreanische Soldaten waren im Vietnamkrieg für | |
| ihre Brutalität gefürchtet. Die mutigen „Trostfrauen“ sind der Anfang ein… | |
| internationalen Diskussion, das Ende sind sie sicher nicht. | |
| ## Zusatz vom 15. Oktober | |
| In Reaktion auf den im zweiten Absatz dieses Artikels erwähnten Drucks auf | |
| den Bezirk erklärt das Auswärtige Amt: „Das Auswärtige Amt hat den | |
| zuständigen Berliner Behörden zu keinem Zeitpunkt Empfehlungen gemacht, wie | |
| man dort mit der Statue umgehen soll.“ | |
| Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes hatte schriftliche wie telefonische | |
| Anfragen der taz zum Umgang mit der von Japan monierten Statue inhaltlich | |
| nicht beantworten wollen, nachdem Japans Außenminister laut einem Tokioter | |
| Zeitungsbericht mit seinem deutschen Amtskollegen darüber telefoniert | |
| hatte. | |
| Sowohl die Senatskanzlei wie das Bezirksamt Mitte verweisen in in- und | |
| externen Stellungnahmen, die der taz vorliegen, auf die Wichtigkeit der | |
| diplomatischen Beziehungen zu Japan. Dabei betont zum Beispiel die | |
| Senatskanzlei, dass sie „die Einschätzung des Auswärtigen Amtes der | |
| Bundesrepublik Deutschland“ teilt. | |
| Sven Hansen | |
| 14 Oct 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gedenken-an-Trostfrauen/!5719024 | |
| [2] /Trostfrauen-Mahnmal-in-Berlin/!5719528 | |
| [3] /Japanische-Kriegsverbrechen/!5425799 | |
| [4] /Kampf-gegen-sexualisierte-Kriegsgewalt/!5587783 | |
| ## AUTOREN | |
| Sven Hansen | |
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