| # taz.de -- Expertin über sexualisierte Gewalt: „Krieg gegen Menschenrechte�… | |
| > Was bringt die UN-Resolution zum Schutz von Frauen? Ines Kappert spricht | |
| > von einem Rückschritt und fordert ein Umdenken in der Außenpolitik. | |
| Bild: Jesidinnen sind immer wieder Opfer sexualisierter Gewalt im Krieg (Symbol… | |
| taz: Frau Kappert, ist die [1][Resolution] ein Erfolg? | |
| Ines Kappert: Sie ist ein Rückschritt und ein Ausverkauf von Frauenrechten. | |
| Es ist genau das eingetreten, was wir als Netzwerk befürchtet und | |
| formuliert haben. | |
| Was denn? | |
| Das neue Regelwerk besagt nicht, dass Frauen, die vergewaltigt und | |
| ungewollt schwanger wurden, ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch haben. | |
| Sie haben keinen garantierten Zugang beispielsweise zur | |
| Gesundheitsversorgung. Das haben die USA explizit herausverhandelt. | |
| Aber die Resolution besagt, dass Kinder besser geschützt werden sollen, die | |
| nach Vergewaltigungen geboren werden, genauso wie ihre Mütter geschützt | |
| werden sollen, die oft Stigmata ausgesetzt sind. Auch eine bessere | |
| Strafverfolgung von sexualisierter Gewalt soll es geben. Ist das kein | |
| Fortschritt? | |
| Erst zwingt man die Frauen, eine Schwangerschaft auch nach Vergewaltigung | |
| auszutragen. Und dann sagt man, na gut, ihr, die ihr kein Recht auf | |
| sexuelle Selbstbestimmung habt, euch schützen wir besser. Das ist | |
| vergiftet. Wenn jetzt implizit festgeschrieben ist, dass selbst | |
| Vergewaltigung kein Grund ist, das Selbstbestimmungsrecht der Überlebenden | |
| in den Vordergrund zu stellen – auf welcher Grundlage soll sich die | |
| Strafverfolgung verbessern? Die Resolution zeigt die Ohnmacht der | |
| progressiveren Mächte. | |
| Trotzdem: Ist es nicht besser, diese Resolution zu haben anstatt keine? | |
| Das Problem liegt nicht darin, dass es kein Regelwerk, keine | |
| Selbstverpflichtung gibt. Es gibt die [2][Resolution 1325] aus dem Jahr | |
| 2000 und Folgeresolutionen. Seitdem ist Vergewaltigung als systematisch | |
| eingesetzte Kriegswaffe anerkannt. Aber das Militär oder staatliche | |
| Institutionen, konservative bis reaktionäre Kräfte, verhindern oder | |
| verschleppen eine Strafverfolgung. Das Problem liegt darin, dass die | |
| bestehende Resolution nicht umgesetzt wird. | |
| Was genau müsste getan werden? | |
| Die schwedische feministische Außenministerin [3][Margot Wallström] | |
| fordert, dass Außenpolitik insgesamt dahingehend überprüft werden muss, ob | |
| Menschenrechte in dem jeweiligen Land für alle Geschlechter, und auch für | |
| Frauen gelten. Sexualisierte Gewalt kommt nicht aus dem Nichts, sie | |
| entsteht dort, wo massiv ungleiche Strukturen herrschen. Das ist ein | |
| Kontinuum der Gewalt und häufig vor und nach bewaffneten Konflikten der | |
| Fall. Wir müssten also Strukturen aufbauen und unterstützen, die | |
| sexualisierte Gewalt aufbrechen. Die deutsche Außenpolitik hat in den | |
| vergangenen Jahren zwar verstärkt auf Konfliktprävention gesetzt – aber | |
| sexualisierte Gewalt hat dabei kaum eine Rolle gespielt. Bis zu Heiko Maas | |
| waren Menschenrechte für alle Geschlechter und Schutz vor sexualisierter | |
| Gewalt in der Außenpolitik Nebensache. | |
| Das hat sich jetzt geändert? | |
| Ja. Wir begrüßen sehr, dass der politische Wille da ist, das Thema | |
| hochzuziehen. Als VertreterInnen der Zivilgesellschaft haben wir das | |
| deutlich gemerkt. Wir wurden verstärkt eingeladen, es gab exzellente | |
| Veranstaltungen mit ExpertInnen und dem Auswärtigen Amt, es wird Wissen | |
| aufgebaut. | |
| Trotzdem scheitert die Bundesregierung offenbar mit der Politik, die sie | |
| gerade verfolgt. | |
| Ja, weil sie die Kräfteverhältnisse falsch eingeschätzt hat. Maas hat im | |
| Interview gesagt, niemand könne dagegen sein, Überlebenden sexualisierter | |
| Gewalt Rechte einzuräumen. Das ist blauäugig. Der Kampf gegen sexuelle | |
| Selbstbestimmung von Frauen und anderen Geschlechtern ist ein Kernstück der | |
| rechten bis extrem rechten Ideologie, das diese wiederum mit einer | |
| konservativen Mitte verbindet. Es war deshalb auch keine Überraschung, dass | |
| die USA ihre Ankündigung von 2017 wahr gemacht haben, sämtlichen | |
| Organisationen, die Schwangerschaftsabbruch als Teil ihrer Arbeit anbieten, | |
| die finanzielle und politische Unterstützung zu entziehen. Laut | |
| US-Außenministerium geht es dabei um knapp 9 Milliarden US-Dollar. Es ist | |
| ein enormes Problem auch für die deutsche Außenpolitik, dass die USA | |
| offenbar keine Verbündeten in Sachen Menschenrechte mehr sind. | |
| Bedeutet das für die Frauen- und Menschenrechtspolitik der Vereinten | |
| Nationen einen Stillstand auf absehbare Zeit? | |
| Es ist ein Backlash. Die mächtigen USA, China und Russland führen einen | |
| Krieg gegen sexuelle Selbstbestimmung und Menschenrechte. Das muss erstens | |
| anerkannt werden. Und zweitens müssen neue Bündnisse geschlossen werden. Es | |
| braucht ein Umdenken. | |
| Bedeutet dies: Den Blick weg von der nächsten Resolution auf globaler Ebene | |
| hin zu kleineren Bündnissen oder auch der eigenen Haustür? | |
| Ja. Es gibt Spanien, Schweden, Ruanda. Auch von einigen afrikanischen | |
| Ländern können wir lernen, wie mit sexualisierter Gewalt umgegangen werden | |
| kann. Es gibt große Geldgeber privater Natur, Bill Gates zum Beispiel. Auch | |
| das ist nicht unproblematisch. Aber wir müssen an Alternativen zum | |
| Sicherheitsrat arbeiten, wie er momentan besetzt ist. | |
| Welche Rolle kann die EU dabei spielen? | |
| In der gibt es selbst einen Rechtsruck und extremen Angriff auf | |
| Frauenrechte. Zumindest Großbritannien und Frankreich haben sich sehr | |
| kritisch zur Verwässerung der Resolution geäußert. Schweden oder Spanien | |
| sind in diesem Feld progressiv. Es macht Sinn, die Spielräume auszuloten. | |
| Welche Rolle spielt Deutschland in diesen neuen Bündnissen? | |
| Deutschland setzt die Resolution 1325 bislang nicht ausreichend um und hat | |
| etwa den [4][Familiennachzug auch für Jesidinnen] ausgesetzt. Deutschland | |
| könnte gemeinsam unter anderem mit Frankreich und Großbritannien viel mehr | |
| Ressourcen in die Unterstützung von Überlebenden stecken und in seiner | |
| momentanen prominenten Position Lobbyarbeit machen, damit andere | |
| AußenministerInnen sich des Themas annehmen. | |
| Was kann man an der verabschiedeten noch Resolution retten? | |
| Wir müssen jetzt an den positiven Bruchstücken wie einer besseren | |
| Strafverfolgung und dem Schutz von Überlebenden arbeiten. Wir müssen | |
| kritisch verfolgen, ob sich das in der Außen- und Sicherheitspolitik | |
| niederschlägt, ob es in Friedensverträge hinein verhandelt werden konnte, | |
| und wie viel Geld dafür aufgewendet wird. | |
| 24 Apr 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Resolution-des-UN-Sicherheitsrates/!5590482 | |
| [2] https://www.un.org/depts/german/sr/sr_00/sr1325.pdf | |
| [3] /Margot-Wallstroem-ueber-Feminismus/!5505669 | |
| [4] /Frauen-aus-dem-Nordirak/!5560816 | |
| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
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